Vorweg: Meinen „Weckruf“ hatte ich nicht an den Vorstand, sondern an die Mitglieder von „Oberberg ist bunt, nicht braun“ gerichtet, weil ich glaubte, dass in dieser Zeit der Verunsicherung einige meiner Gedanken auf Grund meiner langen Erfahrungen mit NS und Faschismus sich als Diskussionsbeitrag eignen würden. Ich hatte mich dann beim Vorstand ein wenig darüber „beschwert“, daß man meine Ausführungen nicht allen Mitgliedern zugänglich gemacht hat. Worauf sich Gudrum Martineau noch einmal an mich gewandt hat.
Hallo Lothar!
Wir hatten es schon verstanden, dass es dir am liebsten gewesen wäre, wenn wir deinen „Weckruf“ an unsere Mitglieder weitergeleitet hätten. Es ist aber nun einmal so, dass wir mit unserem Verein – übrigens bereits seit 17 Jahren – das Ziel verfolgen, möglichst viele Menschen bei unserer Arbeit mit ins Boot zu holen. Wir verfolgen hier eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und können – glaube ich – selbstbewusst sagen, dass sich durch unsere Arbeit in den letzten Jahren Vieles verändert hat.
Umso verwunderter bin ich, dass ihr den Text nicht einfach weitergeleitet, sondern ihn nur im Vorstand besprochen habt. Derartiges kenne ich bislang nur von autoritären Organisationen wie dem Erzbischhöflichen Stuhl oder einem Zentralkomitee, wo darüber entschieden wird, was die einfachen Mitglieder zu lesen kriegen sollen und was besser nicht. Dass die Weiterleitung des Texts nicht nötig sei, weil er auf meiner Homepage steht, ist eine sehr fadenscheinige Ausrede, da sicher die wenigsten eurer Mitglieder die Seite besuchen.
Es ist also keine Frage der Basisdemokratie, sondern eine wohlüberlegte Auseinandersetzung mit deinem Text, ob dieser für unsere Arbeit hilfreich ist oder nicht. Deinen indirekten Vorwurf der Zensur möchte ich deutlich zurückweisen. Dir bleibt es unbenommen, den Text in deinem Namen weit zu verbreiten, was du ja über deinen Blog tust.
Auch wenn ich zur Kenntnis nehme, dass ihr nicht“ per se links“ seid, so denke ich doch, dass es wichtig ist, unter uns basisdemokratische Prinzipien einzuhalten, besonders dann, wenn man Rechten entgegentritt. Also leitet bitte den „Weckruf“, eure Vorstands-Stellungnahme und diese Antwort an die Mitglieder weiter als Material für eine hoffentlich lebendige Diskussion.
Zum Inhalt: Ihr wollt einfach nicht zur Kenntnis nehmen, dass die Politiker der anderen Parteien nicht AfD Propaganda „nachplappern“, sondern dass „Migrationskrise“, „pauschale Schuldzuweisungen, Abschiebungen und Lager an den EU Außengrenzen“ zu ihrem eigenen Weltbild gehören. Sonst gäb es die rassistischen Menschenrechtsverletzungen ja nicht, denn die AfD oder die Rechtsradikalen haben (bisher) weder in der EU noch in Deutschland die dafür erforderliche Mehrheit.
Ich finde es vermessen von dir, festzustellen, was wir nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Deinen gesamten inhaltlichen Ausführungen widersprechen wir ja nicht. Unsere Art der Kommunikation unterscheidet sich jedoch insofern von deiner, als wir keine möglichen Unterstützer*innen für die Sache verprellen wollen. Und wir können sagen, dass sich der Kreis der „wachen“ Menschen im Oberbergischen stetig vergrößert. Was sachlich und tatsächlich an Veränderung umsetzbar ist, ist eine ganz andere Sache, die wir aber seit Jahren nachdrücklich im Sinne unserer Satzung verfolgen. Und das ist für uns auch der Weg, der für uns hier im oberbergischen erfolgversprechend ist. Dass dieser Weg lang ist, das haben wir in all den Jahren feststellen müssen. Dass wir nicht aufgegeben haben, ist in meinen Augen die einzige Möglichkeit etwas zu bewirken.
