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Leserbrief zum Bericht „Wald soll Wald bleiben“

Roland Raisig kritisiert vollkommen zu Recht die vielfachen Umwandlungen von Forstflächen in Grünland, die nach dem Orkan „Kyrill“ auf vielen der verwüsteten Parzellen stattfanden. Dass dies mit Genehmigung der Forstbehörden geschah, ist neben der jahrzehntelangen unkritischen Förderung der Fichtenmonokulturen deren zweites fundamentales Versagen gegenüber Klimaerhitzung und Artensterben.

Der Klimaschaden entsteht nicht so sehr durch das Methan, welches die Kühe ausstoßen, sondern durch die Art der Grünlandbewirtschaftung. Wären es artenreiche Wiesen geworden , die zweimal für Heu gemäht und mit Stallmist gedüngt werden, so wären humusreiche Böden entstanden, die CO 2 und Wasser speichern können und die Artenvielfalt fördern.

Es sind aber Grünlandflächen, die 4 bis 5 mal für Silage gemäht und mit Gülle getränkt werden, mit schädlichen Folgen für Klima und Artenvielfalt. Da außer Löwenzahn so gut wie keine Gräser und Kräuter mehr zum Blühen kommen, ist diese Wirtschaftsweise der Hauptgrund für das bedrohliche Insektensterben. Den zukünftigen Dürren und Starkregen werden die Böden dieser Futterflächen so wenig standhalten können wie die Fichtenmonokulturen, zumal das kühlende Kleinklima der Schatten spendenden Landschaftselemente wie Baumgruppen, Hecken und Gehölzstreifen per Flurbereinigung für den Einsatz von Großtechnik beseitigt wurden. Deren allseits bewunderte „Schlagkraft“ war 2018 auf den verdorrten Flächen aber gleich Null. Dieser Schock hat die lebensgefährliche Illusion offengelegt, der Mensch könne der Natur mit Hilfe der industriellen Produktionsweise immer größere Erträge abpressen.

Dies ist kein Bauernbashing, denn das Silage-Gülle-Kraftfutter-Hightech-Hochleistungskuh-System ist den niedrigen Erzeugerpreisen geschuldet.Die Politik hat seit jeher die Landwirtschaft in die Massenproduktion billiger Lebensmittel gedrängt, damit immer größere Anteile der Einkommen für Industrieprodukte ausgegeben werden können. Die Bauern liefern, die Industrie brummt und wir Mittelklasse-Konsumenten können so maßlos drauflos shoppen und uns so hemmungslos vergnügen wie nie zuvor in der Weltgeschichte. Wir haben es zu weit getrieben, denn jetzt hat uns das aufgeheizte Klima den Krieg erklärt und zerstört unwiederbringlich Ackerböden, Wald und Weideland. Dass dies unsere Lebensgrundlagen sind und nicht etwa die Auto- oder Freizeitindustrie, das werden auch wir vielleicht schon bald an einem Mangel von Nahrungsmitteln spüren. Die Bauern werden anders arbeiten müssen und wir alle anders leben, sonst droht demnächst auch uns wieder der Menschheits-Alptraum, nicht genug zu essen zu haben. Wer das angesichts von Dürre, Flut, toten Bäumen und Corona immer noch für Panikmache hält, dem fehlt es in einem pathologischen Ausmaß an Phantasie.

Betreff:     NS-Aufarbeitungs – Verweigerung
Datum:     Tue, 2 Nov 2021 15:37:00 +0100
Von:     Lothar Gothe <logo@westhost.de>
An:     Kreistag Oberbergischer Kreis OBK <mail@obk.de>

Sehr geehrter Herr Landrat Jochen Hagt !

Ich bedanke mich für Ihr aufschlussreiches Schreiben vom 15. 10., aus dem ich viel gelernt habe:

Sie haben sich als Meister der Machtpolitik erwiesen, indem Sie ein offensichtlich unerwünschtes Abstimmungergebnis des Kreisausschusses gekonnt verhindert haben. Denn bei der Juni- Sitzung sah es nach den Wortmeldungen der einzelnen Fraktionen für alle Anwesenden so aus, dass mein Antrag bei der Abstimmung eine große Zustimmung fände.Der Antrag war ja auch nichts Besonderes, hunderte Behörden, Wirtschaftunternehmen  und Kommunen haben ja inzwischen ihre NS-Vergangenheit aufarbeiten lassen, auch solche, die es weniger nötig haben als der OBK.

Alle haben natürlich dem wissenschaftlichen Standard entsprechend unabhängige Historiker damit beauftragt. Mir bekannte Ausnahmen sind nur der Landschaftsverband Rheinland und der Oberbergische Kreis; Der LVR ließ zur Ehrung seines Gründungsdirektors Klausa von seinem Archivleiter Werner eine Biografie verfassen, die hinsichtlich von Klausas schwerer NS Belastung derart peinliche Lücken aufwies, dass sie später aus dem  Internet entfernt werden musste. Der Kreis beauftragte ebenfalls seinen abhängig beschäftigten Archivar Pomykaj mit der NS Aufarbeitung: Mit ähnlich lückenhaftem Ergebnis, vor allem was die NS Belastung des „Gründungs-OKD“ und Klausa-Kameraden Goldenbogen betrifft.

Es lag daher nahe, dem Beispiel des LVR zu folgen und nunmehr ebenfalls unabhängige Historiker zu beauftragen. Doch Sie brachen den Tagesordnungspunkt ohne jeden erkennbaren sachlichen Grund ab und verschoben die Abstimmung auf die nächste Sitzung, in der mir der Zutritt ( formal zu Recht) verwehrt wurde. Herr Pomykaj durfte offenbar des Langen und Breiten seine Ehre als Wissenschaftler gegen den Bauern Gothe verteidigen, ohne aber endlich  mal zu erklären, warum er z.B, die Mitgliedschaft von Goldenbogen in der SA und anderen NS Organisationen nicht herausgefunden oder verschwiegen hat. Man darf wohl auch davon ausgehen, dass Sie die Zwischenzeit für politische Einflussnahmen mit dem Ziel genutzt haben, eine unabhängige, objektive  Aufarbeitung weiterhin zu verhindern. Wie Sie das Umschwenken des Ausschusses hingekriegt haben, wäre sicherlich ein lohnendes Material für Studien über politische Kultur in einem Uni-Oberseminar.

Tatsächlich hat der Ausschuss dann ja meine Anregung abgelehnt und dafür eine „Begründung“ angegeben, welche unter Historikern vermutlich Reaktionen von Ratlosigkeit bis zu Kopfschütteln und  höhnischem Gelächter auslösen dürfte: Es soll nun die offenbar geschichts-wissenschaftlich hochkompetente Verwaltung gebeten werden, ein „Themenfeld vorzubereiten“ ( Häh?!?), um dann mit den wohl ebenfalls kompetenten Fraktionsvorsitzenden „abzustimmen“, in „welcher Form“ man sich dem „Thema“ „widmen“ wolle.

Der Untersuchungsgegenstand ist natürlich kein „Themenfeld“, sondern ganz einfach und klar umrissen die NS Belastung in Kreistag und Verwaltung  vor und nach der angeblichen“Stunde Null“. Für eine solche Forschung gelten wissenschaftlich festgelegte Regeln, über deren “ Form“ nicht- auch nicht von Fraktionsvorsitzenden- von Fall zu Fall “ abgestimmt“  werden kann. Jeder unabhängige Historiker würde sich dererlei Vorgaben verbitten.

Da der Ausschuss beschlossen hat, dass eine Forschung durch unabhängige Historiker „aufgrund der erfolgten Publikationen nicht zielführend“ sei, kann das Ziel nach aller Logik doch nur sein, die bestehenden erheblichen Lücken dieser ( Pomykaj-) Publikationen eben nicht zu schließen und personelle und ideologische Nazikontinuitäten im Nachkriegs-Oberberg weiterhin unter dem Teppich zu halten.

