Archiv der Kategorie: Der Klausa-Komplex

Uni Düsseldorf distanziert sich von Udo Klausa!

Im Dezember 2018 habe ich, zusammen mit 50 Mitunterzeichnern, in einem offenen Brief die Rektorin der Uni Düsseldorf aufgefordert, Udo Klausa die Ehrendoktorwürde zu entziehen.

Durch mehrere Studien ist inzwischen zweifelsfrei belegt, dass Klausa als nationalsozialistischer Landrat in Bendzin, nahe bei Auschwitz, zigtausende Juden in mörderische Ghettos treiben ließ. Wer die unmenschlichen Verhältnisse überlebte, wurde in Viehwaggons verladen und ins Gas von Auschwitz-Birkenau transportiert.

Seine rassistische und antisemitische Gesinnung hat er 1936 in seiner Schrift „Rasse und Wehrrecht“ zum Ausdruck gebracht, in welcher er u.a. forderte, „die guten Ströme des Bluts“ zu fördern und die „Entarteten auszusondern“.

Heute ist die offizielle Antwort der Uni Düsseldorf eingetroffen (hier als PDF), der offene Brief war offenbar „Drohung“ genug, um sie endlich zum Handeln zu zwingen. Das können wir als erfreulichen Erfolg verbuchen, auch wenn damit noch lange keine offensive NS-Aufarbeitung von LVR und Uni abgeschlossen ist. Aber immerhin ist die ungeheuerliche Ehrung eines NS- und Nachkriegstäters beendet („Wer die Täter ehrt, mordet die Opfer noch einmal“ – Ernst Klee).

Der Brief enthält aber für eine akademisch/wissenschaftliche Einrichtung wie eine Uni unentschuldbare Fehler: Klausa war nicht erst während des „2.Weltkriegs“ in den NS „verstrickt“, sondern als NSDAP- und SA-Mitglied seit 1933 und sehr stark mit seiner rassistischen und antisemitischen Abhandlung „Rasse und Wehrrecht“ 1936. Das war bei der Verleihung der Ehrenpromotion schon bekannt, wie konnte es also überhaupt dazu kommen?

Kaminsky/Roth haben nicht Klausas NS-Rolle in Polen untersucht, das hat vielmehr Mary Fulbrook getan und das Ergebnis in ihrem Buch “ A small town near Auschwitz“ veröffentlicht. Kaminsky/Roth haben Klausas Rolle nach 45 untersucht, so steht es ja auch im Untertitel. Die Uni kannte also bereits 2012  sämtliche Fakten zu seiner „NS-Verstrickung“, die zur heutigen Entscheidung geführt haben, und nicht erst 2016, wie die falsche Angabe es suggeriert. Mary Fulbrook hat damals sogar auf Einladung des Instituts für Geschichte, Theorie und  Ethik der Medizin an der Uni einen Vortrag dazu gehalten.

Warum ignorierte die Uni also bis zu unserem offenen Brief diese eindeutigen Fakten, die heute zu dem einstimmigen Beschluss geführt haben, sich von der Ehrenpromotion „ausdrücklich zu distanzieren“?

Gestörte Kindheiten

„Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart“ (R.v. Weizsäcker)

Anmerkungen zum LVR Forschungsprojekt

Gestörte Kindheiten

Lebensverhältnisse von Kindern und Jugendlichen in psychiatrichen Einrichtungen des Landschaftsverbands Rheinland (1945 bis 1975)

 

Es ist sicher ein Verdienst der Studie,die menschenverachtenden Lebensbedingungen und die brutalen, teils sadistischen Behandlungsmethoden an Kindern und Jugendlichen in den LVR-Einrichtungen bis in die 70er ans Licht der Öffentlichkeit gebracht zu haben. Und es war längst überfällig, dass sich die Direktorin Lubek für dieses „düstere Kapitel“ bei den Betroffenen im Namen des LVR entschuldigt hat .