Es sind leider europäische und deutsche Politiker der demokratischen Parteien, die gemeinsam mit Frau von der Leyen ( CDU) die Zäune und Knast-Lager an den Außengrenzen einrichten. Sie sind es,die dem tunesischen Präsidenten bzw. Diktator 1,5 Mrd Euro und dem mauretanischen ein halbe Mrd gegeben haben , damit diese die Flüchtlinge mit Gewalt zurückhalten. Obwohl sie wissen, dass dies geschieht, indem armselige Menschen in Busse verfrachtet und weit draußen in der Wüste ausgesetzt werden, ohne Handies, ohne Wasser, einem qualvollen Tod preisgegeben. Es ist nicht eine AfD- Frontex , sondern es ist „unsere“, die Gangsterbanden in Libyen mit Uniformen und Schnellbooten ausgestattet und als „Küstenwache“ verkleidet hat, damit sie Migranten einfangen,sie zur Abschreckung in entsetzliche Lager sperren und dabei noch Lösegeld erpressen können; usw, usw …
Weder die AfD noch andere rechtsextreme Parteien in der EU haben die Politiker der „demokratischen“ Parteien zu diesen Menchenrechtsverletzungen zwingen können, sie handeln aus eigenem Antrieb. Der Unterschied besteht nur darin, dass die AfD nicht eine „Werteordnung“ oder eine „feministische Außenpolitik“ vorheucheln muss, sondern mehr oder weniger offen zu diesem Herrenmenschen/ Untermenschen-Modell steht. Die klare Grenze, die ihr zwischen Demokraten und AfD-Rassisten zieht, die gibt es gar nicht. Unterschwellig ist der Rassismus, insbesondere der antisemitische, viel weiter verbreitet, als es Umfragen oder Wahlen zeigen. Das verdanken wir eben der unterlassenen ehrlichen Aufarbeitung des NS.
Die „anderen“ Parteien haben die „Grundwerte“ in der Realität längst über Bord geschmissen, um den Wohlstand unserer Besserverdienenden zu sichern. Die Grünen entsorgen gerade deren letzte Reste bei ihrer Umwandlung zum „Team Robert“. Dabei haben sie den Bundesvorstand der Jungen Grünen verloren, der aus Protest gegen den Verrat am Klimaschutz und die Schonung der Reichen zu Lasten der Armen bei der „Transformation“geschlossen aus der Partei ausgetreten ist. Zuvor haben die Parteistrategen noch mal eben die Fridays for Future Bewegung dadurch ruiniert, dass sie einen Teil der Protagonist:innen mit gut dotierten Posten in die Partei gelockt haben. Mehr als deutlich wird das am Unterschied zwischen Greta und der aalglatten Politikerin Luisa Neubauer, die von den Medien zu einer Art Bundessprecherin von FfF gemacht wurde, denn gewählt wurde sie als solche in der Graswurzelbewegung ja nie. Greta hingegen wird unter dem Beifallgebrüll der Rechtsradikalen niedergemacht ( und mit ihr gleich der ganze Klimaschutz), weil sie es gewagt hat, gegen die entsetzliche Vernichtungsorgie in Gaza mit Palestinensertuch zu demonstrieren.Also nicht etwa für die terroristische Hamas, sondern für die „Grundrechte“ zigtausender unschuldiger Palestinenser:innen und ihrer Kinder und nicht gegen Israel, sondern gegen seine zumindest z.T. terroristische Regierung.
Die heraufziehende Klimakatastrophe ist übrigens nicht ein „Spezialthema“ für Klimademos, wie ihr anscheinend glaubt. Sie ist vielmehr die größte und tödlichste Bedrohung der Grundrechte der armen Menschen überall auf der Welt, die zur Erderhitzung kaum was beitragen. Die bzw. wir reichen „Klimatäter“ in den Wohlstandsblasen der Welt hingegen fahren schamlos und unbeirrt mit dem maßlosen Überkonsum fort und scheuen nicht einmal davor zurück, „unsere Art zu leben“ den Opfern als „Freiheit“ um die Ohren zu hauen.
Der Kampf gegen den neoliberalen Konsum-Kapitalismus als Ursache der Klimakatastrophe (übrigens auch der gegen das Artensterben) muss daher unbedingt zentraler „Gegenstand“ aller politischer und sozialer „Arbeit“ sein. Ist die fortschreitende Zerstörung der Lebensgrundlagen durch Stürme, Dürren, Fluten etc. doch längst schon Hauptursache für das Anwachsen von Hunger, Krieg, Terrorismus, Flucht und Faschismus in den Elendszonen der Welt und zunehmend auch bei uns.
