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Zur Antwort des Vorstands von Oibnb auf meinen „Weckruf“

Vorweg: Meinen „Weckruf“ hatte ich nicht an den Vorstand, sondern an die Mitglieder von „Oberberg ist bunt, nicht braun“ gerichtet, weil ich glaubte, dass in dieser Zeit der Verunsicherung einige meiner Gedanken auf Grund meiner langen Erfahrungen mit NS und Faschismus sich als Diskussionsbeitrag eignen würden. Ich  hatte mich dann beim Vorstand ein wenig darüber „beschwert“, daß man meine Ausführungen nicht allen Mitgliedern zugänglich gemacht hat. Worauf sich Gudrum Martineau noch einmal an mich gewandt hat.

Hallo Lothar!
Wir hatten es schon verstanden, dass es dir am liebsten gewesen wäre, wenn wir deinen „Weckruf“ an unsere Mitglieder weitergeleitet hätten. Es ist aber nun einmal so, dass wir mit unserem Verein – übrigens bereits seit 17 Jahren – das Ziel verfolgen, möglichst viele Menschen bei unserer Arbeit mit ins Boot zu holen. Wir verfolgen hier eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und können – glaube ich – selbstbewusst sagen, dass sich durch unsere Arbeit in den letzten Jahren Vieles verändert hat.

Umso verwunderter bin ich, dass ihr den Text nicht einfach weitergeleitet, sondern ihn nur im Vorstand besprochen habt. Derartiges kenne ich bislang nur von autoritären Organisationen wie dem Erzbischhöflichen Stuhl oder einem Zentralkomitee, wo darüber entschieden wird, was die einfachen Mitglieder zu lesen kriegen sollen und was besser nicht. Dass die Weiterleitung des Texts nicht nötig sei, weil er auf meiner Homepage steht, ist eine sehr fadenscheinige Ausrede, da sicher die wenigsten eurer Mitglieder die Seite besuchen.

Es ist also keine Frage der Basisdemokratie, sondern eine wohlüberlegte Auseinandersetzung mit deinem Text, ob dieser für unsere Arbeit hilfreich ist oder nicht. Deinen indirekten Vorwurf der Zensur möchte ich deutlich zurückweisen. Dir bleibt es unbenommen, den Text in deinem Namen weit zu verbreiten, was du ja über deinen Blog tust.


Auch wenn ich zur Kenntnis nehme, dass ihr nicht“ per se links“ seid, so denke ich doch, dass es wichtig ist, unter uns basisdemokratische Prinzipien einzuhalten, besonders dann, wenn man Rechten entgegentritt. Also leitet bitte den „Weckruf“, eure Vorstands-Stellungnahme und diese Antwort an die Mitglieder weiter als Material für eine hoffentlich lebendige Diskussion.

Zum Inhalt: Ihr wollt einfach nicht zur Kenntnis nehmen, dass die Politiker der anderen Parteien nicht AfD Propaganda „nachplappern“, sondern dass „Migrationskrise“, „pauschale Schuldzuweisungen, Abschiebungen und Lager an den EU Außengrenzen“ zu ihrem eigenen Weltbild gehören. Sonst gäb es die rassistischen Menschenrechtsverletzungen ja nicht, denn die AfD oder die Rechtsradikalen haben (bisher) weder in der EU noch in Deutschland die dafür erforderliche Mehrheit.

Ich finde es vermessen von dir, festzustellen, was wir nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Deinen gesamten inhaltlichen Ausführungen widersprechen wir ja nicht. Unsere Art der Kommunikation unterscheidet sich jedoch insofern von deiner, als wir keine möglichen Unterstützer*innen für die Sache verprellen wollen. Und wir können sagen, dass sich der Kreis der „wachen“ Menschen im Oberbergischen stetig vergrößert. Was sachlich und tatsächlich an Veränderung umsetzbar ist, ist eine ganz andere Sache, die wir aber seit Jahren nachdrücklich im Sinne unserer Satzung verfolgen. Und das ist für uns auch der Weg, der für uns hier im  oberbergischen erfolgversprechend ist. Dass dieser Weg lang ist, das haben wir in all den Jahren feststellen müssen. Dass wir nicht aufgegeben haben, ist in meinen Augen die einzige Möglichkeit etwas zu bewirken.