Erneut bleibt aber die Frage offen, warum die unglaubliche „medizinische Gewalt“, welche das Forschungsprojekt aufdeckt, noch 3o Jahre nach dem Dritten Reich unter staatlicher Aufsicht ausgeübt werden konnte. Ein Zusammenhang mit dem rassistischen Menschenbild des Nationalsozialismus wird zwar nicht geleugnet, aber es bleibt diesbezüglich bei ein paar allgemeinen Bemerkungen:

„In den psychiatrischen Anstalten wurden zahlreiche Ärzte weiter beschäftigt, die schon im Nationalsozialismus praktiziert hatten und nicht wenige von ihnen waren an der Vorbereitung und Durchführung der Krankenmordaktionen beteiligt gewesen.“

Dann wird noch ein „prägnantes Beispiel“ aufgeführt, nämlich Dr. Hans Aloys Schmitz, der von 1935 bis 1964 an der Bonner Klinik als leitender Arzt tätig war. Schmitz hat sich als T 4 Gutachter betätigt, bei „ der Kindereuthanasie eine verhängnisvolle Rolle gespielt“ und mindestens 160 Kinder aus der Bonner Klinik zum Töten freigegeben.

Damit ist in der Studie die „Vergangenheitsbewältigung“ im Wesentlichen abgeschlossen. Dass ein Naziverbrecher wie Schmitz und zahlreiche Naziärzte weiter beschäftigt wurden, ist schlimm genug. Solche Einzelfälle, seien sie auch zahlreich, können aber nicht erklären, warum jahrzehntelang Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung waren, ohne dass Vorgesetzte, übergeordnete Behörden oder die Staatsanwalt-schaft eingeschritten wäre, obwohl sie doch keineswegs heimlich geschahen, sondern Teil des „normalen“ Klinikalltags waren.

An zwei Beispielen lässt sich zeigen, dass nicht einzelne „braune“ Schafe für die Verhältnisse in den Einrichtungen des LVR (oder unter seiner Aufsicht stehenden) verantwortlich sein können, sondern dass auch der LVR als Institution seine Schutzbefohlenen als Menschen minderen Werts angesehen und behandelt hat.

Das erste Beispiel ist der beschämende Tatbestand, dass an unzähligen Kindern im Bonner LKH bis in die 70er sog. „Gehirndurchleuchtungen“ (Pneumanzephalografie) vorgenommen wurden. Bei diesem äußerst schmerzhaften Eingriff wird dem Gehirn Flüssigkeit entnommen und Luft hineingepumpt. Neben den teils lang andauernden Qualen riskiert man bei dem massiven Eingriff Gesundheitsschäden „ bis hin zu tödlichen Verläufen“. Ein möglicher diagnostischer Nutzen kann dazu in keinem angemessenen Verhältnis stehen, eine Rechtfertigung wäre nur dann gegeben, wenn es dabei um einen lebensrettenden Eingriff ginge, es ist aber eher das Gegenteil der Fall. Deshalb handelt es sich aus rechtsstaatlicher Sicht um eine permanent begangene schwere Körperverletzung. Zahlreiche Kinder mussten diese Tortur sogar noch in den 70ern erleiden, als längst schon die schmerzfreie Computertomografie zur Verfügung stand. Viele Kinder wurden auch mit Elektroschocks malträtiert, manche sogar mit beiden (Sieg)-“Heil-Behandlungen“.

Zu den erforderlichen Einwilligungen der Eltern: Mir ist ein Fall von 1970 bekannt, da wurde in Bonn die Einwilligung für Elektroschocks an einer jungen Frau dadurch erpresst, dass der Arzt der Mutter versicherte, ohne diese werde ihre Tochter sterben.

Die „Gehirndurchleuchtung“ hatte im NS Hochkonjunktur und diente dem rassistischen Wahn, an den Gehirnformen Herren- und Untermenschen unterscheiden zu können oder z.B. Kriminelle daran zu identifizieren. Ein ähnliches Menschenbild muss also im LVR noch lebendig gewesen sein, das zeigt ja auch der offensichtliche Mangel an Empathie bei allen Beteiligten dem „Krankengut“ gegenüber.

Bis Ende der 60er waren zudem erbbiologisch begründete Diagnosen und „eugenische Denktraditionen“ die Regel: so wurden als „schwachsinnig“ oder „charakterlich abartig“ diagnostizierte Kinder nur verwahrt, mit Psychodrogen vollgepumpt und ruhiggestellt. Deren Krankheit wurde demnach immer noch als Gendefekt betrachtet, folglich war Heilung nicht möglich und Förderung somit unsinnig..

