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Leserbrief zum Artikel „Eine neue Festung für die Veste“ vom 9.9.24

Vor 60 Jahren habe ich in den Semesterferien bei der Bergneustädter Firma Dr. Herrmann Müller (heute Martinrea) gearbeitet und hatte als Werkstattschreiber relativ guten Einblick in die Abläufe. So bekam ich mit, dass teils hochproblematische Abfälle einfach auf der Müllkippe abgeladen wurden. Diese befand sich in der Talstrasse, genau dort, wo gerade der als Ritter ausstaffierte Bürgermeister den neu gestalteten tollen Kinderspielplatz eröffnet hat.

Die Kippe ist da immer noch. Denn seinerzeit hat man nach der Devise „Aus den Augen, aus dem Sinn“ die krasse Umweltsünde samt verrohrtem Bachlauf einfach unter Erdaushub verschwinden lassen und darauf Park und Spielplatz angelegt. Wenn irgendwann die Betonrohre undicht werden und ein undefinierbarer Chemiecocktail die Dörspe vergiften sollte, werden es leider die heute so begeisterten Kinder sein, welche die Folgen tragen müssen.

Genauso verhält es sich mit der Müllkippe in der Sülemicke, in der ganze Schrottautos und giftige Abfälle der Fa. Gast „entsorgt“ wurden: Heute ein idyllischer Hundetrainingsplatz.

In ganz großem Stil wurde diese kostengünstige Entsorgungs-Methode beim Super-Vorzeige-Umwelt-Projekt Metabolon angewendet: Millionen Tonnen Haus- und Gewerbemüll haben die ehemalige „ Mülltalsperre“ gefüllt und zu einem vulkanartigen Berg aufgetürmt: Wieder Plastikplane und Erde über den gewaltigen Chemiereaktor, Streicheltiere und Superrutsche oben drauf und dazu noch ein kompetentes Umweltzentrum. Doch Gnade Gott unseren Nachkommen, wenn der tönerne Untergrund dieser monströsen chemischen Zeitbombe undicht werden sollte (so die Befürchtung der damaligen Bürgerinitiative) oder der teuflische Berg durch Extremregen ins Rutschen käme!

Allerdings kann es auch sein, dass unsere Kinder und Enkel diese Horrorszenarien gar nicht erleben müssen: Denn die treusorgenden Eltern haben ja vielleicht zuvor schon den ganzen Globus als menschlichen Lebensraum durch eine Klimakatastrophe ruiniert: Fahren doch besonders die Wohlhabenden unter uns ungebremst damit fort, für eine gierig-konsumistische Lebensweise die Atmosphäre als Sondermülldeponie für CO2 und andere Klimakillergase zu missbrauchen.

Bis dahin soll es aber offenbar den Kindern genau wie uns Alten an nichts fehlen, alles vom Feinsten, „sauber und sicher“ und selbstverständlich „inklusiv und barrierefrei“, so wie es sich für eine zivilisierte Kulturnation gehört.


Worauf mir Frau Thielen von der Lokalredaktion Gummersbach antwortete:

Sehr geehrter Herr Gothe,

vielen Dank für die Zusendung Ihres Leserbriefes zum Spielplatz in Bergneustadt. Wir haben die Stadt Bergneustadt um Stellungnahme zu Ihren Vorwürfen gebeten und werden das Thema redaktionell aufgreifen. Ihr Leserbrief wird in diesem Artikel dann seinen Platz finden und deshalb nicht in unserer Leserbrief-Rubrik abgedruckt.

Mit freundlichen Grüßen

Linda Thielen
Stellvertretende Redaktionsleiterin


Was dann auch geschah, aber mit einem – meiner Meinung nach – sehr zweifelhaften Ergebnis. Auf das ich noch einmal reagieren musste:

Verehrte Frau Thielen,

nachdem ich heute Ihren Artikel gelesen habe, stelle ich fest, dass Sie leider journalistisch nicht sauber gearbeitet haben:

Sie haben von vier „schweren Vorwürfen“ zu einem unverantwortlichen Umgang mit Altdeponieen in meinem Leserbrief nur den zum Spielplatz herausgegriffen und sodann einen argumentativen Popanz aufgebaut, um diesen dann vom Bürgermeister widerlegen zu lassen: Dass nämlich eine Gefahr für Besucher des über der Deponie befindlichen Spielplatzes behauptet worden sei.

Das hat aber niemand getan, auch ich nicht! Ich habe vielmehr auf eine ganz andere Gefahr für die heutigen Kinder hingewiesen: Dass nämlich demnächst durch eine undicht gewordene Verrohrung des Bachlaufs giftige Sickerwässer aus dem unbekannten Gemisch von Hausmüll und Industrieabfällen („undefinierbarer Chemiecocktail“)in die Dörspe gelangen könnten.Diese Gefahr hat der Bürgermeister (den ich übrigens persönlich schätze) ja bestätigt, auch wenn er erklärt, dass ein Großteil des unbekannten Abfallgemischs entsorgt worden sei, als eine Kanalisation durch die Kippe hindurch gebaut werden musste. Dass diese Entsorgung viel Geld gekostet hat, lässt darauf schließen, dass es sich zumindest teilweise um Sondermüll gehandelt hat und erklärt wohl auch, warum denn nicht pflichtgemäß der gesamte Problemmüll entsorgt wurde. Die Gefahr besteht also weiterhin und die Schlagzeile „Es besteht keine Gefahr“ ist somit eindeutig falsch und als fake news zu werten.

Sie halten offenbar die Angaben zu meinen weiteren Beispielen für rücksichtsloses Wohlleben zu Lasten der nachfolgenden Generationen wie die Deponieen Sülemicke (was hat denn der Bürgermeister dazu gesagt?) und Metabolon sowie den Missbrauch der Atmosphäre als Deponie für „Klimakillergase“ für falsch und nicht erwähnenswert und verschweigen sie daher. Da müssen Ihre recherchierten Daten dazu allerdings völlig andere sein als die mir vorliegenden. Deshalb bitte ich, mir die Ihren unbedingt zugänglich zu machen.

Ich sehe die Entwicklung der Medien sehr kritisch, trete aber der Parole der Rechtsradikalen von der „Lügenpresse“ stets entschieden entgegen. Aber diese Art Berichterstattung zur Entlastung von für Misstände Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik ist Wasser auf deren Mühlen.

Und weil Sie ja auch für Kultur zuständig sind, nebenbei noch eine etwas unbescheidene Bemerkung: Ich glaube, dass mir mit diesem Leserbrief ein wirklich gut komponierter literarischer Text gelungen ist. Da ein Teil herauszureißen, an seinem Inhalt herum zu manipulieren und die anderen Teile in die Tonne zu kloppen, das kommt bei mir an wie eine Art kulturelle Barabarei.

Mein Leserbrief hat also in Ihrem Bericht keinen Platz gefunden. Deshalb erwarte ich, dass Sie ihn nunmehr auch als solchen veröffentlichen, damit sich Ihre mündigen Leser auf Grund überprüfbarer Fakten selber ein Bild machen können.

Gruss,
Lothar Gothe

 

Leserbrief zum Artikel „Wo die AfD Wahlsiegerin ist“ vom 11.6.24

Wie schon in früheren Wahlen oder bei den „Spaziergangdemos“ sticht Oberberg nun auch in der Europawahl überregional als Rechtsausleger hervor. Natürlich zeigen sich die Vertreter der „etablierten“ Parteien wieder pflichtgemäß „geschockt“, haben wir doch ein allumfassendens „Bündnis gegen Rechts“ und uns vor kurzem noch in den Demos für Demokratie am angeblich so „bunten“ Oberberg regelrecht berauscht. Und jetzt das: Oberberg wird wieder braun, nicht bunt!

Die sattsam bekannten flachen Politiker-Statements zu den AfD-Erfolgen hängen einem inzwischen zum Halse heraus: „einfache Botschaften“, „Frustration der Wähler“, geringe Wahlbeteiligung usw.; vor allem auch die unerträglich anmaßende Standardplattitüde, es gelte, die Menschen dort „abzuholen“, wo sie stehen. Als wären wir Wähler unmündige Kinder, die von erziehungsberechtigten Politikern an die Hand genommen werden müssen.

Statt auf diese Weise im Nebel der eigenen Ratlosigkeit herumzustochern, könnte vielleicht ein Blick in die Vergangenheit weiterhelfen: Da fällt nämlich sehr unangenehm auf, dass die heutigen Hochburgen der AfD weitgehend übereinstimmen mit den damaligen Hochburgen der NSDAP. Das spricht für eine erschreckende Kontinuität!

Die gäbe es in diesem Ausmaß sicher nicht, wäre nicht eine ehrliche Aufarbeitung in der Politik und bei den Kirchen bis heute unterlassen bzw, verhindert worden. Denn so konnte sich das Virus der ansteckenden Geisteskrankheiten Rassismus und Antisemitismus unter der Decke lange ungestört bis zur heutigen „Pandemie“ vermehren.

10 Jahre lang ließ mich der Kreistag mit der Forderung nach NS-Aufarbeitung gegen die Wand laufen. Jetzt erst, wo das Kind im Faschismus-Brunnen liegt, soll ein unabhängiger Historiker ran. Die evangelische Kirche weigert sich aber bis heute, am Pogromtag nicht nur der jüdischen Opfer zu gedenken, sondern auch die eigene Beteiligung daran und die eigenen Täter zu benennen, zuoberst den glühenden Antisemiten Dr. Martin Luther.

Deshalb steht Oberbergs Politik jetzt vor einer unglaublichen Peinlichkeit: Hat doch die rechtsradikale Fraktion im EU-Parlament die AfD ausgeschlossen, weil sogar ihr die Verharmlosung einer Mitgliedschaft in der SS durch den AfD-Spitzenkandidaten zu weit ging. In Oberberg hingegen wird die Mitgliedschaft in der nicht minder terroristischen SA nicht nur verharmlost, sondern man hält sogar parteiübergreifend daran fest, den Altnazi und SA-Mann Goldenbogen weiterhin mit einem Straßennamen zu ehren.

Auch deswegen lebe ich inzwischen in großer Angst um meine Enkel, weil sie akut bedroht sind von neuem Krieg und altem Faschismus, der durch die immer verheerendenderen Folgen unseres anhaltenden Blindflugs in Richtung Klimakatastrophe enorm getriggert wird.

Dem Grundgestz zum 75.

Mir geht das seichte, völlig unkritische Gelaber zum Umgang mit unserem wirklich guten Grundgesetz furchtbar auf den Wecker, weil so verheuchelt und verlogen. Ich möchte mich zum diesjährigen 75. Geburtstag darum mit einem Beitrag beteiligen, den ich schon 2014 geschrieben habe – und dem trotzdem eigentlich nichts hinzuzufügen ist:

Über die unantastbare Würde des Menschen anno domini 2014

1.

Das Grundgesetz ist deshalb eine so gute Verfassung, weil es lapidar und ohne Wenn und Aber die Würde des Menschen für unantastbar erklärt, und von aller „staatlichen Gewalt“ die strikte Einhaltung dieses Gebots verlangt.

Wir alle wissen, daß dies so uneingeschränkt in unserem Land nie die alltägliche Wirklichkeit war, daß dieser Grundsatz immer wieder verletzt wurde, oft gerade von der „staatlichen Gewalt“. Wir haben auch erleben müssen, wie dieses eigentlich unveränderliche Gebot durch zahlreiche Erweiterungen, Veränderungen und Ergänzungen immer weiter untergraben wurde ( Notstands- gesetze, Antiterrorgesetze, Asylrechtsabbau etc.).