Es sind leider europäische und deutsche Politiker der demokratischen Parteien, die gemeinsam mit Frau von der Leyen ( CDU) die Zäune und Knast-Lager an den Außengrenzen einrichten. Sie sind es,die dem tunesischen Präsidenten bzw. Diktator 1,5 Mrd Euro und dem mauretanischen ein halbe Mrd gegeben haben , damit diese die Flüchtlinge mit Gewalt zurückhalten. Obwohl sie wissen, dass dies geschieht, indem armselige Menschen in Busse verfrachtet und weit draußen in der Wüste ausgesetzt werden, ohne Handies, ohne Wasser, einem qualvollen Tod preisgegeben. Es ist nicht eine AfD- Frontex , sondern es ist „unsere“, die Gangsterbanden in Libyen mit Uniformen und Schnellbooten ausgestattet und als „Küstenwache“ verkleidet hat, damit sie Migranten einfangen,sie zur Abschreckung in entsetzliche Lager sperren und dabei noch Lösegeld erpressen können; usw, usw …

Weder die AfD noch andere rechtsextreme Parteien in der EU haben die Politiker der „demokratischen“ Parteien zu diesen Menchenrechtsverletzungen zwingen können, sie handeln aus eigenem Antrieb. Der Unterschied besteht nur darin, dass die AfD nicht eine „Werteordnung“ oder eine „feministische Außenpolitik“ vorheucheln muss, sondern mehr oder weniger offen zu diesem Herrenmenschen/ Untermenschen-Modell steht. Die klare Grenze, die ihr zwischen Demokraten und AfD-Rassisten zieht, die  gibt es gar nicht. Unterschwellig ist der Rassismus, insbesondere der antisemitische, viel weiter verbreitet, als es Umfragen oder Wahlen zeigen. Das verdanken wir eben der unterlassenen ehrlichen Aufarbeitung des NS.

Die „anderen“ Parteien haben die „Grundwerte“ in der Realität längst über Bord geschmissen, um den Wohlstand unserer Besserverdienenden zu sichern. Die Grünen entsorgen gerade deren letzte Reste bei ihrer Umwandlung zum „Team Robert“. Dabei haben sie den Bundesvorstand der Jungen Grünen verloren, der aus Protest gegen den Verrat am Klimaschutz und die Schonung der Reichen zu Lasten der Armen bei der „Transformation“geschlossen aus der Partei ausgetreten ist. Zuvor haben die Parteistrategen noch mal eben die Fridays for Future Bewegung dadurch ruiniert, dass sie einen Teil der Protagonist:innen mit gut dotierten Posten in die Partei gelockt haben. Mehr als deutlich wird das am Unterschied zwischen Greta und der aalglatten Politikerin Luisa Neubauer, die von den Medien zu einer Art Bundessprecherin von FfF gemacht wurde, denn gewählt wurde sie als solche in der Graswurzelbewegung ja nie. Greta hingegen wird unter dem Beifallgebrüll der Rechtsradikalen niedergemacht ( und mit ihr gleich der ganze Klimaschutz), weil sie es gewagt hat, gegen die entsetzliche Vernichtungsorgie in Gaza mit Palestinensertuch zu demonstrieren.Also nicht etwa für die terroristische Hamas, sondern für die „Grundrechte“ zigtausender unschuldiger Palestinenser:innen und ihrer Kinder und nicht gegen Israel, sondern gegen seine zumindest z.T. terroristische Regierung.

Die heraufziehende Klimakatastrophe ist übrigens nicht ein „Spezialthema“ für Klimademos, wie ihr anscheinend glaubt. Sie ist vielmehr die größte und tödlichste Bedrohung der Grundrechte der armen Menschen überall auf der Welt, die zur Erderhitzung kaum was beitragen. Die bzw. wir reichen „Klimatäter“ in den Wohlstandsblasen der Welt hingegen fahren schamlos und unbeirrt mit dem maßlosen Überkonsum fort und scheuen nicht einmal davor zurück, „unsere Art zu leben“ den Opfern als „Freiheit“ um die Ohren zu hauen.

Der Kampf gegen den neoliberalen Konsum-Kapitalismus als Ursache der Klimakatastrophe (übrigens auch der gegen das Artensterben) muss daher unbedingt zentraler „Gegenstand“ aller politischer und sozialer „Arbeit“ sein. Ist die fortschreitende Zerstörung der Lebensgrundlagen durch Stürme, Dürren, Fluten etc. doch längst schon Hauptursache für das Anwachsen von Hunger, Krieg, Terrorismus, Flucht und Faschismus in den Elendszonen der Welt und zunehmend auch bei uns.