Das zweite Beispiel für „Nazikontinuität“ sind die Vorgänge um den Medikamentenversuch an 40 Kindern der evangelischen Düsselthaler Anstalten – Graf von der Recke-Stiftung. Der diesbezügliche Antrag des Heimleiters beim LVR – unterstützt vom LVR Psychiater Baucke – stieß zunächst bei Landesverwaltungsdirektorin Beuermann auf Bedenken, die wohl weniger auf Mitgefühl mit den Opfern beruhten, sondern vielmehr auf möglichem Widerstand von Angehörigen und weil solche Massnahmen „gegen Missdeutungen von Angehörigen abgeschirmt werden müssen“.

Doch es schaltete sich der Direktor des LKH Grafenberg und Lehrstuhlinhaber an der Uni Düsseldorf, Panse ein und erreichte in einem „längeren Gespäch“ mit Landesrat Jans die Genehmigung. Die Kinder wurden den schwerwiegenden „Neben“wirkungen und Schädigungen des Präparats ausgesetzt, wobei die Höchstdosis nicht wie üblich durch langsame Steigerung der Dosis ermittelt wurde, sondern umgekehrt: Man begann mit starker Überdosierung.

Dr. Martha Beurmann war eine glühende Nationalsozialistin.Von 1939 bis 45 setzte sie im Landesjugendamt die NS Rassenlehre durch, u.a. als „Sachbearbeiterin“ für die Einweisung in die Jugendkonzentrationslager und sie war gemeinsam mit ihrem Vorgesetzten Hecker verantwortlich für die im September 44 erfolgten Deportationen von rheinischen Anstaltsinsassen in die Jugend-KZ. Beide wurden 45 verhaftet, fanden aber nach der Entlassung Jobs bei der Inneren Mission (wie so viele Nazis) und durften bei der Gründung des LVR die alten Posten wieder einnehmen.

Friedrich Panse, der letztlich den abscheulichen Menschenversuch an Kindern durchsetzte, war ab 37 Dozent für „Rassehygiene“ und ab 1940 als T4-Gutachter ein NS Schreibtischmörder an behinderten Menschen. Traumatisierte Frontsoldaten, sog „Kriegsneurotiker,“ mißhandelte er mit hoch dosiertem galvanischen Strom. Die Stimmung unter den T4-Kollegen beschrieb er als „eine berauschende Gehobenheit“. Er wurde vom LG Düsseldorf aber 1950 freigesprochen und später vom LVR als Leiter des LKH Grafenberg und Inhaber des Lehrstuhls für Psychiatrie an der Uni Düsseldorf eingestellt. Diese Position konnte er 1966 nutzen, seinem obersten Chef beim LVR, Klausa, als Quasi-Doktorvater zum Ehrendoktor in Medizin zu verhelfen.

Udo Klausa, Landesdirektor bis 1975, war für die Zustände in Heimen und Psychiatrien der Hauptverantwortliche, zumal er den LVR sehr autokratisch regierte. Er wird in der Studie auch erwähnt, jedoch ohne den geringsten Hinweis auf seine Nazivergangenheit in der SA, als NS-Landrat nahe bei Auschwitz und als Verfasser einer rassistischen Schrift, in welcher er forderte, Behinderte als „Entartete auszusondern“.

Während wie bei Beuermann und Panse auch Klausas Nazibelastung verschwiegen wird, tritt er hier als Wohltäter für Behinderte in Erscheinung (S. 118), weil er den Verein “Lebenshilfe“ unterstützte, der sich seit Mitte der 60er für die Förderung geistig Behinderter anstelle der bloßen Verwahrung einsetzte. Klausas Ehefrau Alexandra hat die NRW-Abteilung dieses Vereins mitgegründet; das Engagement des Ehepaars rührte daher, dass der jüngste Sohn auf Grund einer frühkindlichen Hirnentzündung „verhaltensauffällig“ war.