Der Bundesbürger kann sich also immer weniger darauf verlassen, daß dieser Verfassungsgrundsatz seine Würde in der Realität tatsächlich schützt.

2.

Nach dem Wortlaut des Grundgesetzes ist aber nicht die Würde des deutschen Menschen unantastbar, sondern ganz allgemein die des Menschen, also aller Menschen, also die eines jeden Menschen auf der ganzen Welt!

Das aber kann angesichts der herrschenden Verhältnisse nicht ernst gemeint sein, und das wird in all seinen Konsequenzen hierzulande sicherlich auch kaum einer wollen. Oder wollen wir etwa der Frau in Bangladesh, die unsere T-shirts unter menschenunwürdigen Bedingungen für 38 Euro im Monat näht, auch den Mindestlohn von 8.50 Euro zugestehen? Auch dann, wenn T- Shirt, Jeans etc, das Doppelte, Dreifache, Vielfache kosten? Die Preise für Turnschuhe, Flachbildschirme, Haushaltsgeräte, Möbel, für nahezu alle Konsumartikel durch die Decke gingen? Wollen wir das wirklich?

Nehmen wir an, es gäbe eine Volksabstimmung darüber, ob wir auch allen Menschen in den Armuts- und Elendszonen der Welt die angeblich unveräußerlichen Menschenrechte garantieren sollen, also die „Grundgesetzwürde“. Da der dafür unvermeidliche Preis bei uns ein radikaler Konsumeinbruch wäre, wie ginge dann wohl die Abstimmung aus? Weiterlesen

Aufruf / Hilferuf!

zur Unterstützung des gemeinnützigen Projekts für Klimaschutz, Klimaanpassung und KLIMAGERECHTIGKEIT „SUBSISTENZHOF LAND IN SICHT“

Dieses Projekt würde ich gerne am Ende meiner Tage noch auf meinem kleinbäuerlichen Hof verwirklichen und ihn dazu in eine gemeinnützige Rechtsform überführen, am liebsten in Form einer gemeinnützigen Stiftung.

Nicht wenige der mir nahestehenden Menschen halten meinen Versuch, ein solches Projekt ins Leben zu rufen, für völlig unrealistisch und einige sogar mehr oder weniger für eine Art Wahnidee. Nicht ohne Grund: Ich bin inzwischen 80 Jahre alt, Krebs Überlebender mit halber Lunge und leide an chronischem Husten und Erschöpfungsphasen, vermutlich Long Covid. Zudem verfüge ich neben den Hofgebäuden, dem Inventar, den Maschinen und dem Land nur über eine kleine Rente und kein Kapital.

Ich traue mich mit diesem Projekt auch nur deshalb an die Öffentlichkeit, weil wir in Zeiten leben, in denen ein anderer, allgemeiner und geradezu (selbst)mörderischer Wahnsinn zunehmend die Oberhand gewinnt, der geeignet ist, die Grundlagen der Zivilisation und des menschliches Lebens auf unserem blauen Planeten irreversibel zu zerstören. Durch eine unheilige konsumkapitalistische Allianz des „Weiterso“ von reichen Unternehmen, Politikern, Wählern und Konsumenten droht der Kampf gegen den Klimawandel zu scheitern, so der Soziologe Jens Beckert in seinem neuen Buch „ Verkaufte Zukunft“, um nur einen der vielen wissenschaftlichen Warner zu nennen.

Gefährlich an diesem schlafwandlerischen Taumeln Richtung Abgrund ist auch das Versäumnis, rechtzeitig Klimaanpassungsschritte bei Produktion und Lebensstil einzuleiten und entsprechende Versuche durchzuführen, vor allem – aber nicht nur – den Landbau betreffend.

Ich traue mich auch deshalb, weil Meggie Lück und ich seit Anfang der 90er bereits im Hinblick auf die damals bereits absehbare Klimakrise den Hof weitgehend in Subsistenz bewirtschaftet und verschiedene Anpassungsversuche durchgeführt haben. ( Siehe unsere Broschüre von 1990 „Land in Sicht“). Ein zweites Subsistenzprojekt war die Kompostanlage in Eckenhagen, die vor allem von Klaus Breidenbach und Peter Hahner ins Leben gerufen und betrieben wurde und im Unterschied zu den industriellen Großanlagen aus Küchenabfällen Fremdstoff freien, für den Lebensmittelanbau geeigneten Kompost herstellte. Für die Zukunft ebenfalls dringend benötigt!

Viele von euch kennen unseren damaligen, heute meinen Hof und viele haben meinen Leserbriefen teils begeistert zugestimmt, in denen ich immer wieder penetrant vor den verschiedenen Folgen des neoliberal-blinden Tanzes ums goldene Kalb gewarnt habe: Sozialen Verwerfungen, Zusammenbruch staatlicher Strukturen, anwachsenden (Klima-) Flüchtlingsströmen und am Ende erneut Faschismus und Nazidiktatur. Heute, wo der Klimakollaps und seine Begleiter Krieg, Faschismus und Pandemie den Fuß auch in unsere deutsche Haustür gestellt haben und Wohlstandsabspeckung ansteht, mögen manche meine alarmistischen Verzichtsappelle anscheinend aber nicht mehr hören.

Weil es so bitter wenig ist, was gegen die Klimakrise unternommen wurde, sind alle SubsistenzProjekte und Erfahrungen so wichtig, auch die gescheiterten. Nicht auf das kleinste Mosaiksteinchen einer gelebten Subsistenzpraxis können wir verzichten.

Deshalb dieser Versuch eines maladen alten Träumers, sei er auch eine noch so unrealistische Verzweiflungstat. Ich könnte es mir jedenfalls nicht verzeihen, die Rettung des Subsistenzhofs und seine Überführung in Gemeineigentum nicht wenigstens versucht zu haben.

Falls sich Interessierte melden, egal für welche Art von Unterstützung, würde ich sie an einem Wochenende zu einem ersten Treffen auf dem Hof einladen.

Weil ich nicht Internetaffin bin, bitte ich um Weiterleitung an mögliche andere Interessenten.

(Auf meine Homepage stelle ich weitere Texte und eine kleine Bücherliste zum Thema „Subsistenz“)

VORLÄUFIGES HOFKONZEPT

Der Hof soll einem Kollektiv von engagierten Menschen die materielle Basis dafür bieten, in Subsistenz zu leben und zu arbeiten, sich ohne Angst vor Repressionen politisch und gesellschaftlich für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit einzusetzen, Versuche zur Anpassung beim Landbau an die zukünftigen Dürren und Starkregen durchzuführen und den Armen durch Hilfe zur Selbsthilfe in der kommenden Ernährungskrise beizustehen.

Ich kann nur den Hof mit 5 ha Grün- und Gartenland und 3 ha Wald einbringen, sowie seine Einrichtungen, Maschinen und Geräte und langjährige Erfahrung, mir fehlt aber das erforderliche Startkapital. Für die Errichtung einer Stiftung braucht es daher noch Menschen, welche ihr mit Geld beitreten und Menschen, die mit praktischer Hilfe den weiteren Aufbau des Stiftungshofs unterstützen.

Startkapital braucht es auch deshalb, weil Um- und Ausbauten nötig sind, um Wohnraum für 5, 6 oder 7 Leute zu schaffen, um Geräte und Wirtschaftsgebäude instandzusetzen oder neu zu errichten. Auch muss ein Teil des Grünlands weiter nach dem Agroforstsystem ausgerichtet und mit Obstbaumreihen, Gehölzstreifen und Hecken bepflanzt werden, damit dazwischen in den kommenden Dürreperioden Gartenbau oder Feldwirtschaft betrieben werden kann. Gleichzeitig müssen die Fruchtbarkeit und die Wasserspeicherfähigkeit der Böden mit Kompost oder Gebüschkompost verbessert werden.

Es sind also erhebliche Vorleistungen nötig, bis der „Stiftungshof“ eine ausreichende materielle Grundlage bietet, um einem Kollektiv neben der Sicherung seiner Existenz die Erfüllung seiner gesellschaftlichen und politischen Aufgaben zu ermöglichen.

Deshalb will ich das Projekt in einem ersten Schritt an Klimaschutz und Klimagerechtigkeit interessierten Menschen vorstellen und mit ihnen das Konzept diskutieren, um dann heraus zu finden, ob es genügend Mitstifter, Mithelfer und Unterstützer gibt. Wenn das gewährleistet ist, hoffe ich, dass sich nach einem öffentlichen Aufruf engagierte Menschen finden werden, um in dem Projekt zu leben, zu arbeiten und für eine „andere Welt“ zu kämpfen.

Ich schätze, dass ca. 300 000 – 500 000 Euro zusammen kommen müssen, um das Subsistenzprojekt startklar zu machen und für die nächsten Jahre abzusichern. Falls es nicht gelingt, diese Mitstifter zu finden, bliebe noch die Möglichkeit, finanzielle Hilfe bei bestehenden Stiftungen zu suchen oder einer solchen als Unterstiftung beizutreten. Es gibt bereits andere „Subsistenz-Stiftungen“, so die „Stiftung für dissidente Subsistenz“ in Berlin, die bereits einen Hof unterstützt. Es kämen vielleicht aber auch andere Stiftungen in Frage, wie z.B. die E.F. Schumacher-Stiftung.

Die Stiftung bestände aus einem „Stiftungsrat“, welcher die Einhaltung der im Konzept festgelegten Prinzipien überwacht und der Hofgemeinschaft, welche innerhalb dieses „Subsistenz-

Rahmens“ autonom handelt und Entscheidungen eigenverantwortlich trifft. Über größere Investitionen soll gemeinsam beraten und im Konsens entschieden werden.

Im „Stiftungsrat“ sollen neben den Stiftern sowohl Personen vertreten sein, die im Landbau als auch solche, die im sozialen Bereich engagiert sind.

Es muss auch gemeinsam festgelegt werden, wieviel Geld und soziale Absicherung neben Wohnen,Essen und gemeinsam genutzter Infrastruktur ( wie mein 23 Jahre alter Kleinwagen) Mitglieder der Hofgemeinschaft benötigen.

Wie das im Einzelnen aussehen kann, darüber wird es sicher noch einiges Nachdenken und Diskussionen brauchen, vor allem auch mit einer zukünftigen Hofgemeinschaft.

In der „Aufbauzeit „ wird sie sicherlich noch nicht ganz aus der eigenen Arbeit leben und nicht alle Kosten tragen können, also auch zum Lebensunterhalt noch auf Unterstützer angewiesen sein.

Die politischen, gesellschaftlichen und gemeinnützigen Aktivitäten werden durch das Stiftungsvermögen „ gesponsert“ werden müssen, soweit sie die Hoferträge überschreiten.

Konkret stelle ich mir den Aufbau und die Arbeit in der Stiftung ungefähr so vor:

Wohnraum:

Ich bewohne zur Zeit die Fachwerkhaushälfte alleine. In der Vergangenheit haben wir zeitweise zu fünft darin gewohnt. Damit das wieder möglich ist, stelle ich mir vor, dass in der Straßenscheune ein kleines „Apartment“ – behindertengerecht- gebaut wird, in welches ich umziehe. Der Großteil dieser Scheune mit Kornkammer, Kornmühle etc, stände weiter dem Hof zur Verfügung. Der Ausbau sollte möglichst mit gebrauchten und entsorgten Baumaterialien oder vorhandenen Brettern und Bauholz aus Käferbäumen durchgeführt werden.