In Bezug auf die von dir so richtig erwähnten politischen Missstände in den „Altparteien“ – wie die AfD sie nennt – in Europa und der Welt frage ich dich: Welche Rolle sollen wir als Verein da einnehmen? Aufklärung der erreichbaren Menschen ist dabei unsere Aufgabe, immer und immer wieder. An vorderster Stelle wirkt dort das Netzwerk gegen Rechts im Oberbergischen Kreis. Und dass sich nun vermehrt andere öffentliche Einrichtungen und neu gegründete Bündnisse an dieser Aufklärung beteiligen, nehmen wir mit Freude zur Kenntnis und besuchen und unterstützen diese Maßnahmen.

Abgesehen davon ist ein Rundumschlag wie deiner zwar verständlich aber – aus meiner Sicht – nicht hilfreich. Deine pauschalen Formulierungen „die anderen Parteien“, alle mit dem gleichen Ziel? Ist das dein Ernst? Ich bezweifle, dass alle Personen, die sich in einer demokratischen politischen Partei engagieren, die „Grundwerte… über Bord geschmissen“ haben. Es gilt diejenigen zu stärken, die etwas bewegen wollen. Insofern finde ich den Schritt der GRÜNEN Jugend mutig und aufrüttelnd. Ja, es sind die Menschen, die etwas verändern können. Auch die, die Schaden anrichten, wie z.B. Trump, den du ja auch erwähnst. Da gibt es noch eine ganze Reihe, die ich hier aufzählen könnte, aber die Liste würde nie vollständig – auch nicht über Jahrhunderte hinweg…

Ja, die damalige Zerstrittenheit der Nazigegener darf sich nicht wiederholen. Aber den größeren Fehler, den wiederholen wir gerade wieder: Dass in der Wirtschaftskrise bei den Armen gekürzt wird, während die Reichen mit ihrem extremen CO 2 Fußabdruck sich noch hemmungsloser bereichern dürfen. Das treibt heute wie damals den Rassisten und Faschisten mit ihren verlogenen Versprechen die verzweifelten Menschen in die Fänge.  Das ehrt zwar die Armen nicht, aber leider ist es mit uns Menschen so bestellt, dass in uns allen das Gute wie das Böse angelegt ist und also auch bei uns „Guten“ gewisse Anteile von Egoismus und Gewalt, ja sogar Rassismus vorhanden sind. Die lassen sich nicht nur in den „B..ösen“ on the other side of the street durch krasse Ungerechtigkeit mobilisieren. Die enormen Wahlerfolge der NSDAP 1932 sowie heute die der AfD in Ostdeutschland und der von Trump zeigen, wie das funktioniert. Und wir wiederholen ebenfalls den Fehler, das im Bürgertum und dessen Parteien schlummernde rechte Potential zu unterschätzen zu verharmlosen und sind wie unsere Vorfahren überrascht, wenn es bei Wahlen plötzlich hervortritt.

Dass bereits in den 1920er Jahren die „Hitlerpartei“ im heutigen Oberbergischen Kreis existierte und bis 1933 schnell wuchs, haben Gerhard und ich – zusammen mit ca. 60 weiteren Personen – vorgestern bei dem eindrücklichen Vortrag im Freilichtmuseum Lindlar noch einmal vergegenwärtigt. Ja, du hast recht: die Geschichte wiederholt sich in gewisser Weise. Wir sehen da viele Parallelen und ich persönlich kann die Sprüche „Wehret den Anfängen“ oder „Das darf nie wieder geschehen“ nicht mehr hören. Dennoch, es ist wichtig, sie immer wieder zu sagen!

Was ihr zur Goldenbogenstrasse und zum Luther-Antisemitimus zu sagen habt, ist so pflaumenweiches Drumherumgerede, dass ich es mittlerweile nur noch als peinlich empfinde. Man wird doch wohl von euch eine klare und eindeutige Stellungnahme zu der Frage erwarten dürfen: Ist es in diesen Zeiten noch länger zu verantworten, einen Altnazi, SA-Mann, und NS-Juristen wie Goldenbogen, der nie eine Spur von Einsicht oder Reue gezeigt hat und einen radikalen prominenten Nazimaler und extremen Antisemiten über die Maßen förderte, also selber einer war, mit einem Straßennamen zu ehren ? Dass ihr diese Frage nicht mit einem  eindeutigen NEIN beantworten könnt, entwertet euer ganzes sonstiges lobenswertes Engagement. Die Ausrede, nach eurer Kampagne zur Umbenennung der Hindenburgstrasse würde euch ein solcher erneuter Aufwand überfordern, ist – Entschuldigung – infantil und lächerlich.Ihr hättet doch nur einmal mit einem Satz gegenüber Kreis, dem Waldbröler Rat und der Presse für die überfällige Umbenennung eintreten müssen, das erfordert ein paar Klicks, mehr nicht!