In Bezug auf die von dir so richtig erwähnten politischen Missstände in den „Altparteien“ – wie die AfD sie nennt – in Europa und der Welt frage ich dich: Welche Rolle sollen wir als Verein da einnehmen? Aufklärung der erreichbaren Menschen ist dabei unsere Aufgabe, immer und immer wieder. An vorderster Stelle wirkt dort das Netzwerk gegen Rechts im Oberbergischen Kreis. Und dass sich nun vermehrt andere öffentliche Einrichtungen und neu gegründete Bündnisse an dieser Aufklärung beteiligen, nehmen wir mit Freude zur Kenntnis und besuchen und unterstützen diese Maßnahmen.
Abgesehen davon ist ein Rundumschlag wie deiner zwar verständlich aber – aus meiner Sicht – nicht hilfreich. Deine pauschalen Formulierungen „die anderen Parteien“, alle mit dem gleichen Ziel? Ist das dein Ernst? Ich bezweifle, dass alle Personen, die sich in einer demokratischen politischen Partei engagieren, die „Grundwerte… über Bord geschmissen“ haben. Es gilt diejenigen zu stärken, die etwas bewegen wollen. Insofern finde ich den Schritt der GRÜNEN Jugend mutig und aufrüttelnd. Ja, es sind die Menschen, die etwas verändern können. Auch die, die Schaden anrichten, wie z.B. Trump, den du ja auch erwähnst. Da gibt es noch eine ganze Reihe, die ich hier aufzählen könnte, aber die Liste würde nie vollständig – auch nicht über Jahrhunderte hinweg…
Ja, die damalige Zerstrittenheit der Nazigegener darf sich nicht wiederholen. Aber den größeren Fehler, den wiederholen wir gerade wieder: Dass in der Wirtschaftskrise bei den Armen gekürzt wird, während die Reichen mit ihrem extremen CO 2 Fußabdruck sich noch hemmungsloser bereichern dürfen. Das treibt heute wie damals den Rassisten und Faschisten mit ihren verlogenen Versprechen die verzweifelten Menschen in die Fänge. Das ehrt zwar die Armen nicht, aber leider ist es mit uns Menschen so bestellt, dass in uns allen das Gute wie das Böse angelegt ist und also auch bei uns „Guten“ gewisse Anteile von Egoismus und Gewalt, ja sogar Rassismus vorhanden sind. Die lassen sich nicht nur in den „B..ösen“ on the other side of the street durch krasse Ungerechtigkeit mobilisieren. Die enormen Wahlerfolge der NSDAP 1932 sowie heute die der AfD in Ostdeutschland und der von Trump zeigen, wie das funktioniert. Und wir wiederholen ebenfalls den Fehler, das im Bürgertum und dessen Parteien schlummernde rechte Potential zu unterschätzen zu verharmlosen und sind wie unsere Vorfahren überrascht, wenn es bei Wahlen plötzlich hervortritt.
Dass bereits in den 1920er Jahren die „Hitlerpartei“ im heutigen Oberbergischen Kreis existierte und bis 1933 schnell wuchs, haben Gerhard und ich – zusammen mit ca. 60 weiteren Personen – vorgestern bei dem eindrücklichen Vortrag im Freilichtmuseum Lindlar noch einmal vergegenwärtigt. Ja, du hast recht: die Geschichte wiederholt sich in gewisser Weise. Wir sehen da viele Parallelen und ich persönlich kann die Sprüche „Wehret den Anfängen“ oder „Das darf nie wieder geschehen“ nicht mehr hören. Dennoch, es ist wichtig, sie immer wieder zu sagen!