Das unsägliche „Begründungs“geschwurbel  dient offensichtlich dem Zweck, von dem  in meinen Augen unverzeihlichen Versagen gegenüber der Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aufklärung  einer mörderischen Vergangenheit und ihrer Auswirkung bis in die Gegenwart abzulenken.

Was die Behandlung meiner früheren Anregungen betrifft, haben Sie in Ihrem Antwortschreiben erneut ein typisches obrigkeits-staatliches Vorgehen an den Tag gelegt:  Obwohl Ihre Verwaltung erwiesenermaßen gegen meine  berechtigte Kritik an dem Prestige-Schafsprojekt  mit einem falschen Gutachten vorging, hatte das keinerlei Konsequenzen und Sie gehen auch jetzt wieder über das in zweiter Instanz bestätigte Urteil hinweg, indem Sie zu meinen diesbezüglichen Ausführungen wider besseres Wissen von oben herab einfach behaupten, sie entbehrten „jeglicher Grundlage“. Sie halten also weiterhin das Gutachten für richtig und stellen  sich insofern über unsere Rechtsordnung, in der ein rechtkräftiges Urteil von jedermann zu respektieren ist.

Ähnlich gehen Sie mit dem  eklatanten Versagen der angeblich unabhängigen Beschwerdestelle beim Klinikum Oberberg um, in dessen Aufsichtsgremien ja nicht umsonst Vertreter des Kreistages sitzen. Statt diese mit dem Skandal zu beschäftigen, dass die Beschwerdestelle monatelang einen hilflosen alten Herrn im Stich ließ, der rechtswidrig in der geschlossenen Psychiatrie eingesperrt war, reichen Sie meine an den Kreistag gerichtete Anregung an den Geschäftsführer der Klinik (!) weiter. Doch der ist ja gerade derjenige, der den Missstand zu verantworten hat.Er selbst hat die Beschwerde (viel zu spät) bearbeitet und mit ausweislich der Krankenakte falschen Angaben abgewimmelt. Es gibt also faktisch keine „unabhängige“ Beschwerdestelle für Patienten. Da deren Sinn aber ist, die Rechte der Patienten gegen die Geschäftsleitung zu vertreten, ist es ein schwerwiegender Missstand, der unbedingt abgestellt werden muss; zumal in einem Land, in dem vor noch nicht einmal 80 Jahren solche wehrlosen Kranken als „Ballastexistenzen“  von staatlichen Institutionen systematisch ermordet wurden.

Da also der Kreisauschuss und Sie als Verwaltungschef eine wirkliche, objektive  Aufarbeitung der NS Vergangenheit nicht für erforderlich halten, sollten Sie auch offen bekennen, dass die NS Belastungen von Goldenbogen und anderen Nachkriegspolitikern für Sie und den Kreistag heutzutage keine sonderliche Relevanz mehr haben.

Aus diesem Grund schlage ich vor, dass der Kreis als führende Kraft im sogenannten  „Bündnis gegen Rechts“ dessen nächste Jahrestagung in der Kantine der Waldbröler Klinik abhält. Da die Einladungsadresse “ Dr.Goldenbogen Strasse“lauten würde, könnten Sie damit ein Zeichen setzen, dass zumindest in Oberberg endlich der von vielen geforderte „Schlussstrich“ unter die Nazizeit gezogen wird.

Abschließend möchte ich bemerken, dass sogar ich als einfacher Bauer durchaus die feine Ironie bemerkt habe, die in der Verwendung der altertümlichen Grussformel „Hochachtungsvoll“ zum Ausdruck kommt. Deshalb erlaube ich mir, noch ein wenig hochachtungsvoller zurückzugrüßen,

Ihr Lothar Gothe

P.S. Ich hatte übrigens nicht beabsichtigt, Ihnen eine Beunruhigung zu „suggerieren“, sondern wollte nur darauf hinweisen, dass es auch für Sie Gründe dafür geben könnte, beunruhigt zu sein: Wenn es schon nicht anwachsender Rechtsradikalismus oder die drastischen Erderwärmungsfolgen sind, dann doch vielleicht die zunehmende Abwendung vieler Mitbürger von den ( staatlichen) Institutionen, wie sie sich z.B. auch im Wahlergebnis Ihrer Partei so deutlich gezeigt hat.

Eine Mail an Herrn Hagt

Betreff:     Meine Einwohneranregung zur NS-Aufarbeitung im Kreisausschuss vom 30.9.21
Datum:     Thu, 14 Oct 2021 22:30:04 +0200
Von:     Lothar Gothe <logo@westhost.de>
An:     Kreistag Oberbergischer Kreis OBK <mail@obk.de>

Hallo Herr Hagt,

wie Sie sicher wissen, wurde mir von Ihrem Mitarbeiter die Teilnahme an der Sitzung verwehrt, weil ich meinen Impfausweis vergessen hatte. So konnte ich leider der Diskussion um meine Einwohneranregung und den Ausführungen des Herrn Pomykaj zu meiner Person nicht beiwohnen und  ich kenne auch nicht den Beschluss des Kreisausschusses. Mein anwesener Freund kann ihn nicht  wiedergeben und somit ist mir nicht klar, was nun mit meiner Anregung geschehen soll.

Da das bisher noch nicht geschehen ist,  bitte ich also darum, mir den Beschluss schriftlich mitzuteilen.

Ich erlaube mir, diesen Vorfall zum Anlass für einige kritische Anmerkungen zum Umgang des OBK mit Einwohneranregungen zu nehmen, insbesondere mit meinen.  Ohne meine Schlamperei entschuldigen zu wollen, will ich daraufhinweisen, dass mir eine Teilnahme durchaus hätte erlaubt werden können. Ich hatte Ihren Mitarbeiterinnen angeboten, schriftlich eine eidesstattliche Erklärung abzugeben, dass ich zweimal geimpft bin und den Impfausweis am folgenden Tag im Kreishaus vorzulegen. Daraufhin erlaubten sie meine Teilnahme mit der Auflage, mit Maske und großem Abstand zu den Anwesenden Platz zu nehmen. Doch dann schritt ein weiterer Mitarbeiter ein und  untersagte wiederum meine  Teilnahme  unter Verweis auf ein Verwaltungsgerichtsurteil vom selben Tag. Soweit ich das beurteilen kann, schließt dieses  Urteil in meinem speziellen Fall aber die Teilnahme an der Sitzung gar nicht aus, da ich kein Impfgegner aus der Querdenkerszene bin und es sichergestellt war, dass keinerlei Ansteckungsgefahr von mir ausging.

Wenn  ich dieses Vorgehen als unfreundlichen Akt betrachte, so liegt das möglicherweise auch an unschönen Vorerfahrungen mit Einwohneranregungen: Einmal musste  erst die Kommunalaufsicht beim RP den damaligen Landrat dazu zwingen, meine Anregung zu behandeln.

Zum andern steht immer noch der unaufgearbeitete Skandal im Raum, dass die Kreisverwaltung meine Kritik an der erheblichen Misswirtschaft beim Schafsbeweidungsprojekt der Biostation durch die Vorlage eines falschen Gutachtens des Herrn Galunder ersticken wollte. Anlässlich einer Einwohnerfrage dazu erlebte ich den denkwürdigen Vorgang, dass  ein Gerichtsvollzieher mich 5 Minuten vor Beginn der Sitzung aus dem Raum holte und  eine einstweilige Verfügung übergab, in der mir verboten wurde, Galunders Gutachten als falsch zu bezeichnen. Die Klage in der Hauptsache endete aber mit dem vom OLG bestätigten Urteil des LG Köln,  dass es sich um “ ein eindeutig falsches Gutachten“ handele. Die Kreisverwaltung wusste das auch, denn zuvor hatte bereits eine Kontrolle der Landirtschaftskammer ergeben, dass „70 %  (!) der Schafsflächen in „schlechtem Pflegezustand“ waren. Man nahm also völlig desinteressiert hin, dass bei diesem OKULA- Grünland nicht Artenvielfalt gefördert wurde, sondern Arten vernichtet( Artenschutz  wurde damals allerdings weithin als Marotte überdrehter Naturschützer abgetan). Die Herausgabe dieses peinlichen Befunds hatten Kreis und LWK rechtswidrig verweigert, ich musste diese erst mit Hilfe des Verwaltungsgerichts erzwingen.