Schade, dass du der Anhörung im Hauptausschuss der Stadt Gummersbach am 19.04.2023 nicht beiwohnen konntest, dann hättest du dir ein Bild machen können von dem Aufwand, den der Verein dafür betrieben hat und in welcher Weise die Mehrheit im Hauptausschuss den Argumenten verschlossen blieb.

Was die Rolle von Luthers antisemitischen Hetzschriften bei den Pogromen 1938 betrifft, hat weder die evangelische Kirche in Deutschland noch die im Kirchenkreis an der Agger bisher Stellung bezogen. Dass diese bei den pietistischten Christen in Nümbrecht und bei dem (neben Julius Streicher) schlimmsten Hetzer gegen die Juden, Robert Ley, eine prägende Rolle gespielt haben, ist nicht nur in der Ausstellung „ Überall Luthers Worte“ dokumentiert, auch Brandenburger und Leys Tochter Renate Wald weisen auf den Pietismus hin. Streicher hat sich vor dem Nürnberger Gericht damit verteidigt, dass statt seiner Doktor .Martin Luther auf der Anklagebank sitzen müsste. Meines Wissens hat sich der Kirchenkreis an der Agger bis heute nicht zu Luthers antisemitischer Hetze geäußert oder gar die Opfer deshalb um Vergebung gebeten. Wo es konkret  wird, haltet Ihr euch auch hier vornehmen raus, sind ja alles eure Partner im Bündnis gegen Rechts.

Nein, wir halten uns nicht (vornehm) raus, vor allem dann nicht, wenn es konkret wird. Allerdings maße ich mir an, zu bezweifeln, dass für die Nationalsozialisten und deren Pläne zur Vernichtung der Juden im 20. Jahrhundert Luthers Hetzschriften ausschlaggebend waren.

Bei der Gedenkveranstaltung in der vorigen Woche, so der Zeitungsbericht, hat Landrat Hagt die Rede gehalten und den „Akt der Barbarei“, angeprangert, der in „ aller Öffentlichkeit geschehen sei“. Damit das nie wieder geschehe, garantiere das Grundgesetz heute die Würde des Menschen. Was ist dieses allgemein gehaltene „Bekenntnis“ wert aus dem Munde des Landrats, der seit mehr als 10 Jahren eine unabhängige Aufarbeitung des NS in Oberberg verschleppt hat und der den braunen Übervater seiner CDU immer noch schützt, dem er noch zum 25.Todestag am Grab persönlich die Ehre erwiesen hat? Noch eine Bemerkung zur FDP: Der Einsatz der Frau Albowitz und ihrer FDP -Oberberg gegen Rechts wäre entschieden glaubwürdiger,  wenn sie sich zur NS -Nachkriegs-Kontinuität in ihrer Partei äußern und entschuldigen würde. Warum z.B. das Kreistagsmitglied Herrmann Schuster als ehemaliger SS Führer und unverbesserlicher Nazi jahrzehntelang unbehelligt agieren und als Nümbrechter Bauauschussvorsitzender anrüchige Grundstücksgeschäfte mit seinem Schwiegersohn, Gemeindedirektor Schütz ,CDU, ( später wegen Wahlfälschung amtsenthoben) machen konnte, und z.B, noch in den 1970ern mit diesem zu vorgerückter Stunde unbehelligt lauthals das
gesamte Naziliedgut ins Dorf zu schmettern pflegte.

Was die Rolle des Landrats in dieser Frage angeht, so erwarte ich persönlich nicht viel von ihm. Ich kann verstehen, dass du verärgert darüber bist, dass dein Anliegen der Aufarbeitung nicht zu dem von dir  erwarteten Ergebnis führt. Möglicherweise sind deine Erwartungen auch zu hoch, und möglicherweise geht es dir auch nicht schnell genug. Ich verweise auf meinen oben gemachten Hinweis: „Dass dieser Weg lang ist, das haben wir in all den Jahren feststellen müssen.“ Wir stellen aber fest, dass sowohl vom Freilichtmuseum Lindlar, als auch vom Kreisarchiv im Oberbergischen Kreis – und darüber hinaus – große Anstrengungen  unternommen werden, die bis heute verfügbaren Quellen aufzufinden und in wissenschaftlicher Weise zu verarbeiten (s. z.B. die Veranstaltungsreihe vom Freilichtmuseum Lindlar in dieser Woche). Natürlich kann es sein, dass die Aufarbeitung für den einen oder die andere nicht zufriedenstellend ist. Es liegt aber doch immer an uns selbst, die angebotenen Ergebnisse aufzunehmen.