Was ihr zur Goldenbogenstrasse und zum Luther-Antisemitimus zu sagen habt, ist so pflaumenweiches Drumherumgerede, dass ich es mittlerweile nur noch als peinlich empfinde. Man wird doch wohl von euch eine klare und eindeutige Stellungnahme zu der Frage erwarten dürfen: Ist es in diesen Zeiten noch länger zu verantworten, einen Altnazi, SA-Mann, und NS-Juristen wie Goldenbogen, der nie eine Spur von Einsicht oder Reue gezeigt hat und einen radikalen prominenten Nazimaler und extremen Antisemiten über die Maßen förderte, also selber einer war, mit einem Straßennamen zu ehren ? Dass ihr diese Frage nicht mit einem eindeutigen NEIN beantworten könnt, entwertet euer ganzes sonstiges lobenswertes Engagement. Die Ausrede, nach eurer Kampagne zur Umbenennung der Hindenburgstrasse würde euch ein solcher erneuter Aufwand überfordern, ist – Entschuldigung – infantil und lächerlich.Ihr hättet doch nur einmal mit einem Satz gegenüber Kreis, dem Waldbröler Rat und der Presse für die überfällige Umbenennung eintreten müssen, das erfordert ein paar Klicks, mehr nicht!
Schade, dass du der Anhörung im Hauptausschuss der Stadt Gummersbach am 19.04.2023 nicht beiwohnen konntest, dann hättest du dir ein Bild machen können von dem Aufwand, den der Verein dafür betrieben hat und in welcher Weise die Mehrheit im Hauptausschuss den Argumenten verschlossen blieb.
Was die Rolle von Luthers antisemitischen Hetzschriften bei den Pogromen 1938 betrifft, hat weder die evangelische Kirche in Deutschland noch die im Kirchenkreis an der Agger bisher Stellung bezogen. Dass diese bei den pietistischten Christen in Nümbrecht und bei dem (neben Julius Streicher) schlimmsten Hetzer gegen die Juden, Robert Ley, eine prägende Rolle gespielt haben, ist nicht nur in der Ausstellung „ Überall Luthers Worte“ dokumentiert, auch Brandenburger und Leys Tochter Renate Wald weisen auf den Pietismus hin. Streicher hat sich vor dem Nürnberger Gericht damit verteidigt, dass statt seiner Doktor .Martin Luther auf der Anklagebank sitzen müsste. Meines Wissens hat sich der Kirchenkreis an der Agger bis heute nicht zu Luthers antisemitischer Hetze geäußert oder gar die Opfer deshalb um Vergebung gebeten. Wo es konkret wird, haltet Ihr euch auch hier vornehmen raus, sind ja alles eure Partner im Bündnis gegen Rechts.
Nein, wir halten uns nicht (vornehm) raus, vor allem dann nicht, wenn es konkret wird. Allerdings maße ich mir an, zu bezweifeln, dass für die Nationalsozialisten und deren Pläne zur Vernichtung der Juden im 20. Jahrhundert Luthers Hetzschriften ausschlaggebend waren.
Bei der Gedenkveranstaltung in der vorigen Woche, so der Zeitungsbericht, hat Landrat Hagt die Rede gehalten und den „Akt der Barbarei“, angeprangert, der in „ aller Öffentlichkeit geschehen sei“. Damit das nie wieder geschehe, garantiere das Grundgesetz heute die Würde des Menschen. Was ist dieses allgemein gehaltene „Bekenntnis“ wert aus dem Munde des Landrats, der seit mehr als 10 Jahren eine unabhängige Aufarbeitung des NS in Oberberg verschleppt hat und der den braunen Übervater seiner CDU immer noch schützt, dem er noch zum 25.Todestag am Grab persönlich die Ehre erwiesen hat? Noch eine Bemerkung zur FDP: Der Einsatz der Frau Albowitz und ihrer FDP -Oberberg gegen Rechts wäre entschieden glaubwürdiger, wenn sie sich zur NS -Nachkriegs-Kontinuität in ihrer Partei äußern und entschuldigen würde. Warum z.B. das Kreistagsmitglied Herrmann Schuster als ehemaliger SS Führer und unverbesserlicher Nazi jahrzehntelang unbehelligt agieren und als Nümbrechter Bauauschussvorsitzender anrüchige Grundstücksgeschäfte mit seinem Schwiegersohn, Gemeindedirektor Schütz ,CDU, ( später wegen Wahlfälschung amtsenthoben) machen konnte, und z.B, noch in den 1970ern mit diesem zu vorgerückter Stunde unbehelligt lauthals das
gesamte Naziliedgut ins Dorf zu schmettern pflegte.
