Leserbrief zum Artikel „Geschichte soll sich nicht wiederholen“ vom 5.2.24

 

Gut, dass auch im ehedem tiefbraunen Waldbröl viele Menschen für Demokratie und gegen Faschismus auf die Straßé gegangen sind. Und dass es mindestens so viele waren wie seinerzeit die von Rechtsradikalen angeführten „Spaziergänge“.

Im Unterschied zu den allermeisten anderen Demos wurde diese nicht von der Zivilgesellschaft, sondern von Institutionen wie Bürgermeisterin, Ratsfraktionen oder Kirche dominiert. Deshalb besteht bei der Waldbröler Demo aber ein Glaubwürdigkeitsproblem:

Ganz in Demo-Nähe gibt es die „Dr. Goldenbogen-Straße“. Goldenbogen, autokratisch regierender OKD bis 79, war u.a. Mitglied in der NSDAP, der SA und dem Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund und hat zeitlebens nicht die Spur von Einsicht oder gar Reue gezeigt. Im Gegenteil: Noch Anfang der 50er förderte er den vom Führer geehrten Blut-und-Boden-Maler Maler Peiner über die Maßen. Es störte ihn nicht, dass dieser „ Freund fürs Leben“ weiterhin offen als radikaler Antisemit auftrat.

„Wir haben nicht vergessen“ so die Bürgermeisterin, “was die Nationalsozialisten den Menschen angetan haben“. Trotzdem kann man, mit dem Holocaust vor Augen, einen offenbar unverbesserlichen SA-Mann und NS-Juristen ehren ?

Der Pfarrer erklärte, dass Waldbröl sich mit seiner Geschichte auseinandergesetzt habe, deshalb „wollen wir nicht noch einmal durch und für Extremismus ausgenutzt werden“. Welch eine erschreckende Geschichtsvergessenheit: Denn sehr viele Waldbröler und evangelische Christen wurden nicht „ausgenutzt“, sondern waren selber glühende Nazis und, angestiftet von Luthers Judenhetze, mörderische Antisemiten.

Dass 2024 immer noch von offizieller Seite eine solche Schuldabwehr und Verleugnung der Verstrickung in den NS möglich ist, das ist die wirkliche Gefahr für die Demokratie. Denn nur eine offene und ehrliche Aufarbeitung aller Beteiligten kann verhindern, dass sich unsere furchtbare deutsche Geschichte wiederholt.

Vor einigen Jahren hatte der Polizeihauptkommissar Jochen Gölitz die Bürgermeisterin aufgefordert, die Strasse wegen der NS Belastung des Geehrten umzubenennen. Sie werde die Anregung an die Fraktionen weiterleiten, war ihre Antwort.

Diese sehen anscheinend auch nach dem 7.10. und antisemitischen Ausschreitungen auf deutschen Straßen immer noch keinen Grund, die Ehrung des mindestens Antisemitismus-affinen Altnazis zu beenden. Ihre Empörung über die AfD hat daher einen sehr schalen Beigeschmack.