Am Wohnhaus sind Reparaturen und verbesserte Dämmung erforderlich und es nähert sich der Zeitpunkt, dass die 24 Jahre alte Holzgasheizung ersetzt werden muss.

Land- und Gartenbau:

Auf dem gut 1ha großen Hofgrundstück ist mit Obstbäumen ,Hecken und einem Gehölzstreifen das Agroforstsystem bereits weitgehend verwirklicht und muss nur noch ergänzt werden. Der Gemüsegarten und ein kleines Kartoffelfeld können schon heute zu einem Großteil zur Ernährung einer Hofgemeinschaft beitragen.

Es sind bereits erfolgreich Versuche in den Dürresommern mit Kartoffeln unter einer Mulchschicht durchgeführt worden. Im Augenblick haben wir ein Stück Wiese mit einer Schicht Schafwolle bedeckt, die wiederum mit altem Heu abgedeckt ist. Mit dieser Flächenkompostierung hoffen wir, ohne Einsatz großer Maschinen guten Gartenboden zu erzeugen.

Auf dem Grünland „ Langes Stück“und „Lingemich“ müssen aber viele (weitere) Baumreihen, Hecken und Gehölzstreifen gepflanzt werden, die erst in Jahren die Hitzeresistenz für die Gärten und Felder dazwischen nach und nach entfalten werden.

Auch die Böden müssen verbessert werden, was ihre Fruchtbarkeit und die Fähigkeit betrifft, Wasser zu halten. Da der kompostierte Stallmist der in Zukunft wenigeren Tiere dafür nicht ausreichen wird, wird mit unterschiedlichen Methoden Kompost erzeugt werden müssen.

Dabei sticht vor allem der Gebüschkompost nach der Methode Jean Pain hervor, für den das Ausgangsmaterial Holzhäcksel beim Agroforst jährlich in große Mengen anfällt und der sich beim Gemüseanbau in Trockenregionen in Südeuropa bewährt hat. Der dazu erforderliche Spezialhäcksler ist vorhanden.

Mit der Ausweitung des Gartenbaues müssen die beiden kleinen Gewächshäuser durch ein größeres ergänzt und ebenfalls mit entsorgten Fenstern und Gebrauchtmaterialien errichtet werden.

Zu den politischen Aufgaben gehört es z.B , die Stadt Bergneustadt davon zu überzeugen, die Küchenabfälle nicht länger der Abfallindustrie zu überlassen, die mit hohem CO 2 Fußabdruck minderwertigen, belasteten Kompost herstellt, der zu einem großen Teil in der Leverkusener Müllverbrennungsanlage verbrannt wird. Stattdessen sollen die Bioabfälle in einer städtischen Anlage sorgfältig kompostiert werden, damit der Dünger demnächst in der sich verschärfenden (Welt) Ernährungskrise Klein- und Gemeinschaftsgärtnern zur Verfügung gestellt werden kann.

Konservieren:

Der Gewölbekeller mit Brunnen ist ideal zum Lagern von Kartoffeln und Wintergemüse, ein anderer Keller für Äpfel und Birnen. Es gibt Einrichtungen zum Einmachen und Entsaften auf

einem Holzherd. Der Speicher im Wohnhaus eignet sich gut zum Trocknen von Zwiebeln und Kräutern. Nach dem Brotbacken kann im Backes Obst gedörrt werden. Alles klimaneutral!

Wasser:

Durch den Klimawandel wird Wassermangel in der Vegetationsperiode zu einer Überlebensfrage. Den Gemüsegarten haben wir all die Jahre aus einem 8m tiefen Brunnen bewässert und auch noch die drei Milchkühe getränkt. Seit 2018 versiegt aber der Brunnen in den trockenen Sommern regelmäßig und seit 2 Jahren pumpe ich gar kein Wasser mehr ab, um dem an Trockenstress leidenden alten Obstbaumbestand nicht das Grundwasser wegzupumpen..

Um vom Leitungswasser möglichst unabhängig zu werden, soll zur künftigen Gartenbewässerung an dem großen Dach der Wagenremise ein Rückhalteteich angelegt werden und an allen weiteren Dächern Zisternen und andere Wasserbehälter. Das ist möglich, weil ich mich vor Jahren erfolgreich gegen den Anschluss der Dächer an den Regenwasserkanal gewehrt habe.

Bei der Stadt habe ich angeregt, unterhalb des Dorfs einen großen Teich anzulegen, aus dem die Dorfbewohner ihr Gießwasser entnehmen können, wenn die Nutzung des Trinkwassers demnächst verboten werden muss.

Viehhaltung;

Wird zu Gunsten von Gemüse und Feldfrüchten reduziert: Robustrinder , Schafe und Ziegen nur auf artenreichem Magergrünland, Milchverarbeitung nur noch für Eigenbedarf, 2 Schweine, die mit Küchenabfällen und Gemüseresten gefüttert werden, ca. 30 Hühner und Enten, die nur Körner brauchen und sich sonst von Abfällen und der Hofwiese ernähren, vielleicht ein Pferd, welches auch Arbeiten verrichten kann.

Wenn sich eine feste Hofgemeinschaft gebildet hat, könnten im vorhandenen kleinen Kuhstall zwei Milchkühe gehalten werden, um die Gemeinschaft und Unterstützer mit Milchprodukten zu versorgen. Melkanlage, Milchküche und die entsprechenden Geräte ( Zentrifuge etc.) sind vorhanden.

Handwerkliche Verarbeitung:

Backen – Milchprodukte – Einkochen – Apfelsaft – Säuern – Dörren/ Trocknen – Schafwolle Spinnen/ Filzen (?) ,Holzverarbeitung

Maschinen:

Zwei kleine Traktoren (Güldner Bauj. 1968, 38 PS und IHC , 87 , Allrad, 50 PS) sind vorhanden und zahlreiche Maschinen für Heu, Feld und Wald ungefähr gleichen Alters. Beim Gartenbau herrscht Handarbeit, nur in geringfügigem Maß werden Kleingeräte eingesetzt, alles ist reparierbar, oft in eigener Werkstatt.

Dazu hier ein Verweis auf E.F. Schumachers Forderung nach „ mittlerer Technik“, die vom Menschen noch beherrschbar ist und sein visionäres „Kultbuch“ von 1973 : „Small is beautiful – Rückkehr zum menschlichen Maß„ ,2013 neu aufgelegt mit einem Vorwort von Niko Paech.

Tausch und Verwendung gebrauchter Materialien:

Holz- und Metallwerkstatt und andere Einrichtungen wie das Backhaus werden Interessierten ( auch Jugendlichen) kostenlos zur Verfügung gestellt, ebenso andere Geräte. Grundsätzlich werden, wo immer möglich, keine neuen Industrieprodukte gekauft, sondern gebrauchte verwendet, mit anderen geteilt und so lange wie möglich erhalten.

Gebraucht vor neu gilt auch für alle Arten von Baustoffen.

Hilfe und Hilfe zur Selbsthilfe für Arme:

Abgabe überschüssiger Lebensmittel zu kleinem Preis oder umsonst an Bedürftige.

Hilfe zur Selbsthilfe bei der Anlage privater oder Gemeinschaftsgärten mit Hofgeräten und durch Anleitung. Beistand gegenüber Behörden, Vermietern, Verpächtern, usw.

Politische Arbeit – Widerstand;

Durch die Stiftung ist die Hofgemeinschaft unabhängig von Arbeitgebern in Gewerbe oder Behörden. Diese Freiheit ermöglicht eine Beteiligung an politischen Protesten wie z. B. Blockaden gegen Klima zerstörende Anlagen und Verhaltensweisen oder auch bei einer in der Zukunft erforderlichen Beschaffung (bzw. Besetzung) von Gartenland für landlose Arme. Der Hof soll auch für Menschen eine Zuflucht bieten können, die auf Grund von gewaltlosem Widerstand verfolgt und bestraft werden.

Kinder, behinderte und ausgegrenzte Menschen:

Kinder haben grundsätzlich weiter freien Zugang zum Hof, seinen Tieren und Einrichtungen. Auch für Führungen von Schulklassen und Kindergärten wird kein Geld genommen, um die ansonsten herrschende Ungleichheit und die Stigmatisierung der Armen zu vermeiden. Deshalb müssen auch behinderte Menschen gleichberechtigt zum Kollektiv gehören können, wenn sie sich für Klimaschutz und Gerechtigkeit engagieren.

Kultur:

Für Konzerte, Lesungen oder andere Feiern steht die Wiese „Thomas -Müntzer-Arena“ mit der „Subsistenzbühne“ zur Verfügung. Grundsätzlich gilt: Eintritt frei.

Der Subsistenzhof mit seiner lokalen Verankerung strebt nicht nach Vergrößerung , sondern gibt Anstöße für die Gründung von weiteren, mit denen er sich vernetzen kann und gemeinsam mit Unterstützern eine gegenseitige Hilfs- und Schutzgemeinschaft bilden, um den zukünftigen Gefahren durch chaotische gesellschaftliche Zusammenbrüche und dem aufkommenden neu/alten Faschismus trotzen zu können.

Hinter dem allem steht natürlich der Traum von der „ anderen Welt“, aber einer mit offenen Augen vor den inzwischen unabwendbaren Zukunftsgefahren. Weil er verankert ist in unserer lebensgefährlichen Realität, lässt er sich ins echte Leben umsetzen, wenn auch immer wieder mühsam und mal mehr, mal weniger. Deshalb kann er im Unterschied zu den vielen theoretischen Konzepten wirklich „ handgreifliche“ Hoffnung vermitteln und die Zuversicht, dass wir nicht verdammt dazu

sind, in den drohenden Zusammenbrüchen mit ins Bodenlose abzustürzen. Sondern dass es in all dem kommenden Chaos immer noch möglich ist, gemeinsam mit warmherzigen, empathischen Menschen ein schönes Leben zu führen, wenn auch weitgehend ohne die gewohnte Konsumismus – “Schönheit“. Das dies mit Weniger möglich ist, haben wir ja ausprobiert. waren wir doch nicht

unglücklicher als die meisten und hatten sicher mehr Spaß als viele „Bessergestellte.“

Dazu zum Schluss noch ein Mut machendes Zitat aus dem Buch „ Wie alles zusammenbrechen kann“ der französischen „Kollapsologie“-Wissenschaftler Pablo Servigne und Raphael Stevens:

„Die Wege, die wir heute einschlagen müssen – denn es gibt sie – sind bisher kaum vollständig ausgelotet, und sie beinhalten eine radikale Lebensveränderung, ein weniger komplexes Leben,

kleiner, bescheidener, gut abgeschottet an den Grenzen und Begrenzungen des Lebendigen. Der Zusammenbruch ist nicht das Ende, sondern der Beginn unserer Zukunft.