Anstatt diese offenkundigen ökologischen,rechtsstaatlichen und demokratischen Defizite  aufzuarbeiten, wurden sie mit Schweigen übergangen, der Kreistag versagte als parlamentarisches Kontrollorgan der Verwaltung vollkommen.; einige Verwaltungsmitarbeiter begegneten mir mit blankem Hass, andere äußersten ihre Scham über das Vorgehen ihrer Vorgesetzten.

Voriges Jahr habe ich die Einwohneranregung an den Kreistag gerichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die angeblich unabhängige Patienten-Beschwerdestelle bei der Kreisklinik neu organisiert wird. Sie hatte monatelang nicht auf die Beschwerde eines alten Herrn reagiert, der eindeutig rechtswidrig in der geschlossenen Psychiatriestation eingesperrt war, aus der ich ihn später als Betreuer befreien konnte. Sie, Herr Hagt, haben diese Anregung gar nicht erst an das Parlament weitergeleitet, sondern “ zuständigkeitshalber“ an den Geschäftsführer der Klinik weitergereicht, der ja für den Missstand verantwortlich ist und der eine Beschwerde mit unzutreffenden Angaben abgewimmelt hatte. Der LVR als Miteigentümer der Klinik fühlte sich hingegen durchaus zuständig und ging der Beschwerde nach. Mit ziemlicher Sicherheit hätten  Sie ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht verloren, aber Sie können ja darauf bauen, dass selbst ein Querulant wie ich nicht jedesmal Zeit, Kraft und Geld aufbringt, um sich bei Gericht zu wehren.

In meinen Augen zeigen sich auch an diesen Vorfällen vordemokratische Relikte eines Obrigkeitsstaates, der zu Selbstkritik nicht fähig ist . Es liegt auf der Hand, dass die jahrzehntelange autoritäre Herrschaftsausübung  des Altnazis Dr. Goldenbogen und seiner Gesinnungsgenossen derartige Machtstrukturen gefördert  und das Entstehen einer offenen, bürgerfreundlichen, basisdemo-kratischen Gesellschaft behindert hat.

Die Herausforderungen der Menschheit  durch die herannahende Klimakatastrophe und das Artensterben können aber in solchen abgeschotteten, selbstgerechten politischen Hierarchieen  nicht bewältigt werden. Weil sie diesen neuen Gefahren offenkundig genauso rat-und hilflos gegenüberstehen wie wir  Bürger, müssen Parlamente und Verwaltungen jetzt eine gewisse Demut erlernen, IrRWEge offen bekennen und ihren obrigkeitlichen Gestaltungsanspruch  aufgeben. Es braucht jetzt die Mitwirkung aller, deshalb kann ohne eine Öffnung für basisdemokratische Prozesse die nötige Transformation von  Wirtschaft, Politik und Lebensstil nicht erreicht werden.

Das Vertuschen und Verharmlosen von Misständen und Fehlentwicklungen und das Niedermachen von berechtigter Kritik wie bei Ihrem Schafsprojekt wird  gegenüber den Ursachen und den Folgen des Klimawandels lebensgefährlich, das müsste spätestens seit der Ahr-Katastrophe eigentlich jeder begriffen haben. Die realen Gefahren verschwinden eben nicht dadurch, dass politische Mehrheiten sie per Beschluss negieren, sie steigen im Gegenteil dadurch immer weiter an.  Der notwendige „Transformations“-Prozess kann nur damit anfangen, die Fehler in der Vergangenheit zu erforschen und offenzulegen, welche politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen zu dieser existentiellen Bedrohung der  Menschheit geführt haben. Die ehrliche Aufarbeitung der oberbergischen Nazikontinuität gehört dazu. Auch deshalb, um der Gefahr eines neuen Nazifaschismus vorzubeugen, der die längst unvermeidlichen ökologischen und ökonomischen Krisen durch die Klimawandelfolgen erneut als Nährboden nutzen könnte.

Das Institut der Einwohneranregung könnte ja ein Mittel sein, die Bevölkerung bei der Transformation einzubeziehen. Dass aber offenbar kaum einer diese Möglichkeit nutzt, deutet daraufhin, dass die meisten sowieso nicht daran glauben, dass man sich mit ihren  Einwendungen und Anregungen ernsthaft befasst. Das sollte auch Sie beunruhigen.

Gruss,
Lothar Gothe

Einwohnerfrage

Lothar Gothe
Eckenhagenerstr. 33
51702 Bergneustadt

An den Kreistag des OBK
Herrn Landrat Hagt

2. Nov. 2021

Einwohnerfrage

Auf Betreiben des ehem. OKD Goldenbogen wurden Anfang der 50er 4 Gemälde des Malers Werner Peiner für den Sitzungssaal des Kreistages angekauft.

  1. Wie hoch war der Kaufpreis ? Wie hoch war der Anteil von eingeworbenen Sponsorengeldern?
  2. War dem Kreistag bekannt, dass es sich bei Peiner um den früheren Leiter der Herrmann-Göring- Meisterschule in der Nähe der „Ordensburg“ Vogelsang handelte, der von Adolf Hitler aufs Höchste geehrt und in den erlauchten Kreis der „ Gottbegnadeten“ aufgenommen worden war ?
  3. Wenn ja: Gab es im Kreistag deshalb Kritik an diesem Kauf?
  4. OKD Goldenbogen hat den „Blut-und-Boden“-Maler Peiner seit der Entlassung aus dem Internierungslager in einem so außergewöhnlichen Ausmaß gefördert, dass Peiner in ihm einen „Freund fürs Leben“ sah. Dabei störte es Goldenbogen offensichtlich nicht, dass Peiner seiner braunen Gesinnung treu blieb und aus seinem radikalen Antisemitismus keinen Hehl machte. So zitiert ihn die Zeitung Die Welt mit der Äußerung Anfang der 50er, dass man wieder „die jüdische Journaille“ ertragen müsse, „wie vor 33“.
  5. Stimmt der Kreistag der Aussage zu, dass die distanzlose Förderung des Antisemiten Peiner ein starkes Indiz dafür ist, dass Goldenbogen selbst ebenfalls Antisemit war oder zumindest keinen sonderlichen Makel im Antisemitismus sah ?
  6. Die Gemälde sind wohl immer noch im Archiv eingelagert: Wie beabsichtigt der Kreis zukünftig mit dieser Goldenbogen-Hinterlassenschaft umzugehen ?

Eine Mail an „Oberberg ist bunt“

Betreff:     Eure Rundmail
Datum:     Fri, 8 Oct 2021 22:10:01 +0200
Von:     Lothar Gothe <logo@westhost.de>
An:     oberberg-ist-bunt <info@oberberg-ist-bunt.org>

Liebe bunte Oberberger,

weil in Waldbröl die Rechtsextremen gegen den Trend bei der Wahl zugelegt haben, stellt ihr die Frage, was dort los ist und wie man solchen Tendenzen entgegen wirken kann. Ihr wißt aber doch schon, dass das „Leyland“ Nümbrecht/Waldbröl eine Nazihochburg war und dass es bis heute keine ehrliche und umfassende Aufarbeitung der ideologischen und personellen Kontinuität nach 45 gegeben hat: stattdessen Verschweigen, Vertuschen, Verharmlosen, Ablenken; mit der zwangsläufigen Folge, dass der braune Ungeist unter der Oberfläche der Öffentlichkeit fort und fort wirkt. Das wurde an der  Peinlichkeit der Straßenumbenennungen in Nümbrecht deutlich, wo  noch 75 Jahre nach dem Krieg  zwei schwer belastete  Nazis geehrt wurden.