Dieses Engagement rechtfertigt aber nicht, in einer historischen Studie seine Nazibelastung zu verschweigen. Schon gar nicht, wenn es wie in diesem Fall um unmenschliche Behandlung von Kindern in ihm unterstellten Einrichtungen geht, welche deutliche Anklänge an Nazimethoden aufweisen.

Dass noch 1965 ein solch folterähnlicher Mißbrauch von schutzbefohlenen Kindern als medizinische Versuchskaninchen in staatlichen Einrichtungen überhaupt möglich war, schreit doch nach einer Erklärung. Da die hierfür verantwortlichen Entscheider allesamt im NS in hervorgehobenen Positionen an der „Aussonderung“ und Ermordung der „Entarteten“ beteiligt waren, liegt doch die Vermutung nahe, dass eben immer noch ihre früheren Weltbilder als geistiger Hintergrund Regie geführt haben.

Dass die Studie diese Zusammenhänge nicht weiter verfolgt, sondern z.T sogar verschweigt, halte ich angesichts des anwachsenden Rechtsradikalismus für ein schwerwiegendes Versäumnis. Wie sollen denn junge Menschen über die mörderische Folgen des NS-Rassismus aufgeklärt werden, wenn im Dunkeln bleibt, dass dessen schreckliche Folgen bis in die Gegenwart reichen?

Dürfen Historiker dem LVR eigentlich immer noch nicht die Peinlichkeit zumuten, die darin besteht, dass er seine NS-belasteten Führungskräfte bis vor wenigen Jahren nicht nur beschäftigt und geschützt hat, sondern auch über die Maßen geehrt? Wie 2010 Klausa posthum zu seinem hundertsten Geburtstag mit der devoten Ausstellung „Dirigent eines großen Orchesters“ (Er ist immer noch Ehrenbürger der Uni Bonn und Ehrendoktor der Uni Düsseldorf!)

Oder 1973 Panse in der Todesanzeige von LVR und Uni Düsseldorf: „Ein Leben der Arbeit im Dienst leidender Mitmenschen… ist vollendet.“

Vielleicht ist die Aufdeckung solch konkreter personeller und ideologischer NS-Kontinuitäten bei staatlichen Institutionen wie dem LVR aber auch aus einem anderen Grund unerwünscht: Wirft sie doch ein Schlaglicht darauf, dass die bundesrepulikanische Demokratie von Beginn an dadurch geistig verseucht wurde, dass sich die Nazieliten nach kurzem Abtauchen auf breiter Front in den Führungsetagen von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft wieder festsetzen konnten.

Mit gefährlichen Folgen für Demokratie und Rechtsstaat, wie sich heute immer deutlicher zeigt.

Erleben wir denn etwa nicht das Zurückdrängen der sozialpsychiatrischen Denkschulen und Einrichtungen zugunsten einer Pharma-zentrierten, mit der man kostengünstiger einer steigenden Zahl angeblich oder tatsächlich psychisch Kranker Herr werden kann? Weniger mit dem Ziel „Heilung“, sondern eher mit dem von Ruhigstellung: In akuter Situation eine oder zwei Wochen stationär zur Einstellung auf das passende Präparat, und ab dann Depotspritze und Begleitmedikation beim niedergelassenen Psychiater oder beim Hausarzt.

Jeder vierte zwischen 18 und 28 leide inzwischen an der einen oder anderen Form psychischer Erkrankung, wurde kürzlich gemeldet. Als Folge der Digitalisierung erwartet man den Wegfall sehr vieler Jobs, eine erhebliche Ausweitung der krank machenden prekären Lebensverhältnisse wäre damit verbunden.

Eine solche Form von Chemo-Psychiatrie könnte bei dieser politischen Herausforderung hilfreich sein, indem sie Millionen betroffene Mitmenschen ruhig und in Schach hält. Der Fall Gustl Mollath hat ja exemplarisch vorgeführt, dass die (geschlossene) Psychiatrie immer noch ein totalitäres System ist, dass leicht politisch missbraucht werden kann.