Wir werden die Mittel, Feste zu feiern, erneut erfinden; die Mittel, der Welt und sich selbst gegenüber gegenwärtig zu sein, gegenüber den anderen und den uns umgebenden Lebewesen. Das Ende der Welt? Das wäre zu einfach, der Planet bleibt ja, sprühend vor Leben. Wir müssen Verantwortlichkeiten übernehmen und unsere Zukunft gestalten. Es wird Zeit, ins Erwachsenenalter überzutreten.“

Kollektiver Blindflug Richtung Klimakatastrophe

An den
Stadtrat von Bergneustadt

Einwendungen und Bedenken zum BP Nr. 66 Wiedenest Süd

Der vorliegende BP-Entwurf verstößt grob gegen das Gebot, die verschiedenen Belange in angemessener und gerechter Weise gegeneinander abzuwägen.

Der größte Mangel liegt in einer unbegreiflichen Ignoranz gegenüber der existentiellen Herausforderung durch die Klimaerhitzung und das Artensterben. Beide Bedrohungen werden sogar verschärft, statt auch im Rahmen der Bauleitplanung Klimaschutz und Artenschutz den gebührenden Vorrang einzuräumen.

Kein Bedarf

Für Bergneustadts Einwohner gibt es keinen Bedarf für ein „neues attraktives Wohngebiet“. Es gibt für sie im Stadtgebiet genügend bereits erschlossene Baugrundstücke in allen Preissegmenten. Die vorgesehene Bebauung der Baulücken in der Bahnhofstraße oder Am Laubberg vergrößert ja das Angebot noch Flächen- und Ressourcen schonend.

Die geplante Einfamilienhaussiedlung im Stil der 60er und 70er Jahre richtet sich erklärtermaßen ja auch nicht an Bergneustädter oder Oberberger, sie soll vielmehr Einkommens-starke Neubürger aus den Ballungszentren Köln/ Ruhrgebiet anlocken. Sie ist also in erster Linie keine Antwort auf ein bestehendes städtebauliches Problem, sondern soll das Steueraufkommen der Stadt erhöhen. Hier soll folglich ökologisch wertvolles Grünland für die Hoffnung vernichtet werden, damit das Problem der extremen Unterfinanzierung der Kommunen zu lindern. Das hat aber im Kern mit der Bauleitplanung nichts zu tun und muss folglich auch auf anderer Ebene politisch angegangen und gelöst werden.

Prinzip Hoffnung

Es spricht zudem mehr dagegen als dafür, dass das Anlocken der Steuerzahlenden „Goldesel“ überhaupt gelingen kann. Dafür ist die Lage des Wohngebiets nicht „attraktiv“ genug. Es fehlt die Fernsicht übers Bergische und die direkte Nachbarschaft zum Industriegebiet Am Schlöten schreckt sicher ab. Hinzu kommt, dass die Autobahn umständlicher zu erreichen ist, als bei den meisten anderen Kommunen, die um dieselbe Klientel werben. Weil die A45 wegen der maroden Brücken für Jahrzehnte durch Baustellen massiv beeinträchtigt sein wird, wird sich ohnehin keiner ansiedeln, der im Kohlenpott seinen Job hat. Bei der A4 ist mit Verzögerung ähnliches zu befürchten.

Den schweren, irreversiblen Schäden steht also kein realistisch zu erwartender nennenswerter Nutzen gegenüber.

Zukünftiges Leerstandsproblem:

Die Einwohnerzahl Bergneustadts wird wie die Oberbergs nach der Prognose bis 2040 um ca 10 % zurückgehen. Dem soll die Neubausiedlung angeblich entgegenwirken.

Es werden also demnächst sicher mehr als 500 Wohnungen aller Segmente leerstehen. Da reiche Mitbürger wie alle anderen sterben, werden auch immer wieder „attraktive“ Einfamilienhäuser von Besserverdienenden zum Verkauf angeboten werden, also auch ohne Neubausiedlung genug „attraktive Lockmittel“ für die erwünschten „Einwanderer“ vorhanden sein.

Falls die aber ausbleiben oder Einheimische die Grundstücke kaufen, hätte sich am Bevölkerungsrückgang nichts geändert, das Leerstandsproblem mit all seinen negativen Folgen hätte man aller-dings noch vergrößert.

Zudem geht die Einfamilienhaussiedlung in Randlage am Bedarf der Bergneustädter vorbei. Wegen des wachsenden Anteils der über 80jährigen fehlt es an Wohnanlagen im Zentrum, von denen aus fußläufig Geschäfte, Ärzte etc. erreichbar sind. Wegen der Hanglage ist die Siedlung für Menschen mit eingeschränkter Mobilität ohnehin ungeeignet.

Statt Neubau: Wohnraum schaffen im Bestand

Weil in Deutschland neben dem Verkehrssektor auch bei den Gebäuden die verbindlichen Klimaziele bislang verfehlt werden, hat bei der Stadtplanung im wissenschaftlichen Bereich längst ein Umdenken eingesetzt: Weg vom Neubau, hin zur Schaffung und Erhaltung von Wohnraum im Bestand. So wird der Flächenverbrauch minimiert und vor allem werden gegenüber dem Neubau die unvermeidlichen Klimaschädlichen Emissionen deutlich gesenkt. Dabei fällt allein die Einspa-rung von Zement wegen dessen extrem energiefressender Produktion erheblich ins Gewicht.

Ich empfehle zu diesem Thema den Artikel der OVZ/ Kölnische Rundschau vom 27.4.24 „Müssen wir das Thema Wohnen neu denken?“ Der Präsident des Bundesumweltamts erklärt darin im Hinblick darauf, dass im Gebäudesektor immense 40% der Treibhausgas-Emissionen anfallen: „Wir müssen unsere Art zu bauen, wirklich ganz neu denken… Generell plädieren wir dafür, sparsam beim Neubau zu sein und stattdessen den Blick stärker auf die Weiterentwicklung des Bestands zu richten, auch bei der Beschaffung neuen Wohnraums“

Massive Schädigungen des Klimas

Das geplante Neubaugebiet auf der Hangwiese schädigt das Klima in mehrfacher Hinsicht.

Durch die Baustoffe, Transporte, die Bautätigkeit usw. werden in der Summe enorme Mengen von Treibhausgasen freigesetzt, die irreversibel das Klima weiter aufheizen werden und durch nichts kompensiert oder ausgeglichen werden können. Die sog, Ausgleichsmaßnahmen sind reine Augenwischerei.

Hinzu kommt ein weiterer gravierender Klimaschaden dadurch, dass durch die Versiegelung und Verdichtung der Boden als CO2 Senke ausfällt. Ein gesunder Grünlandboden kann mehr Kohlenstoff einlagern als der von Feldern oder Wald, noch mehr schaffen nur Moore, die deshalb mit großem Aufwand wieder vernässt werden sollen. Das ist ein Grund dafür, dass Grünland europaweit geschützt ist und nicht umgebrochen werden darf.

Im Umweltbericht zum BP 66 spielt dieser Klimaschaden aber überhaupt keine Rolle, er wird noch nicht einmal erwähnt!

Überhaupt scheint für die Planer die Erderhitzung ein zu vernachlässigendes Randproblem zu sein. Die eindringlichen Warnungen aus der Wissenschaft, beim augenblicklichen Weiterso laufe es auf eine dystopische, 3 Grad (!) wärmere Welt zu, finden offensichtlich bei den Planern keinerlei Gehör, ebensowenig wie die verzweifelten Appelle des UNO-Generalsekretärs, dass die Menschheit dabei sei, „kollektiven Selbstmord“ zu begehen.

Dreimal ist zwar von „Klimaanpassung“ die Rede, dabei geht es aber um Petitessen wie die Begrünung von Garagendächern oder die angeblich „geringe“ Versiegelung des Bodens bei der Geschossflächenzahl von 0,3 .

Der Begriff „Klimawandel“ taucht einmal im Zusammenhang mit dem „Heukelbach-Gelände“ auf: Das Planvorhaben habe „keine Auswirkungen auf den Klimawandel“. Es schafft aber in Wahrheit die Rechtsgrundlage für den Abriss und Neubau eines großen Gebäudekomplexes, was natürlich einschließlich der Bauschuttentsorgung mit einem enormen Klimaschaden verbunden ist. Im sog „Umweltbericht“ heißt es zum anderen, Auswirkungen auf den Klimawandel sei der Planung auf Grund ihrer Größe abzusprechen. Diese unglaubliche Falschaussage geht über die üblichen Verharmlosungen hinaus und grenzt nach meiner Auffassung an die Leugnung des Menschen gemachten Klimawandels.

Zerstörung Artenreichen Grünlands

Die zu Bebauung freigegebene Wiese wird extensiv bewirtschaftet; nicht 4 oder 5 mal gemäht und gegüllt, sondern 2 mal gemäht und einmal gedüngt. Daher ist sie gegenüber dem zumeist intensiv bewirtschafteten Grünland mit 4 oder 5 Schnitten artenreich, vor allem aber kommen wegen der späten Mahd überhaupt Gräser und Kräuter zum Blühen und können Insekten ernähren, deren Zahl auf Grund der intensiven Bewirtschaftung insgesamt bereits um mehr als 60 % (!) zurückgegangen ist. Dieser wichtige Artenschutzbelang bleibt ebenfalls unerwähnt.

Zukünftige Ernährungskrise

Nahezu alle Wissenschaftler der verschiedenen Disziplinen sind sich darin einig, dass der Klimawandel vor allem durch Dürren und Starkregenfluten weltweit zunehmend landwirt-schaftliche Flächen zerstören wird und dass auf den verbliebenen die Erträge sinken. Mit weltweit dramatischen sozialen und politischen Folgen wie Hungersnöte, Kriege, Flucht, Terrorismus.

Hydrologen sagen auch für Deutschland voraus, dass in naher Zukunft 30 bis 40 % der Acker-flächen ohne Bewässerung nicht mehr bewirtschaftet werden können, dass aber das erforderliche Wasser nicht zur Verfügung stehen werde. Allein aus Gründen der zukünftigen Ernährungssouveränität muss daher die Wiese als landwirtschaftliche Fläche erhalten bleiben.

Anregung:

Nach alledem rege ich an, das Neubaugebiet auf der Wiese komplett aufzugeben und diese weiterhin als landwirtschaftliche Fläche zu erhalten und auszuweisen. Die Stadt sollte sich stattdessen dafür einsetzen, dass sie in ein Schutzprogramm für extensives Weideland aufgenommen und im Sinne des Klimaschutzes weiter verbessert wird.

Insgesamt ist festzustellen, dass dieser Plan die Erderhitzung und ihre existentiell bedrohlichen Folgen für die Menschheit fast völlig ausblendet; er ist in einem erschreckenden Maße aus der Zeit gefallen und ignoriert die dringenden Erfordernisse des Klimaschutzes. Stattdessen wird der Klimawandel weiter angeheizt, ohne dass irgendein nennenswerter realistischer Nutzen für die Allgemeinheit dem entgegengestellt werden kann. Damit ist die Abwägung in mehrfacher Hinsicht grob fehlerhaft und der Plan in dieser Form rechtswidrig.

Er verstößt auch gegen das „Klima-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts von 2021, welches in dem mangelhaften Klimaschutz der damaligen Bundesregierung einen Verstoß gegen die Freiheits- und Menschenrechte der kommenden Generation erkannte und sie zu deutlichen Verbesserungen bei Klimaschutz verpflichtete.

In dem neuen sensationellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat dieser die Schweiz wegen des unzureichenden Klimaschutzes verurteilt, weil sie damit die Menschen-rechte auf Gesundheit und Leben der klagenden „Klimaseniorinnen“ verletze. Dieses Urteil, so die Juristen, sei bindend und gelte auch für alle anderen europäischen Regierungen und also auch für Länder und Kommunen in Deutschland.