Ihr wisst auch, dass In Waldbröl  immer noch eine Strasse nach „Dr. Goldenbogen“ benannt ist , einem ehemaligen Mitglied nicht nur der NSDAP, sondern auch der SA und dem NS Rechtswahrerbund. Weil er von 46 bis in die 70er als überaus geehrter Oberkreisdirektor (sehr autoritär) die oberbergische ( und im LVR die rheinische) Politik bestimmt hat, ist seine NS-Vergangenheit bis heute ein Tabu. Natürlich ist es überaus peinlich, dass diese übermächtige Figur der Nachkriegszeit 1947 nur deshalb im öffentlichen Dienst bleiben konnte, weil er sich durch die Entnazifizierung gelogen hat.

Das rechtfertigt aber nicht, diese NS-Belastung bis heute zu verschweigen. Der ehemalige Kreishistoriker ist der Öffentlichkeit immer noch eine Erklärung dafür schuldig, warum er die SA- Mitgliedschaft Goldenbogens nicht erwähnt hat.  Ich kann nicht beurteilen, ob er dieses bedeutende Faktum nicht herausgefunden ( es reicht eine Anfrage beim Bundesarchiv)  oder es verschwiegen hat.  Wenn ich vor allem deshalb seine NS-Forschung als „lückenhaft“ bezeichne, so ist das eine sachlich berechtigte, eher zurückhaltende  Kritik und keineswegs eine „Ehrabschneidung“.

Hat „Oberberg ist bunt, nicht braun“ eigentlich auch eine Meinung dazu ?  Meint ihr, die Waldbröler Straße sollte weiter den Namen dieses Altnazis tragen? Manchmal habe ich den Eindruck, als konzentriere sich euer verdienstvoller Kampf gegen den Rechtsradikalismus auf das Symptom AfD, mache aber einen Bogen um die tiefer liegenden Ursachen.  Wer die offen angeht, kommt um Konflikte mit gesellschaftlichen Mächten wie z.B. der evangelischen Kirche oder Parteien wie CDU und FDP nicht herum, die ja nach wie vor bestrebt sind, ihre “ Nachkriegskontinuitäten“ zum NS im Dunkeln zu halten. Kann es sein, dass ihr diese Konflikte mit solchen Partnern im Bündnis gegen Rechts scheut ?

Noch ein Vorschlag für eine Veranstaltung zu  “ Was ist eigentlich Antisemitismus ?“:

Es soll nur der Text von Luthers Schrift “ Über die Juden und ihre Lügen“ laut und deutlich vorgelesen werden. Jeder versteht dann ohne jede professorale Anleitung, wie Antisemitismus funktioniert:  Erst werden die Juden durch wüste Beschimpfungen entmenschlicht und  z. B-. als “ blutrünstige Hunde“ betitelt, als minderwertige „Rasse“ verächtlich gemacht und ausgegrenzt, dann mit Hilfe von Verschwörungsfantasien als so gefährlich hingestellt, dass schließlich offene Gewaltanwendung bis hin zu Mord und Totschlag gerechtfertigt erscheint. Alles zu lesen bei Dr. Martin Luther, dessen antisemitische Hetzschrift jahrhundertelang die Seelen vergiftete und die noch Jahrzehnte nach 45 mit dessen gesammelten Schriften verbreitet wurde. Auch ein Tabu, welches eine echte Aufarbeitung verhindert.

Solidarische Grüsse,

Lothar

Richtigstellung zum Leserbrief des Herrn Pauels vom 31.7. „Segen statt Fluch“

„Sehr geehrter Herr Gothe,

vielen Dank für Ihre Zuschrift. Wie Sie wissen, werden wir Ihre Antwort auf eine Antwort auf Ihren Leserbrief allerdings nicht als Leserbrief abdrucken. Das hat nichts mit dem Inhalt zu tun und ist auch keine Einschränkung, die nur Sie betrifft, sondern ein Grundsatz, der für alle Leserbrief-Schreiber gilt.

Ich wünschen Ihnen ein schönes Wochenende.“

 

Na, dann hier:

Offenbar will auch der Kirchenmann Pauels einfach nicht zur Kenntnis nehmen, dass die „verkniffene, moralinsaure Verbotsethik“ mehr noch als von mir von seinem Papst kommt, den ich ja nur zitiere. Mit keinem einzigen Satz erwähnt dieser in den Ezykliken „Laudato Si“ und „Evangelii Gaudium“ irgendeinen Segen, den der herrschende neoliberale Kapitalismus der Menschheit gebracht habe. Welchen Segen könnte denn auch „die Diktatur einer Wirtschaft ohne menschliches Gesicht“ den Menschen bringen, eine Wirtschaft, die „ausschließt“und „tötet“ ? Wir leben in einer Welt, in der ein deutscher Sozialhilfempfänger bereits zu den 10% der reichsten Mitmenschen gehört, über 2 Milliarden Kleinbauern leben am Rande der Existenz, die Arbeiter in den Plantagen und Fabriken des Südens erhalten 50 Cent am Tag, sie müssen also 20 Tage für den deutschen Mindestlohn schuften! Vor allem die Klimaerwärmung lässt die Zahl der Hungernden steigen, die Geflüchteten vegetieren in unseren abscheulichen Lagern …

Und da traut sich ein satter katholischer Amtsträger, den blanken Zynismus zu Papier zu bringen, dass die heutige „Menschheitsgeneration“ „insgesamt besser, sicherer, reicher, satter, gesünder“ lebt als je zuvor? Angeblich sollen sogar den Menschen „mit dem kleinen Geldbeutel“ „schöne Dinge“ wie Kreuzfahrten und SUVs ermöglicht werden, die übrigens auch mit elektrischem oder Wasserstoffantrieb Klimakiller bleiben.

Zum „Segen“ solcher „schönen Dinge“ unseres Überkonsums: „ Die große Gefahr der Welt von heute mit ihrem vielfältigen und erdrückenden Konsumangebot ist eine individualistische Traurigkeit, die aus einem bequemen, begehrlichen Herzen hervorgeht, aus der krankhaften Suche nach oberflächlichen Vergnügungen, aus einer abgeschotteten Geisteshaltung …“

Das stammt wohlgemerkt nicht von mir, sondern ebenfalls von Franziskus. Ist es nicht eine absolut absurde Situation, dass ausgerechnet ich als abgefallener Katholik völlig ignoranten Kirchenfunktionären die radikale Abrechnung ihres Papstes mit dem Fluch unseres Konsumkapitalismus vorhalten muss?

Ein Rückblick anläßlich des Wiesenkonzerts in der „Thomas-Müntzer-Arena“

Scheinbar aus heiterem Himmel ist vor mehr als einem Jahr „Corona“ über uns gekommen und bestimmt nun diktatorisch unser Leben und das aller anderen Menschen auf der Welt. Wir haben uns an Einschränkungen und staatliche „Freiheitsberaubungen“ gewöhnen müssen, die zuvor keiner für möglich gehalten hätte. Die undemo-kratische kapitalistische „Grundordnung“ sorgt dafür, dass die enormen wirtschaftlichen, sozialen und seelischen Schäden vor allem die Armen, die Kinder und die Kultur treffen.

Eine Hofwiese, die wie eine Arena geformt ist, hat uns auf die Idee gebracht, dort eine Bühne einzurichten und der Corona-Depression mit Freiluft-Veranstaltungen entgegenzuwirken. Denn diese Pandemie oder andere „ Coronas“ werden Teil unseres Leben bleiben. Tatsächlich sind solche neuartigen Seuchenzüge nämlich keine Überraschung, denn sie werden seit Jahrzehnten von der Wissenschaft angekündigt, als eine der dramatischen Folgen der Klimaerwärmung.