Dazu fällt mir ein, dass in den 70ern ein Psychiater (ich glaube er hieß Leibfried o.ä.) eine neue „Geisteskrankheit“ entdeckt hatte, die er „politische Querulanz“ nannte. Diese lag dann vor, wenn jemand „mit übertriebenen Mitteln gegen vermeintliches oder wirkliches Unrecht“ vorgeht. Wenn der Amtspsychiater definieren darf, was „übertrieben“ ist, dann kann er demnach auch jeden einlochen, der z. B. gegen eine Diktatur aufbegehrt. Schöne Aussichten!

Deshalb müssen alle Demokraten höchst alarmiert zur Kenntnis nehmen, dass Bayern ja bereits ein Gesetz in der Mache hat, welches die polizeiliche „Erfassung“ aller psychisch Kranken und Auffälligen möglich macht. Gleichzeitig sollen per Gesetz die Polizeibefugnisse so weitgehend ausgeweitet werden, dass eine Art Vorbeugeinhaftierung möglich wird, im Dritten Reich als „Schutzhaft“ bekannt und gefürchtet.

Die lückenlose Erfassung war damals die Voraussetzung und die Grundlage für die Verfolgung und letztlich für die Vernichtung kranker, „lebensunwerter“ Mitmenschen.

Insofern ist es unverzeihlich, dass die Hintergründe der erforschten, teils grausamen Lebensverhältnisse der Kinder in LVR-Einrichtungen nicht im Hinblick auf den NS weiter untersucht, sondern dass offensichtliche Kontinuitäten verschwiegen wurden; obwohl diese doch heute wieder im sich rundum ausbreitenden Rechtsradikalismus und dem Rechtsruck des gesamten Parteienspektrums eine erschreckende Wirksamkeit entfalten. Wer hätte denn vor kurzen noch für möglich gehalten, dass im Bundestag über die zynische Äußerung eines Abgeordneten diskutiert werden muss, welche den verheerenden Weltkrieg der Nazis, den Holocaust und die Krankenmorde als „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte unsäglich bagatellisiert?

Brief an Prof. Dr.-Ing. Klaus Borchard, Rektor a.D. der Uni Bonn

Sehr geehrter Herr Borchard,

ich bin der „Alt 68er“, der am vergangenen Montag bei der Veranstaltung zum Gedenken an die NS-Opfer der Uni als „Störer“ auffällig geworden ist.

Es erschien mir unbegreiflich, dass die Universität eine solche Veranstaltung durchführen kann, während sie gleichzeitig an der Ehrenbürgerschaft des NSDAP- und SA-Mitglieds und Nazilandrats Klausa festhält.

Ich empfinde das als Verhöhnung der Opfer, deren gedacht wurde.

Meine Freunde und ich rätseln auch darüber, welcher sachliche Grund die Uni zu dieser Ehrung bewogen haben mag, denn Klausa hat ja keinerlei wissenschaftliche Leistungen vorzuweisen. Die einzige bekannte Publikation Klausas trägt den Titel „Rasse und Wehrrecht“ und enthält neben anderen rassistischen Äußerungen die Forderung nach der „Aussonderung der Entarteten“; sie erschien im Kohlhammer-Verlag 1936, also als die rassisch oder politisch „Entarteten“ auch von der Uni Bonn „ausgesondert“ wurden.

Als Nazilandrat in Bendzin – ca 4o km von Auschwitz – war er u.a. verantwortlich für das Zusammentreiben von zig tausend Juden in viehische Ghettos, von wo aus sie ins Gas deportiert wurden.

Die englische Historikerin Mary Fulbrook hat Klausas Tätigkeit im NS erforscht und die Ergebnisse in ihrem Buch „ A small town near Auschwitz“ veröffentlicht, das auch in deutscher Übersetzung vorliegt. Seine Nachkriegskarriere als erster Landesdirektor des LVR und die personelle und ideologische „Nachkriegs-Nazi-Kontinuität „wurde im Auftrag des LVR von den Historikern Kaminsky und Roth erforscht, diese Studie ist veröffentlicht und an der Uni Bonn bekannt.

Auch daraus geht hervor, dass Klausa als autokratischer LVR – Herrscher schwere Menschenrechtsverletzungen in „seinen“ Erziehungsheimen und Psychiatrien zu verantworten hat. Ich habe in der Sozialistischen Selbsthilfe Köln ( SSK ) mehr als 20 Jahre lang die Opfer von der Straße geholt und für deren Rechte gekämpft.