Den Stadtrat kann niemand zwingen, das Urteil zu befolgen oder auch nur auf Argumente einzu-gehen und die drohende Klimakatastrophe ernst zu nehmen.

Aber die Gerichte werden dieses Urteil unbedingt befolgen und für das OVG Münster wird es ganz sicher die Messlatte für die Beurteilung des BP 66 Wiedenest der Stadt Bergneustadt sein, falls es mit diesem befasst werden sollte.

 

Leserbrief zu den Artikeln zum Schusswaffeneinsatz der Polizei gegen einen aggressiven Ladendieb

Was die Verhältnismäßigkeit des Vorgehens der Polizei angeht, habe ich große Zweifel, ohne die genauen Abläufe zu kennen. Ich gehe davon aus, dass es bei dem Einsatz nur darum ging, die Personalien eines Ladendiebes festzustellen, damit ein entsprechendes Strafverfahren wegen des Diebstahls von Bierdosen und vielleicht noch weiterer Delikte wie Beleidigung eingeleitet werden kann. Da dieser sich verweigerte und immer erregter und aggressiver reagierte, hätte die Polizei auch deeskalieren und den anscheinend unter Drogen oder Alkohol stehenden Mann zunächst einmal laufen lassen können. Mit Hilfe von Fotos wäre es sicher auch später leicht möglich gewesen, dessen Identität festzustellen. Daher erscheint mir der massive Einsatz und gar die für unbeteiligte Menschen lebensgefährliche Schießerei in der Einkaufszone natürlich völlig unverhältnismäßig zu sein.

Was mich aber wirklich auf die Palme bringt, ist eine andere Unverhältnismäßigkeit: Nämlich die Ungleichbehandlung unterschiedlicher Gruppen von Dieben.

Da gibt es doch hierzulande Diebesbanden, die mit sehr hoher krimineller Energie Gelder in Milliardenhöhe stehlen und zwar nicht von Kaufhauskonzernen, sondern vom Staat, also von uns allen. Sie bilden Parallelgesellschaften und schotten sich in der Regel in Villenvierteln ab, sogenannten „Gatet Communities“. Wenn überhaupt, werden sie nur sehr lasch von Polizei und Justiz verfolgt, schon gar nicht mit Einsatz von Schusswaffen wie beim Gummersbacher Bierdosendieb. Im Gegenteil: Sie pflegen beste Kontakte zu den Mächtigen aus Politik und Wirtschaft. Ein überführter Hamburger Millionendieb, ein Bankster aus der sogenannten Cum-Ex- Bande namens Olearius, durfte seine Beute nach Gesprächen mit dem Bürgermeister sogar behalten, mehr als 40 Millionen Euro! Da könnten sämtliche Ladendiebe Deutschlands jahrelang täglich so viele Bierdosen klauen wie sie wegtragen können, sie brächten es gemeinsam nicht annähernd auf eine solche Schadenssumme. Aber tausende von ihnen sitzen im Knast.

Diese Unverhältnismäßigkeit ist für mich deshalb so unerträglich, weil sie nicht nur krass ungerecht ist, sondern durch die extreme Ungleichbehandlung die Grundfesten des Rechtsstaats ruiniert. Das findet auch eine Kölner Oberstaatsanwältin, die über Jahre versuchte, u.a. auch den Hamburger Bankster hinter Gitter zu bringen. Vergeblich! Jetzt hat sie aufgegeben und gekündigt weil sie es nicht länger ertragen könne, dass man „die Kleinen hängt und die Großen laufen lässt.“

Welch eine Katastrophe, da wir doch wegen der dramatischen Folgen der Klimakrise und den mit ihr verbundenen sozialen Verwerfungen auf einen funktionierenden Rechtsstaat mehr als je zuvor angewiesen sein werden!

 

Einwohneranregungen

An den
Kreistag des
oberbergischen Kreises,
z.H. Herrn Landrat Hagt Holocaust Gedenktag 27.Januar 2024

EINWOHNERANREGUNGEN

1.

Der Kreistag möge beschließen, dass er sich von der Ehrung des früheren OKD Dr. Friedrich Wilhelm Goldenbogen durch die Waldbröler Straßen „Friedrich Wilhelm Straße“ und „Dr. Goldenbogenstraße“ auf Grund von dessen NS Belastung ( NSDAP, SA, NS-Rechtswahrerbund u.a,)und seiner äußerst großzügigen Förderung des Nazimalers und bekennenden radikalen Antisemiten Werner Peiner in den 50ern distanziert.

2.

Der Kreistag möge beschließen, dass der Landrat wegen der weiteren Verschleppung einer Aufarbeitung der Nachkriegs- NS-Belastung von Kreistag und Verwaltung durch einen unanhängigen, externen Historiker gerügt wird.

Der Kreistag soll nunmehr den Fachausschuss damit beauftragen, mit dem LVR Verbindung aufzunehmen, der mehrere Forschungsprojekte zur NS Kontinuität im LVR durch externe Historiker hat durchführen lassen. Dabei wurde u.a. die schwere NS Belastung des Gründungsdirektors Klausa festgestellt mit der Folge, dass sich die Uni Bonn von seiner Ehrenbürgerschaft und die Uni Düsseldorf von seinem Dr. h. c. distanzierten. Goldenbogen, auch eine mächtige LVR-Person bis 1979 , ist in diesen Forschungsprojekten u.a. als Förderer seines SA- Kameraden Klausa hervorgetreten. Die bereits eingearbeiteten Historiker sollen angefragt und nunmehr auch mit der oberbergischen Aufarbeitung beauftragt werden. Der LVR hat dafür bereits finanzielle Unterstützung in Aussicht gestellt.

Begründung:

Vor mehr als einem Jahr hat der Landrat in einer öffentlichen Veranstaltung mit dem früheren Kreishistoriker Pomykaj zugesagt, endlich einen externen und unabhängigen Historiker mit der Aufarbeitung der NS-Kontinuität in Oberberg zu beauftragen. Bislang ohne Ergebnis.

Nachdem der LVR vor mehr als 10 Jahren endlich Historiker mit seiner NS-Aufarbeitung ( mit dem bekannten erschreckendem Ergebnis) beauftragt hatte, habe ich eine solche auch vom Kreistag verlangt. Lange vergeblich.

Die schließlich durch Pomykaj durchgeführte wies geradezu skandalöse Lücken auf. So hatte er weder Goldenbogens SA-Mitgliedschaft noch die im NS-Rechtswahrerbund feststellen können, obwohl die entsprechenden Dokumente in Goldenbogens Personalakte im Bundesarchiv vorliegen und jedermann, so wie auch ich, Auskunft bekommt und sich sogar Kopien zusenden lassen kann.

Seit dem Massaker der Hamas am 6. Oktober 23 und den antisemitischen Ausschreitungen auf deutschen Straßen ist die Ehrung des schwer NS belasteten Goldenbogen und seiner „Freundschaft fürs Leben“ mit dem glühenden Antisemiten Peiner vollkommen unerträglich. Wer einen solch radikalen Antisemiten über die Maßen fördert, kann nur selber einer sein.

Wenn den Fraktionen des Kreistags diese NS-Belastung des früheren OKD weiterhin so gleich-gültig ist, dass sie sich nicht an dessen Ehrung stören, dann wären ihre Bekundungen auf den Demos gegen den Rechtsradikalismus und die Pläne zur Vertreibung „ nicht-arischer“ (so die Wortwahl vor 45 ) Deutscher in afrikanische Lager beim Brandenburger Geheimtreffen allerdings als pure Heuchelei zu werten. Zumal ja offenbar zwei oberbergische Parteifreundinnen Golden-bogens und des Landrats daran teilgenommen haben.

Als Beteiligter an der NS-Aufarbeitung des LVR habe ich meine Erkenntnisse zu Goldenbogen und der oberbergischen NS Kontinutität aufgeschrieben und auf meine Homepage gestellt.

Ich erlaube mir auch, darauf hinzuweisen, dass ich Opfer von einem widerlichen „Shitstorm“ Rechtsradikaler geworden bin, weil ich auf deren Teilnahme an den sog. „Spaziergängen“ in einem Leserbrief in Gummersbach und Waldbröl hingewiesen hatte.

Keine Institution, keine Partei, keine Kirche ist mir zu Hilfe gekommen gegen unsägliche Hetze und Bedrohungen gegen meine körperliche Unversehrtheit (so das AG Waldbröl). Ich musste mich allein per Zivilklage dagegen zur Wehr setzen. Also wehe dem Nazigegner, der nicht über mein Widerstandspotential verfügt, allein die Gottseidank so großen Demos schützen ihn noch nicht.

 

Leserbrief zum Artikel „Geschichte soll sich nicht wiederholen“ vom 5.2.24

 

Gut, dass auch im ehedem tiefbraunen Waldbröl viele Menschen für Demokratie und gegen Faschismus auf die Straßé gegangen sind. Und dass es mindestens so viele waren wie seinerzeit die von Rechtsradikalen angeführten „Spaziergänge“.

Im Unterschied zu den allermeisten anderen Demos wurde diese nicht von der Zivilgesellschaft, sondern von Institutionen wie Bürgermeisterin, Ratsfraktionen oder Kirche dominiert. Deshalb besteht bei der Waldbröler Demo aber ein Glaubwürdigkeitsproblem:

Ganz in Demo-Nähe gibt es die „Dr. Goldenbogen-Straße“. Goldenbogen, autokratisch regierender OKD bis 79, war u.a. Mitglied in der NSDAP, der SA und dem Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund und hat zeitlebens nicht die Spur von Einsicht oder gar Reue gezeigt. Im Gegenteil: Noch Anfang der 50er förderte er den vom Führer geehrten Blut-und-Boden-Maler Maler Peiner über die Maßen. Es störte ihn nicht, dass dieser „ Freund fürs Leben“ weiterhin offen als radikaler Antisemit auftrat.

„Wir haben nicht vergessen“ so die Bürgermeisterin, “was die Nationalsozialisten den Menschen angetan haben“. Trotzdem kann man, mit dem Holocaust vor Augen, einen offenbar unverbesserlichen SA-Mann und NS-Juristen ehren ?

Der Pfarrer erklärte, dass Waldbröl sich mit seiner Geschichte auseinandergesetzt habe, deshalb „wollen wir nicht noch einmal durch und für Extremismus ausgenutzt werden“. Welch eine erschreckende Geschichtsvergessenheit: Denn sehr viele Waldbröler und evangelische Christen wurden nicht „ausgenutzt“, sondern waren selber glühende Nazis und, angestiftet von Luthers Judenhetze, mörderische Antisemiten.

Dass 2024 immer noch von offizieller Seite eine solche Schuldabwehr und Verleugnung der Verstrickung in den NS möglich ist, das ist die wirkliche Gefahr für die Demokratie. Denn nur eine offene und ehrliche Aufarbeitung aller Beteiligten kann verhindern, dass sich unsere furchtbare deutsche Geschichte wiederholt.

Vor einigen Jahren hatte der Polizeihauptkommissar Jochen Gölitz die Bürgermeisterin aufgefordert, die Strasse wegen der NS Belastung des Geehrten umzubenennen. Sie werde die Anregung an die Fraktionen weiterleiten, war ihre Antwort.