Schon Ende der 70er und in den 80ern warnten Wissenschaftler vor der zunehmenden Umweltzerstörung und dem Menschen gemachten Klimawandel, der große Teile der Erde unbewohnbar machen könnte, Viele, meist junge Menschen machten sich auf und suchten nach alternativen Lebensstilen und nachhaltigen Wirtschaftsformen. Das Fanal der atomaren Katastrophe in Tschernobyl bestätigte die Notwendigkeit der radikalen Umkehr..

Auch dieser kleine Hof ist in dem damaligen Aufbruch und aus seinem Geist entstanden, ebenso wie die Kompostanlage in Eckenhagen. Meggie und ich haben den Hof aus einem desolaten Zustand wieder aufgebaut und unsere Produktionsweisen streng nach den Bedingungen des Klimaschutzes und einer möglichst positiven Energiebilanz ausgerichtet, die beim Ökolandbau leider nicht Pflicht ist. Als Beispiel soll hier nur das Brot dienen:

Über Jahrzehnte hat es als „ Meggie-Brot“ beinahe lokalen Kultstatus erlangt. Dabei ahnten viele Kunden vermut-lich nichts von dessen Bedeutung für den Klimaschutz:

Oben vom Berg aus hätte man sehen können, wo das Korn gewachsen ist, wo es gemahlen und handwerklich zu Teig verarbeitet und gebacken und wo es gegessen wurde: Ein geschlossener lokaler Kreislauf. Der Backes wurde Klimaneutral geheizt mit Restholz aus dem nachhaltig bewirtschafteten Wald am Dorfrand und zu den Kunden in der näheren Umgebung kam es durch Meggies „Brottour“ mit dem Kleinwagen mit geringst möglichem energe-tischen Aufwand.

Das „andere Leben“ ist also möglich. Der damit verbundene Verzicht und die Konsum-Einschränkungen sind nichts gegen das, was die nahende Klimakatastrophe uns an lock downs aufzwingen würde. Jetzt geht es nicht mehr wie damals darum, die Klimakrise zu verhindern, denn sie ist da und für alle sichtbar z.B. an den toten Fichten und dem sterbendem Wald. Alle bisherigen Fortschritte beim Klimaschutz wurden aufgefressen durch den Wachstumszwang dieser Wirtschaft, „die tötet“,und den ständig steigenden Konsum.

Zu meiner großen Freunde will meine Tochter Dorle den Hof weiterführen und kann ihre Erfahrung mit den Möglichkeiten der Regionalentwicklung einbringen. Sie wird aber auf die schon eingetretenen Veränderungen wie zunehmende Dürren, Starkregen, Stürme reagieren und die Wirtschaftsweise anpassen müssen.

Damit haben wir begonnen, die vielen neuen Obstbäume zeigen es. Und ein Teil davon ist auch die „ Thomas-Müntzer-Arena“, nur halb im Spaß benannt nach dem unbestechlichen Anführer im Bauernkrieg, der seinen Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit mit dem Leben bezahlt hat.

Das Hofkozert! Die „Talking Horns“ in der freien Republik Hüngringhausen

Die fabelhaften „Talking Horns“ spielen am Samstag, 3.7.2021, ab 18:00 Uhr!

Das Bläserquartett aus Köln spielt ein jazziges, abwechslungsreiches, kreatives Repertoire auf unserer Streuobstwiese – (aka Thomas Münzer Arena, benannt nach dem Bauernrevolutionär). Wir freuen uns auf Achim Fink, Bernd Winterschladen, Stefan Schulze und Reiner Witzel (vertritt Andreas Gilgenberg).

Es gelten ein paar Corona Regeln s. u. – außerdem müssen wir dokumentieren wer da war, damit wir die Teilnehmenden erreichen können, falls es notwendig ist, daher bitten wir Euch, euch alle unter <https://kurzelinks.de/br6q> https://kurzelinks.de/br6q eintragen!

 

Ein paar Dinge zu beachten:

* Statt Eintritt lassen wir einen Hut für Band und Ausgaben rumgehen, jeder gibt so viel er kann
* Sitzen könnt ihr auf der Wiese oder auf Holzklötzen oder ihr bringt eigene Sitze oder Picknickdecken mit. (Je höher die Sitze, desto weiter nach hinten setzten bitte
* Parken geht nicht im Dorf direkt, sondern bitte alle auf dem Wanderparkplatz und auf unserer Wiese zwischen Baldenberg und Hüngringhausen, von da aus den Wanderweg etwa 1 km weiterlaufen, dann landet man direkt bei uns.
* Corona Regeln besagen aktuell, dass bis zu 200 Menschen draußen, ohne Maske und auf Abstand zusammenkommen dürfen. Wir werden nicht mehr als 100 Teilnehmer:innen einladen. Bitte achtet während der gesamten Zeit auf den Abstand. Wir wollen niemanden gefährden, die Teilnahme erfolgt auf eigenen Gefahr.
* Nachweis: Wir bitten um den Nachweis eines negativen Tests (max. 48h), bzw. über Genesung oder Impfung (14 Tage Abstand).
* Wir müssen die Kontaktdaten sicherstellen, daher bitte alle unter dem Link <https://kurzelinks.de/br6q> https://kurzelinks.de/br6q registrieren.
* Getränke bieten wir in Flaschen an.
* Helfende Hände sind immer willkommen. Gerne melden bei Dorle Gothe 01520 9840809, dorle.gothe@kommunare.de <mailto:dorle.gothe@kommunare.de>

 

Antwort auf die Stellungnahme von Gerhard Pomykaj auf meinen offenen Brief an Herrn Klemmer

Hallo Herr Pomykaj,

Nachdem ich Ihre Stellungnahme gelesen habe, ist mir zunächst aufgefallen, dass wir die Verhältnisse im Hinblick auf den alten und neuen NS aus sehr unterschiedlichem Blickwinkel betrachten und bewerten. Sie tun das als als Historiker, der mit wissenschaftlicher Distanz Fakten ermittelt und einordnet, möglichst „objektiv“ und möglichst wenig emotional. Ich hingegen kämpfe nunmehr seit 50 Jahren an der Seite von Opfern dieser Verhältnisse für ihre mit Füßen getretenen Menschenrechte und bin von daher auch emotional eingebunden und verhehle nicht, dass ich in dieser Auseinandersetzung eindeutig parteiisch bin.

Mein offener Brief war ursprünglich viel zu lang geraten, einige der weggelassenen Passagen füge ich aber zur Erläuterung meiner Thesen im Anhang bei.

Es liegt mir fern, Ihre wissenschaftliche Qualifikation und Ihr wissenschaftliches Ethos „masssiv in Frage zu stellen“. Dazu weiß ich – wie Sie zu Recht vermuten – viel zu wenig von Ihnen und kenne die allermeisten Ihrer Arbeiten nicht, kann mir also kein Urteil über den Historiker Pomykaj erlauben.

Beurteilen kann ich aber sehr wohl Ihr Verhalten in meiner Auseinandersetzung mit der oberbergischen Politik im Hinblick auf die bislang sträflich versäumte ehrliche und wahrhaftige Aufarbeitung des Nazirassismus und Antisemitismus. Da allerdings bieten Sie in meinen Augen gerade auch als Historiker Anlaß zu deutlicher Kritik.

Ich hatte seinerzeit beim Kreistag angeregt, dem Beispiel des LVR zu folgen und die nationalsozialistischen Ver-strickungen von Kreis und oberbergischen Kommunen vor und nach 45 von unabhängigen Historikern erforschen und aufarbeiten zu lassen, sowohl was Personal als auch was die Ideologie betrifft. Die umfangreichen Forschungen zu dem bis 1975 autoritär regierenden Gründungsdirektor Klausa (insbesondere das „Opus magnum“ von Kaminsky/Roth) haben neben der Beteiligung dieses Altnazis am Holocaust aufgedeckt, dass bis in die 70er schwerste Menschenrechtsverletzungen in Psychiatrien und Heimen an der Tagesordnung waren. Fortwirkender Nazigeist war eine offensichtliche Ursache und vor allem auch ein Führungspersonal, welches in der einen oder anderen Position an der Judenvernichtung und den Krankenmorden beteiligt war. In den Forschungsprojekten geriet auch das Oberbergische ins Visier, vor allem durch die auch im LVR mächtige Figur Goldenbogen, ein ebenso autokratischer und NS belasteter Herrscher wie Klausa.