Vorige Woche hat Ihr Herr Dr. Becker erklärt, die Uni ließe die Vorwürfe gegen Klausa durch eine eigene Historiker-Kommission prüfen. Das ist völlig unsinnig, weil es kaum einen Nazi-Schreibtischtäter gibt, der besser historisch „durchleuchtet“ ist. Nun erfahre ich aber gerade aus einem Schreiben der Landesdirektorin Lubek, dass die Uni es abgelehnt habe, die Ehrenbürgerschaft Klausas abzuerkennen.

Sehen Sie, Herr Borchard, so geht es mir und den anderen 68er Genossen seit 50 Jahren. Wenn es um NS geht, stoßen wir auf ein Geflecht von Ausflüchten, Beschönigungen, Verdrehungen und Lügen, es scheint kein Ende zu nehmen.

Auf diese Weise wurden meiner Generation die Naziverbrechen in die Wiegen gekippt, wir mussten uns mit dem Holocaust auseinandersetzen, die Elterngeneration verleugnete ja ihr Wissen darum und ihre jeweiligen Beteiligungen daran. Wie Klausa, der in seinem Amtszimmer den Leichengestank von Auschwitz fast riechen konnte, aber angeblich nichts davon gewusst haben will. Diese Zumutungen waren ein Grund für unser wütendes Aufbegehren.

Ihre Rede aber hat mich demgegenüber sehr positiv überrascht und ich habe mich ja auch schon bei Ihnen dafür bedankt, dass Sie ein Tabu gebrochen haben: Denn die Tatsache, dass die „Reichskristallnacht“ zum Geburtstag des glühenden Antisemiten Luther am 10. Nov. inszeniert wurde, wird in der Regel immer noch verschwiegen ebenso wie der peinliche Befund,, dass große Teile der Bevölkerung sich freudig an den Auschreitungen und Morden von SA und SS beteiligten.

Dieses Totschweigen ist deshalb gesellschaftspolitisch so gefährlich, weil das 500 Jahre lang verspritzte antisemitische Luther-Gift nicht in 70 Jahren mal eben verschwindet und deshalb im angeblich „neuen“ Antisemitismus und Rassismus nach wie vor seine zersetzende Wirkung entfaltet.

Es muss Ihnen doch klar sein, dass diese Ehrenbürgerschaft das Gedenken der Uni an ihre Naziopfer und auch alle derartigen künftigen Veranstaltungen und Bekundungen völlig unglaubwürdig macht und als unanständige Heuchelei dastehen läßt.

Ich bedauere sehr, dass auch Ihre Rede und Ihre selten klare Positionierung durch diese universitäre Schande entwertet wird.

Mag sein, dass solche Einwürfe aus meiner Ecke Sie im wissenschaftlichen Elfenbeinturm nicht wirklich erreichen. Dennoch habe ich mich dazu entschlossen, es zu versuchen.

Trotz allem mit freundliche Grüssen,
Lothar Gothe

 

Beigefügt ist ein Flugblatt, welches ich zum Auschwitzgedenken in der Kölner Antoniterkirche verteilt habe.


Professor Borchard hat mir darauf mit Brief vom 25.4.18 geantwortet:


Und dann kam noch diese Mail von ihm:

——– Weitergeleitete Nachricht ——–
Betreff:     AW: Ehrenbürgerschaft Udo Klausa
Datum:     Sat, 30 Jun 2018 16:38:07 +0200
Von:     profborchard <profborchard@t-online.de>
An:     Lothar Gothe <logo@westhost.de>

Sehr geehrter Herr Gothe,

vielleicht haben Sie es ja schon erfahren : Auf einstimmigen Beschluss des Uni-Senats vom letzten Donnerstag hat sich die Universität Bonn von der vor 50 Jahren vollzogenen Ehrung des Ex-LVR-Direktors Klausa distanziert. Nach ausführlicher Beratung hat der Senat dem Rektorat empfohlen, als Beitrag zum kritischen Umgang mit der NS-Vergangenheit Klausas Ehrung mit einem distanzierenden Hinweis zu versehen.