Diese sehen anscheinend auch nach dem 7.10. und antisemitischen Ausschreitungen auf deutschen Straßen immer noch keinen Grund, die Ehrung des mindestens Antisemitismus-affinen Altnazis zu beenden. Ihre Empörung über die AfD hat daher einen sehr schalen Beigeschmack.

Leserbrief zum Artikel „Aktiv in Zeiten des Klimawandels“

Es ist sicher löblich, wenn die Gemeinde Marienheide sich der Gefahren der Klimaerhitzung annimmt. Die „Klimawoche“ hätte aber mit all den gut gemeinten Aktivitäten von Klimaneutralem Kochkurs, Fahrradtour, Repair-Cafe bis zum Müllsammeln und den Expertenvorträgen zu Energie- Verkehrs- und Klimapolitik genauso schon vor 25 Jahren stattfinden können.

So lange schon wiederholt das Wuppertal-Institut mantramäßig seine Warnungen, die nach wie vor an der Realität von Wachstumswirtschaft und Überkonsum abprallen und die heuchlerische Aggerenergie zeigt auf das Potential von Wind- und Sonnenenergie, welches sie selbst leider zugunsten ihrer Profite mit den Fossilen über all die Jahre auch nicht gehoben hat.

Anders als vor 25 Jahren geht es aber nicht mehr um die Verhinderung von Zukunftsgefahren, sondern der weltweite Klimanotstand ist furchtbare Realität und hat in diesem Rekordhitzejahr rund um den Globus derart verheerende Zerstörungen biblischen Ausmaßes ausgelöst, dass die Existenz der Menschheit bedroht ist. Riesige Flächen verbrannter Wälder, wahrhaft sintflutartige Überschwemmungen, schmelzendes Poleis, trocken fallende Flüsse, dramatische Dürren. Folge: Eine Welternährungskrise durch schwindende Ackerböden, Flüchtlingsströme, Verteilungskriege. Uns läuft die Zeit davon.

Dagegen wirkt die „Klimawoche“ – Verzeihung, Herr Meisenberg – wie Hustensaft gegen Lungenkrebs und sie wirkt sogar kontraproduktiv, weil sie die Menschen weiterhin vom echten Klima-schutz ablenkt. Der müsste nämlich damit beginnen, so Ulrike Herrmann in „Das Ende des Kapitalismus“, dass die extremen Verbräuche in den Wohlstandszonen der Welt durch drastische Einsparung und notfalls erzwungenen Verzicht auf mindestens die Hälfte gesenkt werden. Während die untere Einkommenshälfte der deutschen Bevölkerung durchschnittlich 5t CO2 pro Kopf und Jahr ausstosse, seien es bei der unteren Mittelschicht 12 Tonnen und es steige bis zur oberen auf 35 Tonnen, bei den ganz Reichen gehe es durch die Decke. Also besteht auch hier ein Konflikt zwischen arm und reich, es gibt Klima-Opfer und Klima-Täter.

An Letztere will aber weder die Ampelregierung ran, noch die Opposition und also versuchen sie in ihrer Berliner Blase, ihr längst kriminelles Versagen gegenüber den verbindlichen Klimazielen durch Hinweise auf zukünftige technische Wunderwerke zu rechtfertigen, das sichere Endlager für atomaren Müll lässt grüßen. Ein Beispiel für regelrechten Klima-Blackout gab kürzlich der Bundestagsabgeordnete Brodesser, der es schaffte, in einem langen Interview über seine Arbeit den Begriff Klima nicht einmal zu erwähnen.

Auch die Marienheider Kinder, so viel steht fest, werden ihren Eltern demnächst sehr, sehr harte Fragen stellen müssen.

„Watt sachste?“ – Zum Tod meines Freundes Wolfgang Motzkau

Am 19. August 2023 haben wir die Asche meines Freundes Wolfagng Motzkau im Friedwald „Wildenburger Land“ beigesetzt, ganz in der Nähe der letzten Ruhestätte seines früheren Kollegen Kurt Schäfer.

Es gab einiges zu sagen, anlässlich seines Todes. Nie ist mir eine Trauerrede schwerer gefallen.

NACHRUF AUF WOLFGANG MOTZKAU

Wolfgang und ich sind uns zum ersten Mal Mitte der 9oer auf bemerkenswerte Weise begegnet. Es war auf eben der Wiese, auf der er gestorben ist. Ich hatte sie gepachtet und wir waren mit zwei Treckern, ein paar Helfern und einem Schwung Kindern zum Hermachen da. Während ich mit der Ballenpresse über die Schwaden fuhr, sprang plötzlich ein kleiner drahtiger Mann auf die Einstiegsstufe des Treckers und brüllte, um den Lärm von Motor und Presse zu übertönen: „ Ich war das!“ . „Was warst du?“ schrie ich zurück. „Ich war das mit den Schafen. Ich will dir jetzt helfen und das abarbeiten“

Im April hatte ich festgestellt, dass Schafe dort noch geweidet hatten, als es längst nicht mehr erlaubt war, weshalb natürlich Futter fehlte. Aber das freiwillige Geständnis und das „ Wiedergutmachungs-Angebot“ rührten mich. Es brauchte mehrere Fahrten und es dauerte bis zum Abend, bis die 450 Ballen in den Scheunen verstaut waren. Wolfgang half bis zum Schluss. Bevor ich ihn zum Bus nach Bergneustadt brachte, ging er mit mir in der Abenddämmerung noch zum Gießen in den Gemüsegarten, dort lief er hin und her und geriet regelrecht in Begeisterung, lauthals rufend: „Wie bei meiner Oma, wie bei meiner Oma!“

Das war der Beginn unserer lebenslangen Freundschaft, die geprägt war von gegenseitiger Hochachtung, obwohl wir auch immer wieder hart und laut aneinander gerieten. Er hieß fortan bei uns eher liebevoll „Raubschäfer“, auch wegen seines provokanten Spruchs: “Nachts, wenn die Bauern schlafen, gehört das Gras den Schafen“.

Seine Oma und sein Opa waren Flüchtlinge aus Ostpreußen und hatten in Niederseßmar einen kleinen Hof gekauft. Ohne Trecker und ohne Pferd haben die beiden mit äußerst harter Arbeit eine bäuerliche Existenz aufgebaut, Opas Fuhrpark bestand aus einer Schubkarre, mit der er in der Derschlager Genossenschaft seine Ein- und Verkäufe abwickelte. In äußerster Sparsamkeit und als Selbstversorger schafften sie es, jedem der vier Kinder zu einem Baugrundstück und einem Haus zu verhelfen, das von Wolfgangs Mutter liegt direkt neben dem früheren Hof.

Nach der Schule machte Wolfgang eine Schlosserlehre bei der Firma Steinmüller und gab sich zum Entsetzen des strengen Opas dem süßen Leben des entfesselten Konsumismus als Motorradfreak hin. Fast jeden 2. Abend drosch er seine italienische Rennmaschine durch die Gegend und ließ den Opa stehen, der machtlos mit dem Knüppel drohte. Wochenenden verbrachte er mit den Kumpeln bei Rennen oder bei exzessiven Saufgelagen in einer Bretterhütte am Waldrand bei Rebbelroth.

In seinem späteren Leben als Wanderschäfer sah er nicht nur seinen Anteil an der „Freizeit-und Spaßgesellschaft“ extrem kritisch und schämte sich dafür, sondern auch sein Arbeitsleben, produzierte die Firma Steinmüller doch Kessel für Kohle-und Atomkraftwerke.

Die Bundeswehr beendete abrupt seine Easy Rider Freiheit.Mit äußerstem Widerwillen folgte er dem Stellungsbefehl und sabotierte und drückte sich, wo er nur konnte. So habe er z.B. bei Schießübungen die Patronen nach und nach in den Sand gesteckt statt sie abzuschießen und sich so die mühsame abendliche Gewehrreinigung erspart. Vielleicht war das der Grund, warum seine Vorgesetzten und die Bundeswehrärzte seine Klagen, dass er immer schlechter sehen konnte, nicht ernst nahmen. Nach der Entlassung stellte man jedenfalls in der Augenklinik fest, dass die Ursache eine Infektion war, die man nicht rechtzeitig behandelt hatte Unheilbar!

Der Schock muss ungeheuer groß gewesen sein, denn der Absturz war total: Sein Leben als normaler Arbeitnehmer war genauso zu Ende wie seine Motorrad-Freiheit. Man beschäftige ihn mehr pro forma noch ein paar Jahre im Lager und schickte ihn dann in seine kleine Rente.

Als Schwerbehinderter war Wolfgang jetzt für den Rest seines Lebens ein Fall für unser Sozialsystem und dessen Angebote: ein Leben verwaltet von Sozialbürokraten, reglementierte Hilfestellungen durch Sozialarbeiter, die vielleicht eine Behindertenwerkstatt oder betreutes Wohnen für angebracht hielten oder ein Heim, weil er seinen Haushalt nicht ordentlich führen konnte.

Jeder, der Wolfgang ein nur ein bisschen kennt, weiß, dass er hochaggressiv und lautstark auf derartige Zumutungen reagiert hätte. Aus meinen Erfahrungen im SSK, der Sozialistischen Selbsthilfe Köln, weiß ich, dass der Platz für solche unangepassten und angeblich dissozialen Behinderten am Ende häufig die geschlossene Psychiatrie ist. Dort hätte man Wolfsgangs aufbäumende Wutanfälle zwangsläufig mit Neuroleptika ersticken müssen, möglicherweise bis er als gebrochener Mensch im chemischen Nebel den Rest seiner Tage hätte verbringen müssen.

Ich nehme an, um die nun leeren Tage irgendwie herum zu bringen, hat Wolfgang sich einem Wanderschäfer angeschlossen und dabei ist wohl seine Liebe zu diesen Tieren entstanden. Es war aber ein zweifelhafter Lehrmeister, der sich nicht an die Regeln hielt und die Bauern gegen sich aufbrachte, Wild -West Schäfer nannte Wolfgang ihn. Ich glaube, dass die sprichwörtliche Freiheit und Ungebundenheit eines Wanderschäfers zu seinem neuen „Easy Rider-Ideal“ wurde, dafür gab er alles.


Später wechselte er zu seriösen Wanderschäfern, half bei allem mit und lernte in der Praxis alles, was die Pflege, das Futter und vor allem auch, was die Krankheiten betrifft. Er besorgte sich zu den Schafs-Krankheiten Fachliteratur, die er abends mit Hilfe seiner „Glasbausteine“, einer Speziallesebrille mit 5 cm dicken Linsen , mühsam durcharbeitete.In den letzten Jahren konnte ich mehrfach Zeuge werden, wie der gelernte Schlosser z. B. mit einer promovierten Mitarbeiterin einer Tierärztlichen Hochschule auf Augenhöhe über ein Schaf mit dem Sommerekzem diskutierte oder Jahre zuvor am Handy fast eine Stunde lang mit einem Professor über die Blauzungenkrankheit. Deren Erreger war wohl ein von einer Saharamücke eingeschlepptes, dem Immunsystem unserer Schafe unbekanntes Virus. Weil diese Mücke wegen der warmen Winter hier überleben konnte, war die Seuche eine Folge der Klimaerwärmung, darin waren Wolfgang und ich uns einig. „Erst die Schafe, dann der Mensch“, war seine Prognose, die Pandemie hat diese auf drastische Weise bestätigt.