Der Kreisausschuss beschloss, meiner Anregung zu folgen. Es zeigte sich aber, dass die Verwaltung den Beschluss nicht wie beim LVR umsetzte. Es wurde nicht ein unabhängiger Historiker beauftragt, sondern Sie als der beim Kreis abhängig beschäftigte Historiker. Sodann – so erfahre ich jetzt von Ihnen- war Ihr Auftrag gar kein zielgerichtetes Forschungsprojekt, eine wissenschaftliche Studie, sondern lediglich ein Vortrag auf der Grundlage von Kenntnissen, die Sie über Jahre in anderen NS Zusammenhängen erlangt hatten.

Darin sehe ich bereits eine Manipulation seitens Ihrer Vorgesetzten mit dem Ziel, tiefer gehendes Schürfen in den besonders tiefen Abgründen des oberbergischen Nazismus zu vermeiden. Der Auftrag war in meinen Augen eine Zumutung, Sie hätten ihn als unethisch ablehnen können oder müssen. Denn es ist ja völlig klar, dass es Druck auf Sie ausübt, wenn Ihr Arbeitgeber, die Kreistagsmehrheit und die Verwaltungsspitze, durch zu genaues Hinsehen schwerwiegende Imageschäden zu befürchten hat, was ja hier der Fall ist. Deshalb gilt ja gerade die Unabhängigkeit des Forschenden als unverzichtbare Voraussetzung für objektive Forschung.

Entsprechend lückenhaft und verharmlosend fiel ihr Vortrag aus. Im Interview mit Herrn Klemmer äußern Sie sich heute deutlich kritischer sowohl zur Einstellung der Bevölkerung als auch zu den Netzwerken der Nazibonzen, die Sie nach meiner Erinnerung damals gar nicht erwähnt haben. Erwähnt haben Sie den Einsatz der Brüchermühler für Leys Mitarbeiter Marenbach, einen großen Bogen haben Sie aber gemacht um den absoluten Nazi-Hotspot Nümbrecht, der jetzt wieder im Rampenlicht steht (siehe Anhang „Nümbrecht“).

Meine „Fixierung auf Goldenbogen“ ? Was für eine Frage! Er hat als autoritärer Machtpolitiker 30 Jahre lang Oberberg autokratisch beherrscht (GM= Goldenbogens Machtbereich) und so einen demokratischen Neuanfang nach 1945 blockiert. (Eine „Kostprobe“ im Anhang). Darin war er seinem Hauptmannkollegen und NSDAP- und SA- Genossen Klausa beim LVR, sehr ähnlich, der sich ebenfalls „schwer tat mit der Demokratie“. Beide haben im LVR eine NS Aufarbeitung verhindert, Klausa als Landesdirektor und Goldenbogen als mächtiger Chef des zuständigen Kulturausschusses (Goldenbogens Betätigung in der SA haben Sie übrigens im Vortrag nicht erwähnt). Die Naziverseuchung des mächtigen Verbandes und somit die fortgesetzte Be- und Mißhandlung von Kranken und Heimkindern als „Minderwertige“ und “Untermenschen“ bis in die 80er gehen somit zu großen Teilen auf beider Konto.

In den letzten Jahren habe ich immer wieder versucht, eine NS Aufarbeitung in Gang zu bringen oder Ver-tuschungen aufzudecken, oft in Leserbriefen. Dabei habe ich keinerlei Unterstützung erfahren, weder von Ihnen, Herr Pomykaj, noch von Gerhard Jenders und „Oberberg ist bunt, nicht braun“.

Gerhard Jenders weiß, dass ich ihn dafür achte, dass er beharrlich die alte Friedensbewegung lebendig gehalten hat. Mittlerweile muss ich jedoch leider feststellen, dass auch er und seine Mitstreiter kein Interesse an einer echten NS-Aufarbeitung erkennen lassen, jedenfalls dann nicht, wenn sie einigen mächtigen „Bündnispartnern gegen Rechts“ weh tut. Beispiele:

Jeder Historiker und jeder Nazigegner hätte aufschreien müssen bei der unsäglichen Geschichtsklitterung, welche auf der Hompage der Christlich-Jüdischen Gesellschaft jahrelang zu lesen war, dass nämlich die „Mitläufer und Mittäter“ der Nazis „ehrenwerte und gutwillige“ Mitmenschen gewesen seien. Doch alle schwiegen dazu, auch Sie. Erst auf Grund meiner Proteste wurde diese skandalöse Aussage entfernt und durch ein leider auch wieder problematisches Zitat von August Dresbach von 1947 ersetzt. „ … Aber ich bin nicht geneigt, über all die politisch ungeschulten Menschen den Stab zu brechen, die damals glaubten, es sei eine neuere und bessere Welt entstanden.“ Welchen Schulabschluss, fragt man sich, musste man denn haben, um den Naziterror als solchen erkennen zu können? Millionen „Ungeschulte“ erkannten ihn durchaus und sei es am eigenen Leibe.

Oberberg ist bunt, nicht braun“ “ ruft jährlich zur Teilnahme am Nümbrechter Gedenken zum Pogromtag auf und ignoriert ebenfalls bis heute die aktive Beteiligung des Mitveranstalters Evangelische Kirche an diesem Auftakt der systematischen Judenvernichtung: Fand es doch gezielt zu Luthers Geburtstag am 10.11. statt, die brennenden Synagogen bejubelt von Bischöfen und Pfarrern, wobei die mörderische antisemitische Hetzschrift „Wider die Juden und ihre Lügen“ des hoch geehrten „Deutschen Helden“ das Drehbuch lieferte. Vermutlich spielte diese in der Entwicklung von Robert Leys zu dem extremen Judenhetzer eine prägende Rolle. Durch das beständige allgemeine Verschweigen dieses historischen Hintergrunds, sehr gut dokumentiert in der Ausstellung „Überall Luthers Worte“ von „Topografie des Terrors“, gerät das Gedenken vor allem im Hinblick auf die Evangelische Kirche in meinen Augen Jahr für Jahr erneut zu abstoßender Heuchelei. Wäre es denn nicht angebracht, am Gedenktag mal Zitate aus Luthers Hetzschrift und den abscheulichen kirchlichen Kommentaren zum Pogrom vorzutragen („Hitler vollendet, was Luther begonnen hat“)?

Das sogenannte Bündnis gegen Rechts tritt im Wesentlichen mit oberflächlichen Lippenbekenntnissen und wohlfeilen allgemeinen Verurteilungen von AfD und Rechtsradikalismus in Erscheinung, die niemandem weh tun und nichts erklären. So wie z. B. ein Protest oder eine Menschenkette gegen die rassistischen Morde von Hanau. Weil ja sowieso so gut wie alle dagegen sind, handelt es sich um wirkungslosen „Gratismut“ (Enzensberger). Warum aber ist es in diesem erlauchten Kreis von Honoratioren aus Politik und Zivilgesellschaft kein Thema, dass CDU und FDP in Thüringen kein Problem damit hatten, nicht nur mit der AfD, sondern ausgerechnet mit dem AfD-Faschisten Höcke zusammenzuarbeiten? Kein Gesprächsbedarf?