Was die Rolle des Landrats in dieser Frage angeht, so erwarte ich persönlich nicht viel von ihm. Ich kann verstehen, dass du verärgert darüber bist, dass dein Anliegen der Aufarbeitung nicht zu dem von dir erwarteten Ergebnis führt. Möglicherweise sind deine Erwartungen auch zu hoch, und möglicherweise geht es dir auch nicht schnell genug. Ich verweise auf meinen oben gemachten Hinweis: „Dass dieser Weg lang ist, das haben wir in all den Jahren feststellen müssen.“ Wir stellen aber fest, dass sowohl vom Freilichtmuseum Lindlar, als auch vom Kreisarchiv im Oberbergischen Kreis – und darüber hinaus – große Anstrengungen unternommen werden, die bis heute verfügbaren Quellen aufzufinden und in wissenschaftlicher Weise zu verarbeiten (s. z.B. die Veranstaltungsreihe vom Freilichtmuseum Lindlar in dieser Woche). Natürlich kann es sein, dass die Aufarbeitung für den einen oder die andere nicht zufriedenstellend ist. Es liegt aber doch immer an uns selbst, die angebotenen Ergebnisse aufzunehmen.
Dazu hänge ich eine Seite aus dem „Oberbergischen Volksblatt“ an, das ein paar Jahre lang vom SSK herausgegeben wurde. Darin wird deutlich, dass auch die Lokalpresse einiges aufzuarbeiten hat. Statt mutigen Nümbrechtern zur Seite zu stehen, die es gewagt hatten, das braune Herrschaftsduo zu kritisieren, ist sie im Stürmerstil über die aufrechten Demokraten hergefallen. An dieser ekelhaften Affäre wird deutlich, wie verbreitet und dominant braune und rechte Geisteshaltungen hinter den demokratischen Kulissen noch in der 1970ern waren. Weil starke und einflussreiche gesellschaftliche Kräfte eine echte schmerzhafte Aufarbeitung bis heute verhindert haben, können jetzt, 50 Jahre später, Reaktionäre und Faschisten aller Schattierungen erneut die Bühne betreten, nicht nur die von der AfD, so als wäre nichts gewesen.
Was die Presse angeht, so kann ich persönlich feststellen, dass die Ankündigungspraxis und Berichterstattung zum Thema in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Wenn man bedenkt, dass die Unterdrückung des Themas in ganz Deutschland mehrere Jahrzehnte betrieben wurde, finde ich, sind wir nun – zumindest in den seriösen Presseorganen, ob Print oder Online – auf einem sehr guten Weg. Fraglich ist nur, ob die Menschen, die dringenden Nachholbedarf an Wissen haben, sich diese Quellen erschließen. Vielleicht ein kleiner Hinweis zum Abschluss von einer älteren Frau, die mit Eltern aufgewachsen ist, die sich über die Zeit des Nationalsozialismus überhaupt nicht geäußert haben, obwohl sie Kriegsteilnehmer*in waren: Schau bitte auf die kleinen Schritte, die uns weiterbringen.
Gruß Gudrun
Für den Vorstand
Grüße,
Lothar
Ich hatte dann noch ein Mal geantwortet. Und damit solls auch gut sein:
Liebe Gudrun,
vorweg ein Hinweis: In meiner Mail habe ich auch geschrieben, dass ich abgesehen von unserem NS-Oberberg/ Goldenbogen-Konflikt eure Arbeit durchaus wertschätze. Weil das in meinem Furor vielleicht etwas untergegangen ist, will ich es hier noch mal betonen.
Ansonsten will ich in der „ Causa Goldenbogen“ nur noch ein paar Anmerkungen machen und dann resigniere ich.
Denn auch du eierst da immer noch rum und gibst keine klare Antwort auf die Frage, ob es in diesen Zeiten erträglich ist, dass ein unverbesserlicher Altnazi wie Goldenbogen weiterhin geehrt wird ?
Ich habe mich gefragt, wie ihr wohl darauf reagieren würdet, wenn in Waldbröl die AfD z.B. zusammen mit dem rechten Rand der CDU die Mehrheit gewänne, und eine Straße nach ihrem „verdienten“ Abgeordneten „ Espendriller“ benennen würde. Da ihr jetzt schon gegen seinen Auftritt als AfD -Abgordneter in Oberberg zur Protestdemo aufruft, würdet ihr doch sicherlich erst recht mit großer Empörung zum Protest gegen eine „Espendriller-Straße“ aufrufen.