Hätten Sie nicht damals auf den Fall Klausa aufmerksam gemacht, wären wir sicher noch nicht so weit gekommen.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Borchard.


Immerhin…

 

Flugblatt zum Auschwitz-Gedenktag in Köln am 28.1.2018

Denis Stuart Rose, „Luther“, 2016

Auschwitz – Luther – Ehrendoktor

Gut, dass es inzwischen endlich vielfältige Formen des Gedenkens an die Opfer der NS-Diktatur gibt. Dennoch bleibt es bei der halben Wahrheit, denn es kann ja keine Opfer ohne Täter geben. Diese aber werden meist weiterhin ver- oder beschwiegen.

Ein solcher wurde gerade ein Jahr lang mit großem Pomp gefeiert: Doktor Martin Luther. In seiner Hetzschrift „Von den Juden und iren Luegen“ hat er rassistisch ( „verdorbenes Blut“ ) zum Massaker an ihnen aufgerufen: Die Synagogen sollen verbrannt, ihre Schulen und Häuser zerstört, sie sollen ausgeplündert und erschlagen werden. Es liest sich wie ein Aktionsplan für die „Reichspogromnacht“, die nicht zufällig in der Nacht zum 10. November 1938 begann, organisiert von SA und SS, unter Beteiligung tausender „Freiwilliger“.

Der thüringische Landesbischof Sasse: „Am 1o. November, Luthers Geburtstag, brennen in Deutschland die Synagogen (…) In dieser Stunde muss die Stimme eines Mannes gehört werden, der als der Prophet der Deutschen… der größte Antisemit seiner Zeit geworden ist…“ Der evangelische Reichsbischof erklärte, Hitler vollende nun, was Luther begonnen habe. Dieser christliche Hintergrund der Schoah wird immer noch tabuisiert, die lauen Schuldbekenntnisse der Kirchen drücken sich darum herum, dass „Nazis“ und Christen weitgehend identisch waren. Wie wollen sie eigentlich heute Neonazis entgegentreten, die einen Anschlag auf eine Synagoge verübt haben und sich auf den so hoch geehrter Luther berufen?

Ein anderer Nazi-Täter heißt Udo Klausa, er war von 1954 bis 1975 erster Landesdirektor des Landschaftsverbands Rheinland und hatte schwere Menschenrechtsverletzungen in Heimen und Psychiatrien zu verantworten.

Als NSDAP- und SA- Angehöriger hat er 1936 die rassistische Hetzschrift „Rasse und Wehrrecht“ verfasst, in welcher er die Förderung der „guten Ströme des Bluts“ forderte und die „Aussonderung der Entarteten“. Als Nazi-Landrat von Bendzin – ca. 40 km von Auschwitz entfernt- hat er 30 000 Juden in viehische Gettos einsperren lassen, von wo aus sie ins Gas deportiert wurden. (siehe: Mary Fulbrook, „Eine kleine Stadt bei Auschwitz“, Klartext Verlag )

Klausa ist aber immer noch Ehrenbürger der Uni Bonn und Inhaber der Ehrendoktorwürde, Mitte der 60er verliehen im Namen der Düsseldorfer Uni vom Inhaber des Lehrstuhls für Psychiatrie, Friedrich Panse, einem „Euthanasiegutachter“, also ein Schreibtischtäter bei den Krankenmorden.

Solch brauner Unrat unterm Teppich, aber Betroffenheit bekunden: PFUI TEUFEL !

V.i.S.d.P. LOTHAR GOTHE ECKENHAGENERSTR 33 51702 BERGNEUSTADT

Lesung, Vortrag, Diskussion „Eine kleine Stadt bei Auschwitz“

EINE KLEINE STADT BEI AUSCHWITZ

So lautet der Titel des Buchs der englischen Historikerin Mary Fulbrook aus dem sie lesen wird. Es befaßt sich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit des Udo Klausa, der von 1954 bis 1975 (der erste) Direktor des Landschaftsverbands Rheinland war und als solcher die schweren Missstände in den Erziehungsheimen und Psychiatrischen Anstalten zu verantworten hatte.