Welch absurdes Theater in diesem Scheinbündnis möglich ist, erlebte ich fassungslos bei einer Versammlung, als der Vizelandrat Wilke die von Rechten und Rechtsradikalen verbreitete Kriegsschuld-Relativierung zum Besten gab: Dass wir Deutschen auch Opfer des Krieges seien, als wäre der als eine Art Naturkatastrophe über Polen, Deutsche etc. hereingebrochen. Als niemand widersprach, habe ich das getan und wurde von Wilke von oben herab wutentbrannt „zur Sau gemacht“. Alle duckten sich weg, nix mit „Arsch huh, Zäng useinander“, nur die Künstlerin Christine Bretz wagte es, vor ihrem Auftritt auf die peinliche allgemeine Feigheit hinzuweisen.

Ein solches „Bündnis mit Rechten gegen Rechts“ kann doch nur vernebeln und nicht aufarbeiten.

Und da ich schon mal beim „ Abrechnen“ bin, hier noch ein „frisches“ Beispiel für die partielle Blindheit der Lokalpresse gegenüber dem heimatlichen NS:

Ende letzten Jahres erschien ein Forschungsergebnis des Historikers Alexander Friedman als Buch: „ Der Direktor des Landschaftsverbands Rheinland Udo Klausa (1910-1998) im Spiegel von Weggefährten und Kritikern“, Metropol-Verlag. In Interviews mit rheinischen Führungskräften aus Politik und Verwaltung werden die psychischen Verdrängungsmechanismen im Umgang mit der NS-Belastung am Beispiel Klausa offen gelegt und vorgeführt, in welch bedrückender Art und Weise sie in der Lage waren, allen „Nazischmutz“ von sich oder der Kollegen abzuspalten und sich als „anständig“ geblieben dastehen zulassen. Da auch Goldenbogen eine Rolle spielt, habe ich das Buch der OVZ Mitarbeiterin Siegfried-Hagenow gegeben, in der Hoffnung, dass durch einen Bericht darüber Oberbergs NS und die Rolle Goldenbogens zum Thema wird. Ich bekam das Buch aber zurück mit der Bemerkung, für einen Bericht fehle „der lokale Bezug“. Diese fast lächerliche Ausrede geht vermutlich auf Herrn Klemmer zurück: Oberberg nicht Teil vom LVR? Goldenbogen dort keine mächtige Figur? Wurden keine Oberberger in Psychiatrien und Heimen mißhandelt? Da ansonsten „lokale Bezüge“ notfalls an den Haaren herbeigezogen werden, scheint bei NS/Goldenbogen also immer noch ein Tabu wirksam zu sein. Vielleicht störte zusätzlich noch, dass der Einsatz vom „linksradikalen“ SSK und auch mir persönlich sehr positiv gewürdigt wird.

Was Ihre Ausführungen zu meinem Vater betrifft, Herr Pomykaj, haben Sie Recht, was seine Beteiligung als Offizier an den Verbrechen der Wehrmacht beim Vernichtungskrieg im Osten betrifft. Unrecht haben Sie jedoch mit der Unterstellung, ich habe mich damit nicht auseinandergesetzt. Da haben Sie nicht genügend recherchiert.

Allerdings habe ich bis zur „Wehrmachtsausstellung“ auch an die Legende geglaubt, die Verbrechen seien im Wesentlichen allein auf das Konto von SS und Einsatzgruppen gegangen. Danach erst konnte ich mir das Schicksal meines Vaters erklären, der im bürgerlichen Leben am Ende gescheitert und als Alkoholiker geendet ist. Auch er hat über die Kriegszeit geschwiegen, sich aber Zeit seines Lebens für soziale Projkte eingesetzt (und sein kleines Steuerberaterbüro sehr vernachlässigt). Auch im Rat der Gemeinde Lieberhausen, zuerst für die CDU. Weil die und die Katholische Kirchengemeinde Belmicke sein Siedlungsprojekt für (meist evangelische) Flüchtlinge nicht unterstützte, trat er aus, wurde fortan direkt gewählt und verwirklichte die Siedlung (gemäß der „Bodenreformer“-Bewegung) im evangelischen Neuenothe. Mit seinem sozialen Einsatz hat er offenbar (natürlich vergeblich) versucht, seine Traumatisierung durch die Beteiligung an den Verbrechen loszuwerden, zusammen mit einigen Fehlschlägen bei seinen Projekten führte das wohl in den verzweifelten Alkoholismus.

Als die englische Historikerin Fulbrook in einem Vortrag ihre Erkenntnisse über den LVR- Gründungsdirektor vorstellte, habe ich ihr in einem Brief, der auch veröffentlicht wurde, von meinem Vater berichtet, wie Klausa katholisch und Wehrmachtsoffizier (siehe Anhang).

Während sich Klausa und Goldenbogen ohne jede Spur von Reue und Einsicht wieder in Machtpositionen festsetzten, achte ich heute meinem Vater gerade wegen seines Scheiterns, weil es ja zeigt, dass er immerhin noch ein Gewissen hatte, welches ihn quälte.

Weil er Militär und Uniformen ablehnte und in einer geheimen Untersuchung im Oberbergischen des Soziologieprofessors Scheuch für die Bundeswehr im Zusammenhang mit den Notstandsgesetzen als möglicher „Widerständler“ aufgeführt war, konnte ich mich mit ihm auch ehrlich versöhnen.

In dem erwähnten Buch des Historikers Alexander Friedman gehe ich in einem Interview auch auf meinen Vater und seine Kriegsschuld ein. Ich glaube daher nicht, dass ich ihm gegenüber noch Nachholbedarf habe.

Sie haben aber Recht damit, dass ich mich in meinen jahrelangen Auseinandersetzungen um den NS auch und gerade hier im Oberbergischen hätte auch an Sie wenden sollen, weil wir ja im Kampf gegen alten und neuen NS sicher auf derselben Seite der „Barrikade“ stehen. Vielleicht ist es dafür ja nicht zu spät.

In der Diskussion mit Freunden über „Kaufmann/Schild“ist die Idee entstanden, einen Gesprächskreis von Interessierten einzurichten, der sich mit der Erforschung der Wurzeln des NS hier vor Ort und den konkreten Einflußfaktoren beschäftigt, welche die Mitmenschen zu Rassisten und Antisemiten werden ließen und lassen.

Freundlicher Gruß,
Lothar Gothe

 

Anhänge:
Brief an Mary Fullbrook
Anmerkungen_zu_Goldenbogen

 

Stellungnahme von Gerhard Pomykaj zu dem offenen Brief an den Redaktionsleiter der OVZ zum Umgang mit altem und neuem Rassismus und Antisemitismus von Lothar Gothe vom 16.04.2021

Bochum, den 30.04.2021

Sehr geehrter Herr Gothe,

in dem obengenannten offenen Brief stellen Sie meine wissenschaftliche Qualifikation und mein wissenschaftliches Ethos massiv in Frage. Sie wissen offensichtlich nicht, dass ich vorrangig Historiker bin und in dieser Funktion primär für die Stadt Gummersbach und mit 12 Wochenstunden für den Oberbergischen Kreis gearbeitet habe. Zuvor war ich jahrelang am Lehrstuhl SWG Köllmann an der Ruhr-Universität-Bochum tätig. Weitere Informationen entnehmen Sie bitte dem Artikel über meine Person in Wikipedia; meine Veröffentlichungsliste finden Sie auf der Website des BGV, Abt. Oberberg.