Aber wollt ihr denn im Ernst behaupten, dass ein heutiger AfD -Abgeordneter ein „schlimmerer“ Rassist und Faschist ist als ein Mitglied in der Schläger-und Terrortruppe SA und dem NS „Rechtswahrer“Bund, dessen oberste Richtschnur die Nazi- Rassegesetze waren ?
Selbst wenn Goldenbogen beides öffentlich bekannt und bereut hätte – etwa wie SPD-Nehls seine SS – Mitgliedschaft- eine Ehrung in der Demokratie hätte er mit dieser Vergangenheit jedenfalls verwirkt.
Habt ihr denn auch nur einen einzigen Hinweis auf Einsicht oder Reue bei Goldenbogen gefunden ? Ich nicht, Gerhard Pomykaj nicht und auch sonst keiner. Goldenbogens glühende Verehrung und die extreme Förderung des prominenten Nazimalers und Antisemiten Peiner zeigt ebenso das Gegenteil wie im Jubelband die verächtlichen und rassistischen Anklänge bei den Bemerkungen zu Zwangsarbeitern und die Verharmlosung der NSDAP sowie auch die extreme Ämterhäufung und der sehr autokratische Führungsstil.
Wie stark rechte Gesinnung und Naziideologie in Oberberg noch in den 70ern hinter den demo-kratischen Kulissen vorherrschend war, wird an der unglaublichen Verhetzung der Nazigegner in Nümbrecht in der Lokalpresse mehr als deutlich.
Goldenbogens Leben vor 45 ist bis heute eine weitgehend unerforschte Black Box, da er ja erst kurz vor Kriegsende als Wehrmachts- Offizier hier aufgetaucht ist. Neben seinen NS-Mitgliedschaften gibt es allerdings einen sehr bezeichnenden „Lichtstrahl“ in das sonstige Dunkel seiner Ver-gangenheit im NS, den ich einem befreundeten Kölner Historiker verdanke:
An der Person von Goldenbogens Doktorvater Hellmuth Mayer wird nämlich ein extrem rechtes Umfeld deutlich: Mayer war 1919 in der rechtsradikalen Mördertruppe Freikorps Epp aktiv, welches an der blutigen Niederschlagung der Münchner Räterepublik und des Ruhraufstands beteiligt war. 1924 verteidigte Mayer im Hitlerprozess den Angeklagten Friedrich Weber, den Chef des „ Bundes Oberland“, einer rechtsextremen und antisemitischen Organisation, die 1923 gemeinsam mit der NSDAP den „ Deutschen Kampfbund“ unter Führung von Hitler bildete. Der „ Bund Oberland“ zeichnete sich durch brutale Gewaltexzesse z.B. bei der Erstürmung des St. Annabergs in Oberschlesien ( 1923) und durch Fememorde aus.
Mayers 1936 veröffentlichtes Lehrbuch “Das Strafrecht des deutschen Volkes“ fand bei den Nazis hohe Anerkennung.
Was sagt das denn wohl über Goldenbogen aus, da es sich doch von selbst versteht, dass ein Doktorand sich einen Doktorvater aussucht, der ihm weltanschaulich möglichst nahesteht ?
Bei Goldenbogens Kameraden Klausa hat es 40 Jahre Protest und Aktionen gebraucht, bis die Uni Bonn und die Uni Düsseldorf sich auf Grund seiner NS Belastungen von der Ehrenbürgerschaft und der Ehrenpromotion distanzieren mussten. Ich bin überzeugt, dass es bei Goldenbogens Ehrung schon nach gut 10 Jahren so weit wäre, wenn die rechten Kräfte sich nicht mehr hinter eurem in der Sache unerklärlichen Schweigen verstecken könnten.
Das deprimiert mich sehr, weil die Weimarer Demokratie nämlich nicht nur an der Zerstrittenheit der linken und bürgerlichen Parteien zugrunde ging, sondern auch an der damals wie heute weit verbreiteten fast pathologischen Verharmlosung des NS. Bis es zu spät war. Es war alles nicht so schlimm, das ist die Dauer-Botschaft der „ Dr. Goldenbogenstraße“ und Goldenbogen war ja nicht der „allerschlimmste Nazi“.
Grüße, Lothar