Wolfgang verbarg lange, dass er ein schweres Kindheitstrauma mit sich herumschleppte.Er hatte immer gesagt, dass sein Vater tot sei. Als wir uns bereits viele Jahre kannten, erzählte er aber nach einem Streit, dass dieser in Wahrheit in Ründeroth mit einer anderen Frau lebe.

Er habe seine Schwester und ihn schwer mißhandelt, das Schlimmste sei gewesen, wenn er in den stockdunklen Kohlenkeller eingesperrt worden sei. Die im Nebenhaus lebende Tante sei schließlich zum Jugendamt gegangen, das habe dem zwischenzeitlich verschwundenen Vater das Sorgerecht entzogen und ihr die Pflegschaft übertragen, weil die Messi-Mutter mit der Erziehung wohl überfordert war.

Der Hof von Meggie Lück und mir wurde für Wolfgang zu einem wichtigen Ort für sein weiteres Leben, nicht nur wegen unserer praktischen Zusammenarbeit oder dem Schutz, den ich als erfahrener SSK-Kämpfer Behörden gegenüber leisten konnte, sondern vor allem wegen der Diskussionen und Gespräche über den bedrohlichen Zustand der Welt.

Die hatten nach dem Tschernobylschock 1986 im SSK begonnen und wurden in größerem Kreis auch mit Wissenschaftlern wie der Soziologin Maria Mies oder dem Biologen Peter von Dohlen fortgesetzt.

Wir waren uns einig, dass der beginnende neoliberale Wachstums- und Konsumkapitalismus die biologischen Lebensgrundlagen und die sozialen Strukturen zerstören würde. Es müsse ein Gegenmodell im Sinne der

Subsistenzwirtschaft aufgebaut werden. Eine Wirtschaftsweise, die selbstgenügsam aus sich heraus besteht und mit einfachen Mitteln Kreisläufe schließt. Im Unterschied zu Biohöfen war eine möglichst positive Energiebilanz unsere oberste Maxime.

Erbschaften ermöglichten Meggie und mir den Versuch, das auf einer kleinen heruntergekommenen Hofstelle in Hüngringhausen auszupro-bieren . Gleichzeitig verwirklichten SSK Leute um Klaus Breidenbach und Peter Hahner in Eckenhagen eine Kompostieranlage nach demselben Prinzip.

1990 haben Meggie und ich diese Ideen in einer Broschüre mit dem Titel „Land in Sicht“ aufgeschrieben, in der bereits die Subsistenzperspektive zur Verhinderung der kommenden Klimakatastrophe dargestellt wird. Wolfgang hat die Broschüre sorgfältig mit Hilfe seiner „Glasbausteine“ studiert und hat rückblickend den vorher verhassten Hof von Opa und Oma achten gelernt. Seine Wanderschäferei, ausgestattet mit dem Nötigsten, alles zu Fuß, war ja ebenfalls ein Subsistenzprojekt.

Von unserem Hof gingen auch politische Aktionen aus, an denen er sich beteiligte. So an der Attac-Gruppe, die erfolgreich ein halb kriminelles 200 Mio Dollar Cross-Border-Leasing Geschäft des Aggerverbands mit 52 Kläranlagen verhindern konnte. Oder am „Netzwerk Gentechnikfreies Oberberg“. Er war dabei, als wir mit mehreren Treckern zwei Tage lang mit anderen Initiativen vor den Kölner Messehallen gegen die erste Konferenz internationaler, zumeist Monsanto-Gentechniker in Europa demonstrierten. Oder wenn wir hier in Oberberg mit dem Trecker und dem Attac-Anhänger Ostermärsche oder andere Demos begleiteten.

Wolfgang war stets bestens informiert über die bedrohliche Lage der Menschheit was Klimaerhitzung, Artensterben und die heraufziehende Welternährungskrise betrifft. Er hatte die Zusammenhänge besser verstanden als die Mehrheit meiner akademisch gebildeten Bekannten und Freunde. Nachts hörte er auf WDR 5 die Wiederholungen der Wissenschaftssendungen und mindestens alle 2 Tage tauschten wir unsere Informationen zu den zunehmenden Dürren, Stürmen und Starkregenereignissen aus und verzweifelten mehr und mehr an der kriminellen Ignoranz von Politik, Wirtschaft und Konsumenten.

Dass wir auf der „Highway zur Hölle sind, mit dem Bleifuß auf dem Gas“, so der UNO-Generalsekretär, scheint kaum einen zu interessieren, aber für mich mit dem weiter sterbenden Wald und dem austrocknenden Gemüsegarten ist es zunehmend bedrohliche Realität. Erst recht für den halb-blinden Wanderschäfer, der auf die kleinen Bäche in den Siefen angewiesen ist, die inzwischen regelmäßig austrocknen, wie ja auch die Weiden. Seit der Wald an den Berghängen verschwunden ist, könne man es auf seiner Grünfläche an der Agger an den Hitzetagen nicht mehr aushalten, so Wolfgang. Kasimir traf ihn klitschnass an, weil er sich zum Abkühlen mit allen Klamotten einfach in die Agger gelegt hatte.

Große Sorgen machte er sich auch wegen des anwachsenden Rechtsradikalismus, der durch die heraufziehende Wirtschafts- und Ernährungkrise weiteren Zulauf bekommen würde.

Auch das war für ihn längst keine abstrakte Zukunftsbedrohung, sondern eine ständige gegenwärtige Gefahr. Immer wieder wurde er in den letzten Jahren als sehbehinderter Mensch Opfer von rassistischen Beleidigungen und Bedrohungen. Vor allem dann, wenn er abends nach der Arbeit mit den Schafen, manchmal mit beschmutzter Arbeitskleidung und nach Schaf riechend, auf den Bus warten musste: Penner, Spasti, Zecke usw.

Bei den verbalen Angriffen blieb es nicht. In den letzten Jahren wurden einmal ein Viehanhänger und einmal ein Schuppen abgeflämmt, einmal wurde ein Hochsitz,den er benutzen durfte,mit samt seiner Habe vandalistisch zerstört und verwüstet. Anzeigen blieben ergebnislos, obwohl einmal die Freundinnen der Jugendgang namhaft gemacht werden konnten.

Hätte es solche Brandstiftungen etwa bei dem Gartenhaus des Landrats oder von anderen Angehörigen der Oberschicht gegeben, dann wäre die Polizei natürlich mit einem ganz anderen Ermittlungsaufwand vorgegangen und hätte im Fall der Hochsitzzerstörung mit Sicherheit die Bande geschnappt. Und Wolfgang somit zukünftige Überbegriffe erspart.

Polizei und Behörden verfuhren immer nach demselben Muster, wie bei einem Übergriff des Hausmeisters der Theodor Heuss Stiftung: Der schmiss Rasenschnitt einfach über den Zaun auf Wolfgangs Schafweide, woraufhin ein Schaf an einer Kolik elendiglich verreckte. Trotz wüten-dem Protest von Wolfgang geschah das ein zweites Mal. Als auch das zweite Muttertier trotz seiner Rettungsversuche verendete, rannte er vor Wut und Verzweiflung schreiend auf der Weide hin und her, wüste Drohungen gegen den Hausmeister ausstoßend. Wolfgang wurde deshalb bestraft, der Tierquäler und Schafmörder blieb unbehelligt.

Es häuften sich derartige Vorfälle und es sammelten sich bei den Behörden Aktenvorgänge im Zusammenhang mit dem Schäfer. Häufig ging es darum, dass Angehörige der „ Freizeit und Spaßgesellschaft“ ihre Hunde frei laufen ließen, die dann in Wolfgangs Herde einfielen und Schafe hetzten oder verletzten. Die Folge derartiger Übergriffe war nicht etwa eine bessere Durchsetzung der Rechte des sehbehinderten Schäfers durch Polizei und Behörden, sondern die Vorladung eines Psychiaters vom Gesundheitsamt.  


Dies hätte der Beginn einer Karriere als Psychiatriepatient sein können, in der Wolfgang vermutlich immer wieder oder für lange Zeit wegen seiner Aufsässigkeit in der Geschlossenen gelandet wäre.

In diesem Fall reichte meine Begleitung, welche dem Psychiater die harten Auseinandersetzungen des SSK mit der Anstaltspsychiatrie in Erinnerung rief, um von Wolfgang abzulassen.

Den Versuch eines Anwalts, Wolfgang einen Vermögenspfleger zu verpassen, konnten wir vor Gericht abwehren.

All diese demütigenden Vorgänge haben Wolfgang aber immer aufs Neue signalisiert, dass er nicht in die Normalgesellschaft gehöre, dass er minderwertig sei und sich mit seinem Platz als Hilfsempfänger abfinden müsse.

Die Normalgesellschaft durfte Wolfgang auch bei einem anderen Vorfall kennenlernen. Im Bus beugte sich ein Mann, der ihm als Bergneustädter Neonazi bekannt war, in Richtung einer dunkelhäutigen Frau vor und schrie sie hochaggressiv an: „ Mach das Handy aus und halt deine verdammte schwarze Fresse!“

Als der Fahrer einschritt, ging er auf diesen los und beschimpfte und bedrohte ihn, weil er solche Untermenschen befördere. Der Fahrer hielt den Bus an und rief die Polizei, welche dann die Personalien des Nazis aufnahm und ihn aus dem Bus entfernte. Als die Beamten die Personalien der gut 10 anderen Fahrgäste wegen Zeugenaussagen aufnehmen wollten, hatten sie alle leider diesen rassistischen Exzess nicht mitbekommen. Soviel zur charakterlichen Behinderung der „deutschen Normalgesellschaft“! Mit Wolfgang verfasste ich seine schriftliche Zeugenaussage für den Staatsschutz, wodurch er als einziger Zeuge neben dem Busfahrer natürlich ein weiteres Mal ins Fadenkreuz der Rassisten und Nazis geriet.

Einige Wochen vor seinem Tod wartete er gegen Mitternacht an der Halte-stelle in Dieringhausen auf den Bus. Er hatte so spät noch hüten müssen, weil die Schafe an dem Hitzetag erst abends zu fressen begannen. Da tauchten wieder 4 Jugendliche auf, die ihn beleidigten und verhöhnten.Als der Bus kam und Wolfgang einsteigen wollte, kam einer und schlug ihm von hinten mit Wucht eine Eisenstange auf den Kopf. Der Busfahrer rief die Polizei, als die eintraf, war die Gang natürlich verschwunden. Mit einer Platzwunde und schweren Kopfschmerzen erschien er am nächsten Tag in Bomig bei den Schafen, Sandra und ihr kleiner Sohn kümmerten sich um die Herde, damit er sich ausruhen konnte. So weit ich weiß, hat Wolfgang seitens der Polizei oder anderen Behörden bis zu seinem Tod nichts mehr davon gehört.

Stellen wir uns vor, es hätte einen derartig brutalen Angriff einer rechten Schlägertruppe auf einen Lokalpolitiker oder irgendeinen hiesigen Promi gegeben: Sofort wäre eine Sonderkommission zusammengestellt worden und hätte wegen versuchtem Mord ermittelt, wochenlang hätten die Medien berichtet, in Leserbriefen hätte man härteres Durchgreifen gefordert, „Oberberg ist bunt, nicht braun“ hätte eine Mahnwache abgehalten usw. ….