Frau Fulbrook ist ein außergewöhnlich tiefer Einblick in die Persönlichkeitsstruktur eines deutschen Bildungsbürgers gelungen, der dem Dritten Reich in der Verwaltung als Landrat gedient hat, an den Nazi-Verbrechen und dem Holocaust beteiligt war und im Nachkriegsdeutschland davon unbeschadet und unbeirrt als Führungskraft im Rheinland seine Karriere fortsetzen konnte.

Der Historikerin ist deshalb ein so einzigartiger Beitrag zur Aufarbeitung der deutschen Nazivergangenheit gelungen, weil ihr bei diesem Forschungsobjekt nicht nur die wissenschaftlichen Mittel des universitären Elfenbeinturms zur Verfügung standen, sondern auch Erkenntnisse, die aus der persönlichen Beziehung zur Familie Klausa herrühren. Klausas Ehefrau war zeitlebens eine enge Freundin von Fulbrooks Mutter.

Die Geschichte des Udo Klausa ist hochaktuell, weil man an ihr nachvollziehen kann, wie ein humanistisch gebildeter Akademiker in seiner Karriere nach und nach zivilisatorischen Boden verlässt und als Zuarbeiter der rassistischen Barbarei endet. Am Prototyp Klausa hat Mary Fulbrook auch gezeigt, wie die Anfänge aussehen, deren wir uns heute wieder – oder immer noch – erwehren müssen.

In dem Zusammenhang wird Frau Fulbrook auch über ihr neuestes Buch sprechen. Es befasst sich mit den langfristigen Folgen der Beteiligung an Naziverbrechen. Die Nachkriegsjustiz hat die Schuldigen nur sehr unzureichend vor Gericht zur Verantwortung gezogen und private Erzählungen haben die Vergangenheit umgedeutet. Viele Familien – nicht nur die Kinder der Überlebenden, auch die der Täter – müssen die emotionellen Folgen tragen.

(Das Buch erscheint 2018 bei OUP unter dem Titel „Reckonings: Legacies of Nazi Persecution“)

 

Alte Feuerwache, Melchiorstr. 3, Köln – 6. Dezember 20 Uhr

Anmerkungen und Ergänzungen zur „Klausa-Studie“ von Kaminsky/Rot

Aus dem Bullauge eines Jets sieht auch eine schmutzige Kloake aus wie ein silbrig glänzender See.

In der bundesrepublikanischen Geschichte ist Udo Klausa als regionale Führungskraft eine Randfigur. Historische Bedeutung erlangt er aber als Prototyp der „Wiederaufbau-Generation“, der im Nationalsozialismus an hervorgehobenen Positionen tätig war: Weil Klausas Vorkriegs-, Kriegs- und Nachkriegskarrieren außergewöhnlich gut durchleuchtet sind und weil seine innere Verfassung anhand seiner Memoiren und der Korrekturen durch die Studie von Prof. Fulbrook weitgehend offen liegt.

Die Studie von 600 Seiten leidet an einem Mangel, den auch die Studie „Verspätete Modernisierung“ über die Nachkriegsgeschichte der Heimerziehung aufweist: Die Lebensbedingungen der Heim- und Psychiatrieinsassen werden fast ausschließlich aus der Sicht ihrer Verwalter dargestellt, sozusagen nach Aktenlage: abgehoben und im Bürokraten-Slang abstrahiert. Die technokratische Gefühlskälte des obersten Verwalters Klausa gegenüber dem Schicksal seiner Schutzbefohlenen tritt deshalb in den Hintergrund. Den Lesern wird die Brille der Behörden aufgesetzt, welche die konkreten Lebensverhältnisse in den Anstalten in einen fernen Nebel rückt.

Diesen Mangel haben die Autoren selbst erkannt und eine entsprechende weitereForschung angeregt. Hoffen wir, dass der LVR dem nachkommt und die Opferperspektive nachholt.

Wären Zeitzeugenberichte von Opfern den „Denkschriften“ und Traktaten Klausas oder auch den Verwaltungskonferenzen und- korrespondenzen gegenüber gestellt worden, so wäre deutlich geworden, wie wenig all diese bürokratischen Aktivitäten die Patientenrealität erfaßt und jeweils an den realen menschenrechtswidrigen Verhältnissen geändert haben. Weiterlesen