Brief an Prof. Dr.-Ing. Klaus Borchard, Rektor a.D. der Uni Bonn

Sehr geehrter Herr Borchard,

ich bin der „Alt 68er“, der am vergangenen Montag bei der Veranstaltung zum Gedenken an die NS-Opfer der Uni als „Störer“ auffällig geworden ist.

Es erschien mir unbegreiflich, dass die Universität eine solche Veranstaltung durchführen kann, während sie gleichzeitig an der Ehrenbürgerschaft des NSDAP- und SA-Mitglieds und Nazilandrats Klausa festhält.

Ich empfinde das als Verhöhnung der Opfer, deren gedacht wurde.

Meine Freunde und ich rätseln auch darüber, welcher sachliche Grund die Uni zu dieser Ehrung bewogen haben mag, denn Klausa hat ja keinerlei wissenschaftliche Leistungen vorzuweisen. Die einzige bekannte Publikation Klausas trägt den Titel „Rasse und Wehrrecht“ und enthält neben anderen rassistischen Äußerungen die Forderung nach der „Aussonderung der Entarteten“; sie erschien im Kohlhammer-Verlag 1936, also als die rassisch oder politisch „Entarteten“ auch von der Uni Bonn „ausgesondert“ wurden.

Als Nazilandrat in Bendzin – ca 4o km von Auschwitz – war er u.a. verantwortlich für das Zusammentreiben von zig tausend Juden in viehische Ghettos, von wo aus sie ins Gas deportiert wurden.

Die englische Historikerin Mary Fulbrook hat Klausas Tätigkeit im NS erforscht und die Ergebnisse in ihrem Buch „ A small town near Auschwitz“ veröffentlicht, das auch in deutscher Übersetzung vorliegt. Seine Nachkriegskarriere als erster Landesdirektor des LVR und die personelle und ideologische „Nachkriegs-Nazi-Kontinuität „wurde im Auftrag des LVR von den Historikern Kaminsky und Roth erforscht, diese Studie ist veröffentlicht und an der Uni Bonn bekannt.

Auch daraus geht hervor, dass Klausa als autokratischer LVR – Herrscher schwere Menschenrechtsverletzungen in „seinen“ Erziehungsheimen und Psychiatrien zu verantworten hat. Ich habe in der Sozialistischen Selbsthilfe Köln ( SSK ) mehr als 20 Jahre lang die Opfer von der Straße geholt und für deren Rechte gekämpft.

Vorige Woche hat Ihr Herr Dr. Becker erklärt, die Uni ließe die Vorwürfe gegen Klausa durch eine eigene Historiker-Kommission prüfen. Das ist völlig unsinnig, weil es kaum einen Nazi-Schreibtischtäter gibt, der besser historisch „durchleuchtet“ ist. Nun erfahre ich aber gerade aus einem Schreiben der Landesdirektorin Lubek, dass die Uni es abgelehnt habe, die Ehrenbürgerschaft Klausas abzuerkennen.

Sehen Sie, Herr Borchard, so geht es mir und den anderen 68er Genossen seit 50 Jahren. Wenn es um NS geht, stoßen wir auf ein Geflecht von Ausflüchten, Beschönigungen, Verdrehungen und Lügen, es scheint kein Ende zu nehmen.

Auf diese Weise wurden meiner Generation die Naziverbrechen in die Wiegen gekippt, wir mussten uns mit dem Holocaust auseinandersetzen, die Elterngeneration verleugnete ja ihr Wissen darum und ihre jeweiligen Beteiligungen daran. Wie Klausa, der in seinem Amtszimmer den Leichengestank von Auschwitz fast riechen konnte, aber angeblich nichts davon gewusst haben will. Diese Zumutungen waren ein Grund für unser wütendes Aufbegehren.

Ihre Rede aber hat mich demgegenüber sehr positiv überrascht und ich habe mich ja auch schon bei Ihnen dafür bedankt, dass Sie ein Tabu gebrochen haben: Denn die Tatsache, dass die „Reichskristallnacht“ zum Geburtstag des glühenden Antisemiten Luther am 10. Nov. inszeniert wurde, wird in der Regel immer noch verschwiegen ebenso wie der peinliche Befund,, dass große Teile der Bevölkerung sich freudig an den Auschreitungen und Morden von SA und SS beteiligten.

Dieses Totschweigen ist deshalb gesellschaftspolitisch so gefährlich, weil das 500 Jahre lang verspritzte antisemitische Luther-Gift nicht in 70 Jahren mal eben verschwindet und deshalb im angeblich „neuen“ Antisemitismus und Rassismus nach wie vor seine zersetzende Wirkung entfaltet.

Es muss Ihnen doch klar sein, dass diese Ehrenbürgerschaft das Gedenken der Uni an ihre Naziopfer und auch alle derartigen künftigen Veranstaltungen und Bekundungen völlig unglaubwürdig macht und als unanständige Heuchelei dastehen läßt.

Ich bedauere sehr, dass auch Ihre Rede und Ihre selten klare Positionierung durch diese universitäre Schande entwertet wird.

Mag sein, dass solche Einwürfe aus meiner Ecke Sie im wissenschaftlichen Elfenbeinturm nicht wirklich erreichen. Dennoch habe ich mich dazu entschlossen, es zu versuchen.

Trotz allem mit freundliche Grüssen,
Lothar Gothe

 

Beigefügt ist ein Flugblatt, welches ich zum Auschwitzgedenken in der Kölner Antoniterkirche verteilt habe.


Professor Borchard hat mir darauf mit Brief vom 25.4.18 geantwortet:


Und dann kam noch diese Mail von ihm:

——– Weitergeleitete Nachricht ——–
Betreff:     AW: Ehrenbürgerschaft Udo Klausa
Datum:     Sat, 30 Jun 2018 16:38:07 +0200
Von:     profborchard <profborchard@t-online.de>
An:     Lothar Gothe <logo@westhost.de>

Sehr geehrter Herr Gothe,

vielleicht haben Sie es ja schon erfahren : Auf einstimmigen Beschluss des Uni-Senats vom letzten Donnerstag hat sich die Universität Bonn von der vor 50 Jahren vollzogenen Ehrung des Ex-LVR-Direktors Klausa distanziert. Nach ausführlicher Beratung hat der Senat dem Rektorat empfohlen, als Beitrag zum kritischen Umgang mit der NS-Vergangenheit Klausas Ehrung mit einem distanzierenden Hinweis zu versehen.

Hätten Sie nicht damals auf den Fall Klausa aufmerksam gemacht, wären wir sicher noch nicht so weit gekommen.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Borchard.


Immerhin…