Aber nichts dergleichen bei dem unliebsamen, sehbehinderten Schäfer. Es wird ja irgendein Ermittlungsverfahren gegeben haben, aber wohl eher auf der Ebene eines Nullachtfuffzehn-Blechschadens, unter ferner liefen.

Deutlicher kann der Staat einem Bürger nicht zu verstehen geben, dass er nicht dazu gehört, ausgeschlossen ist aus der normalen Gesellschaft, wert-los,wie menschlicher Müll.

Was für ein Lebensgefühl mag es wohl sein, wenn man wie Wolfgang auf den Bus angewiesen ist und jederzeit bei Tag damit rechnen muss, angepöbelt und beleidigt und bei Dunkelheit zusammengeschlagen zu werden? Und ständig erfährt, dass es die Behörden nicht sonderlich interessiert?

Eine offensichtliche, demütigende Missachtung war es auch, dass er immer wieder um sein Recht kämpfen musste, wonach der Jagdpächter die Wildschwein-Schäden beseitigen und den Futterausfall bezahlen muss. Das war bei seiner Hofwiese auch dieses Jahr der Fall.

Im Frühjahr hatte sich der Jagdpächter bei einem Ortstermin mit dem Ordnungsamt verpflichtet, die Schäden beheben zu lassen. Er hat aber nur einen Teil der aufgewühlten Böden fräsen und walzen lassen, dabei arg-listigerweise keinen Grassamen in die Maschine eingefüllt, so dass kein Futtergras nachwachsen konnte. Danach kamen die Schweine noch zwei-mal, das Ordnungsamt lehnte es aber ab, die neuen Schäden aufzunehmen mit der offensichtlich falschen Begründung, es handle sich um die alten, bereits verhandelten.

Weil die Biostation die artenreiche Wiese fördern wollte, rief ich den Eigentümer an, um eine Unterschrift einzuholen und erfuhr, dass der die Wiese ein paar Tage zuvor dem Jagdpächter verkauft hatte. Da der reiche Dieselhändler ja mit der Wiese nichts anfangen konnte, ging es allein um die Vertreibung des Schäfers. Ohne diese Hofwiese aber hätte Wolfgang seinen Betrieb aufgeben müssen, der Schock war entsprechend groß. Wir fanden aber den rettenden Ausweg: Das landwirtschaftliche Vorkaufsrecht. Da seine Ersparnisse für den Kaufpreis reichten, habe ich für Wolfgang einen Brief an die Landwirtschaftskammer verfasst und das Vorkaufsrecht beansprucht. Wolfgang wäre Eigentümer geworden.

Am Morgen des 12. Juli unterschrieb Wolfgang den Brief; während ich ihn zur Post brachte, packte er sein Bündel, ging zur Wiese, kündigte den Brief unterwegs per Handy bei der LWK an und bekam eine eiskalte Dusche: Er sei mit seinen 7,5 ha vom Vorkaufsrecht ausgeschlossen, das gelte nur für Betriebe mit mehr als 8ha. Weitere Anrufe des geschockten Schäfers wurden mit der Bemerkung quittiert, so sei eben das Gesetz.

Auf der Wiese angekommen, ließ Wolfgang seine Schafe frei und nahm sich das Leben.

Mich erinnert das an eine Treibjagd.

Diese Enttäuschung war nach all den anderen diejenige, die zuviel war. Zum Schluss wurde der sehbehinderte Schäfer also auch noch Opfer eines staatlich geförderten, neoliberalen, mörderischen Wachstumskapitalismus, der unter Verstoß gegen das Gleichbehandlungsprinzip die Kleinbauern verdrängt, damit die Großen noch weiter wachsen können. Dabei hätte er für seine Lebensleistung höchste staatliche Anerkennung verdient (z. B. den Rheinlandtaler des LVR), hat es doch einer unglaublichen geistigen und körperlichen Kraftanstrengung bedurft, damit dieser schwerbehinderte Mensch sich aus der Rolle eines staatlichen Hilfsempfängers befreien, gegen enorme Widerstände einen landwirtschaftlichen Betrieb gründen und eine selbstbestimmte Existenz als Wanderschäfer aufbauen konnte.

Wolfgang war, wie gesagt, besser informiert über die drohenden Menschheitsgefahren durch das Klimadesaster und das Artensterben als viele meiner akademisch gebildeten Freunde und Bekannten. Er hatte die ökologischen Zusammenhänge unserer natürlichen Lebensgrundlagen verstanden und erlebte deren fortschreitende Zerstörung ja auch hautnah. Wir teilten ähnlich radikale politische Positionen, Wolfgang die härtere.

Einig waren wir uns aber darin, dass gegenüber dem WeiterSo der Regierung beim grün lackierten Wachstumskapitalismus und dem kriminellen Überkonsum der Wohlhabenden und Reichen Widerstand berechtigt und notwendig sei: Auch radikaler noch als der, den die verzweifelten, tapferen Menschen der Letzten Generation leisten.

Einige Wissenschaftler vergleichen seit langem die fortschreitende Schädigung der Atmosphäre mit einem Krieg gegen das Klima, welches immer härter zurückschlagen werde. So gesehen führt der reiche Teil der Menschheit einen Völker- und Menschenrechtswidrigen Angriffskrieg gegen unser aller Lebensgrundlagen: Seine Kriegsmarine besteht aus monströsen Kreuzfahrtschiffen, seine Luftwaffe aus abertausend Ferienfliegern, welche gemeinsam mit zahl-losen Verbänden von SUV-Panzern Tag für Tag Zerstörungen anrichten, welche in der Konsequenz einem Atomkrieg nahekommen werden.

Es ist dieser Überkonsumismus den Wolfgang mit dem Begriff „Freizeit-und Spassgesellschaft“ bedachte und deren Vertretern galten regelmäßig seine lautstarken Beschimpfungen.

Einig waren wir uns darin, dass jede wirklich „werteorientierte“ Regierung sofort radikal bei der Produktion und dem Verbrauch von Luxusgütern abrüsten müsste und dass die unsere aber das genaue Gegenteil tut. Und dass jeder Mensch, der guten Willens ist, diesen Kriegs- bzw. Konsum-dienst verweigern müsste. Und so das nicht geschieht, es aus ethischen Gründen geboten wäre , diese Klima- Kriegsmaschine zu blockieren, zu sabotieren und deren Angriffs- Waffen zu zerstören, notfalls auch mit Gewalt.

Oder besser noch: Schwerter zu Pflugscharen zu machen: Die Flieger zum Feuerlöschen umzubauen und den armen Ländern zu schenken, die Kreuzfahrtschiffe enteignen und an die absaufenden Elendsstädte des Südens andocken, wo sie mit ihrer perfekten Infrastruktur einer europäischen Kleinstadt, mit regenerativer Energie betrieben, Krankenhäuser, Schulen und klimagerechte Gewerbebetriebe aufnehmen könnten. Hinsichtlich einer Weiterverwendung der SUVs blieben wir ratlos und kapitulierten angesichts deren kompletter Nutz- und Sinnlosigkeit.

Dass solche Überlegungen Träume bleiben, die an der Realität scheitern, das wussten wir beide. Und regelmäßig machte sich deshalb Verzweiflung breit.

Auch Wolfgang sah die große Gefahr, dass die kommenden Mangellagen und Ernährungskrisen viele unserer Mitbürger in die Arme der Rechts-radikalen mit ihren einfachen „Lösungen“ treiben werde. Bei seinen vielen Gesprächen mit Spaziergängern beim Schafehüten traf er immer öfter auf AfD-Anhänger. Als schlimmer noch empfanden wir beide das rasante Abdriften des gesamten Parteienspektrums nach rechts und dass eine Art Wohlstandsverteidigungsfaschismus in der Festung Europa die Oberhand zu gewinnen scheint.

Düstere Aussichten auch und gerade für Menschen mit Behinderung. Soeben hat Höcke ja mit der Ablehnung der Inklusion, weil behinderte Menschen die „Normalen“ und ihre Einrichtungen stören und schädigen würden, die Tür für die „ Aussonderung der Entarteten“ ,wie es vor 45 hieß, ideologisch wieder geöffnet. Damals haben die Nazis mehr als 200 000 von ihnen als „unnütze Esser“ und „Ballastexistenzen“ vernichtet.

Wolfgang hätte sicher dazu gehört.

Eine Woche nach seinem verzweifelten „Freitod“, der so gar nicht „frei“ war, bin ich mit Casimir zur nächst gelegenen nationalsozialistischen „Euthanasie“- Tötungsanstalt in Hadamar gefahren, die als Gedenkstätte noch vollständig erhalten ist.

Das wirklich Entsetzliche daran ist der Charakter einer mit deutscher Gründlichkeit eingerichteten ganz normalen Handwerksfirma mit optimierten, arbeitsteiligen Abläufen: von der Ankunftshalle für die grauen MAN-Busse mit zulackierten Fenstern, der Registrierung, dem Auskleideraum, der als Dusche getarnten Gaskammer, dem Sektionsraum mit Seziertisch für medizinisch interessante Leichen, dem 20 m langen Gang zu den Verbrennungsöfen, gefliest, damit die Leichen beim dahin Schleifen besser rutschen. Auf einem Foto posiert gut gelaunt die ca 30köpfige Belegschaft, für die es nach einer Eingewöhnungsphase offensichtlich ganz normale Arbeitsplätze waren. In 7 Monaten haben sie 10 270 Menschen vergast und verbrannt, beim 10 000sten hat der „Betriebsleiter“ Bier ausgegeben, um den Erfolg zu feiern. Das Opfer, ein Mann mit Wasserkopf, lag dabei noch auf dem Seziertisch. Das meinte Hannah Arendt wohl mit der „ Banalität des Bösen“.

Auf der Heimfahrt bekam ich Zeilen aus Paul Celans „Todesfuge“ nicht mehr aus dem Kopf:

Der Tod ist ein Meister aus Deutschland, er ruft streicht dunkler die Geigen, dann steigt ihr als Rauch in die Luft, dann habt ihr ein Grab in den Wolken, da liegt man nicht eng…..Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“

Seit meiner 68er Zeit war die Vernichtung sog. „unwerten Lebens“ durch die Nazis und der Kampf im SSK gegen die bis in die 80er anhaltenden Menschenrechtsverletzungen durch Nazigeist und Nazipersonal in der Anstaltspsychiatrie und in den Erziehungsheimen ein großes Thema meines Lebens. Immer noch setze ich mich dafür ein, endlich die ober-bergischen Krankenmorde und Zwangssterilisierungen aufzuklären und die Täter zu benennen.

Aber gerade Wolfgangs Leben und Wolfgangs Tod nähren in mir die lähmende Befürchtung, dass die monströsen Menschheitsverbrechen der Nazizeit nicht nur (teilweise unaufgearbeitete) Vergangenheit sind, sondern wieder zu einer schrecklichen Gegenwart werden könnten.

Es kann sein, dass manche es als unpassend empfinden, dass ich solche politischen Ausführungen bei einer Trauerfeier mache. Ich habe es getan, weil ich sicher bin, dass Wolfgang genau das von mir verlangt.

Er wird mir als Freund fehlen, als kompetenter Gesprächspartner und vor allem als einer, der niemals Ruhe gab. Und ich werde eine laute Stimme am Telefon vermissen, die sich nicht mit Namen meldet, sondern immer nur mit dem Spruch: „Watt sachste“  


Auf der Download-Seite gibt es weitere Texte zu Wolfgang, verfasst von Freunden.