Ich hatte mich gewundert, dass Sie nie mit mir Kontakt aufgenommen haben. Allerdings war ich davon ausgegangen, dass Sie als historisch Interessierter zumindest meine einschlägigen Arbeiten zur NS-Zeit gelesen haben. Dieser Brief wie auch Ihr Leserbrief in der OVZ vom 23.04.2021 lassen aber das Gegenteil vermuten, denn ansonsten hätten Sie dort Antworten zu einem Teil der hier formulierten Fragen erhalten und hätten den Namen des erwähnten Kinderarztes nennen können; es war Alfred Simons, wie man in der „Dokumentation zur Judenverfolgung in Gummersbach während der Herrschaft des Nationalsozialismus“ aus dem Jahre 1995 nachlesen kann. Grundlegend war auch die Broschüre zur Zwangsarbeit (2003) und die damit verbundene Ausstellung auf Schloss Homburg. Am umfangreichsten und wichtigsten ist meine Darstellung der Zeit von 1918 bis 1948 im Dritten Band der Oberbergischen Geschichte aus dem Jahre 2001. Es ist die bisher einzige Überblicksdarstellung über die Weimarer Republik, den Nationalsozialismus und die unmittelbare Nachkriegszeit im Oberbergischen. Sie ist entstanden im wissenschaftlichen Diskurs mit den Professoren Klaus Goebel und Jürgen Reulecke, wobei die schwierige Quellenlage die Arbeit nicht gerade erleichterte, denn fast alle Akten aus den Kommunalarchiven wie auch alle Akten der NSDAP wurden im April 1945 verbrannt.

Diese Darstellungen sind durchweg auch gerade wegen ihrer Objektivität – soweit sie denn möglich ist – sehr positiv rezensiert worden. Die mir wichtigste Beurteilung stammt von Jürgen Habermas, einem Zeitzeugen. Er schrieb mir in einem Brief vom 30.11.2006 aus Starnberg:

„Sehr geehrter Herr Pomykaj,

Sie haben mir mit Ihren Büchern eine große Freude gemacht. Insbesondere die Dokumentation der jüdischen Schicksale aus Gummersbach haben mich beeindruckt. Es gereicht der Stadt zur Ehre, dieses dunkle Kapitel aus ihrer Geschichte so kompetent und umfassend darstellen zu lassen. Die Broschüre über die Zwangsarbeit im Oberbergischen hat bei mir persönliche Irritationen ausgelöst, weil ich eigentlich sehr viel genauere Erinnerungen daran haben müsste. Aber man nimmt eben als Kind und Jugendlicher die Umwelt doch sehr selektiv wahr. Auch den Band über die jüngere Geschichte zwischen 1918 und 1948 habe ich mit Vergnügen gelesen.“

Aufgrund der Qualität meiner vielfältigen Veröffentlichungen zur Oberbergischen und Gummersbacher Geschichte bin ich vor Jahren in den „Brauweiler Kreis“, in dem die renommiertesten Landes- und Regionalhistoriker sich zu wissenschaftlichem Austausch treffen, aufgenommen worden. Diese kurzen Anmerkungen müssen zu meiner Qualifikation reichen.

Nun zu anderen Púnkten in Ihrem offenen Brief: Die Studie, mit der ich angeblich 2012 vom Kreis beauftragt wurde, hat es nie gegeben und auch keinen entsprechenden Auftrag. Was ich zugesagt habe, war auf der Grundlage meiner jahrzehntelangen Forschungen ein Vortrag vor dem Hauptausschuss des Kreises und in der Öffentlichkeit zu halten zum Thema: „Der Nationalsozialismus im Oberbergischen Kreis – Kontinuitäten und Diskontinuitäten nach 1945“. Das Hauptergebnis war, dass bis in die 1980er Jahre wichtige Funktionen in der Kreispolitik und Kreisverwaltung von ehemaligen Mitgliedern der NSDAP besetzt waren. In dem Zusammenhang habe ich im Übrigen auch Heinrich Schild genannt. Meines Wissens waren Sie auch zugegen. Seitdem sind gut vier Jahre vergangen und Sie haben vor diesem offenen Brief mir gegenüber nie Kritik geübt. Eine erweiterte Untersuchung aller Kreistagsmitglieder würde möglicherweise neue Details benennen können; an der Grundaussage dürfte sich nichts ändern. Zudem sind die Kreistagsmitglieder den Vorgaben ihrer Fraktionsvorsitzenden gefolgt.

Die NS-Zeit ist im Vergleich zu den 1980er Jahren in vielen Aspekten aufgearbeitet worden; Sie haben die Veröffentlichungen offensichtlich nur nicht zur Kenntnis genommen. Auch die Organisation der rassistischen Ausstellung durch Otto Kaufmann und Otto Bäcker habe ich bereits vor 20 Jahren i, dritten Band der Oberbergischen Geschichte dargestellt. Sie haben natürlich recht, dass die Forschung noch nicht abgeschlossen ist. „Unser Oberberg ist bunt, nicht braun“ hält zudem die Erinnerungskultur durch ihre vielen Veranstaltungen entscheidend am Leben. Auch wird weiterhin geforscht und veröffentlicht. Aus der letzten Zeit ist besonders der Beitrag von Gerhard Jenders zu den Zwangsarbeiterlagern im Oberbergischen hervorzuheben. Mein Nachfolger Manfred Huppertz hat die Dokumentation zur Judenverfolgung erheblich erweitert und ins Netz gestellt.

Was ich nicht nachvollziehen kann, ist Ihre Fixierung auf Goldenbogen u.a.. Wieso nehmen Sie nicht große Teile der Bevölkerung in den Blickwinkel? Die große Mehrheit wollte keine Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen und eine Entfernung von NSDAP-Mitgliedern aus ihren Ämtern. Als KPD und SPD bei den Kommunalwahlen 1946 eine „Entbräunung“ gefordert haben, haben sie krachend verloren. Noch 1947 ergab eine Umfrage in Westdeutschland, dass 55 Prozent der Bevölkerung den Nationalsozialismus als gute Sache ansahen, die nur schlecht gemacht worden sei. Goldenbogen und andere mussten keine Aufarbeitung verhindern, sondern sie erfüllten damit den Wunsch der Bevölkerungsmehrheit. Kein Wunder, denn mehr als 80 Prozent der Lehrer und Ärzte waren ehemalige Parteimitglieder; die Verwaltungen wären ohne sie zusammengebrochen.

Sie stellen die Frage: „Was haben all die Nazis getan, wo sind sie geblieben?“ Das beziehen Sie besonders auf die Zeit nach 1945. Hier könnten Sie doch einen eigenen Beitrag leisten. In Ihrer Biografie „Der Lauf meines Lebens“ schreiben Sie verharmlosend über Ihren Vater zur Zeit Ihrer Geburt 1944: „er bekämpfte als Oberleutnant der Wehrmacht ‚Führer, Volk und Vaterland‘ die Sowjetunion“. In Wirklichkeit nahm er in nicht untergeordneter Position an einem rassistisch motivierten Eroberungskrieg teil, in dem die Regeln der Genfer Konvention nicht galten und der 20 Millionen Sowjetbürger das Leben kostete. Ohne den Ostfeldzug der Wehrmacht hätte auch die Shoah nicht so stattfinden können. Da Ihr Vater sich nicht mit der Rolle eines einfachen Soldaten zufrieden gab, sondern die Verantwortung als Offizier suchte, darf davon ausgegangen werden, dass er zumindest zeitweise die Kriegsziele teilte. Ob er dabei NSDAP-Mitglied war, spielt in diesem Zusammenhang eine nur sehr untergeordnete Rolle.

Bei Ihrem kritischen Anspruch werden Sie ihn bestimmt gefragt haben, was er als Oberleutnant gemacht hat, wie er mit dem Kommissarbefehl umgegangen ist … Es wäre interessant zu erfahren, ob er sich mit seinem Handeln auseinandergesetzt hat, welche Schlussfolgerungen er gezogen hat. Offensichtlich hatte er ja in den 1960er Jahren eine Abneigung gegen die Bundeswehr, der Ihnen den Militärdienst wie auch die damals unangenehme Kriegsdienstverweigerung mit anschließendem Ersatzdienst ersparte. Ihre Erinnerungen an das Wirken Ihres Vaters könnten Sie ja im Kreisarchiv deponieren. Solche Quellen können einen Beitrag zur Verarbeitung des NS nach 1945 leisten, und zwar in der Bevölkerung.

Hiermit möchte ich es belassen. Ich gehe davon aus, dass Sie meine Stellungnahme auch in Ihrem Blog veröffentlichen.

Mit freundlichen Grüßen

Gerhard Pomykaj