Dazu hänge ich eine Seite aus dem „Oberbergischen Volksblatt“ an, das ein paar Jahre lang vom SSK herausgegeben wurde. Darin wird deutlich, dass auch die Lokalpresse einiges aufzuarbeiten hat. Statt mutigen Nümbrechtern zur Seite zu stehen, die es gewagt hatten, das braune Herrschaftsduo zu kritisieren, ist sie im Stürmerstil über die aufrechten Demokraten hergefallen. An dieser ekelhaften Affäre wird deutlich, wie verbreitet und dominant braune und rechte Geisteshaltungen hinter den demokratischen Kulissen noch in der 1970ern waren. Weil starke und einflussreiche gesellschaftliche Kräfte eine echte schmerzhafte Aufarbeitung bis heute verhindert haben, können jetzt, 50 Jahre später, Reaktionäre und Faschisten aller Schattierungen erneut die Bühne betreten, nicht nur die von der AfD, so als wäre nichts gewesen.

Was die Presse angeht, so kann ich persönlich feststellen, dass die Ankündigungspraxis und Berichterstattung zum Thema in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Wenn man bedenkt, dass die Unterdrückung des Themas in ganz Deutschland mehrere Jahrzehnte betrieben wurde, finde ich, sind wir nun – zumindest in den seriösen Presseorganen, ob Print oder Online – auf einem sehr guten Weg. Fraglich ist nur, ob die Menschen, die dringenden Nachholbedarf an Wissen haben, sich diese Quellen erschließen.  Vielleicht ein kleiner Hinweis zum Abschluss von einer älteren Frau, die mit Eltern aufgewachsen ist, die sich über die Zeit des Nationalsozialismus überhaupt nicht geäußert haben, obwohl sie Kriegsteilnehmer*in waren: Schau bitte auf die kleinen Schritte, die uns weiterbringen.

Gruß Gudrun
Für den Vorstand


Grüße,
Lothar


Ich hatte dann noch ein Mal geantwortet. Und damit solls auch gut sein:

Liebe Gudrun,

vorweg ein Hinweis: In meiner Mail habe ich auch geschrieben, dass ich abgesehen von unserem NS-Oberberg/ Goldenbogen-Konflikt eure Arbeit durchaus wertschätze. Weil das in meinem Furor vielleicht etwas untergegangen ist, will ich es hier noch mal betonen.

Ansonsten will ich in der „ Causa Goldenbogen“ nur noch ein paar Anmerkungen machen und dann resigniere ich.

Denn auch du eierst da immer noch rum und gibst keine klare Antwort auf die Frage, ob es in diesen Zeiten erträglich ist, dass ein unverbesserlicher Altnazi wie Goldenbogen weiterhin geehrt wird ?

Ich habe mich gefragt, wie ihr wohl darauf reagieren würdet, wenn in Waldbröl die AfD z.B. zusammen mit dem rechten Rand der CDU die Mehrheit gewänne, und eine Straße nach ihrem „verdienten“ Abgeordneten „ Espendriller“ benennen würde. Da ihr jetzt schon gegen seinen Auftritt als AfD -Abgordneter in Oberberg zur Protestdemo aufruft, würdet ihr doch sicherlich erst recht mit großer Empörung zum Protest gegen eine „Espendriller-Straße“ aufrufen.

Aber wollt ihr denn im Ernst behaupten, dass ein heutiger AfD -Abgeordneter ein „schlimmerer“ Rassist und Faschist ist als ein Mitglied in der Schläger-und Terrortruppe SA und dem NS „Rechtswahrer“Bund, dessen oberste Richtschnur die Nazi- Rassegesetze waren ?

Selbst wenn Goldenbogen beides öffentlich bekannt und bereut hätte – etwa wie SPD-Nehls seine SS – Mitgliedschaft- eine Ehrung in der Demokratie hätte er mit dieser Vergangenheit jedenfalls verwirkt.

Habt ihr denn auch nur einen einzigen Hinweis auf Einsicht oder Reue bei Goldenbogen gefunden ? Ich nicht, Gerhard Pomykaj nicht und auch sonst keiner. Goldenbogens glühende Verehrung und die extreme Förderung des prominenten Nazimalers und Antisemiten Peiner zeigt ebenso das Gegenteil wie im Jubelband die verächtlichen und rassistischen Anklänge bei den Bemerkungen zu Zwangsarbeitern und die Verharmlosung der NSDAP sowie auch die extreme Ämterhäufung und der sehr autokratische Führungsstil.

Wie stark rechte Gesinnung und Naziideologie in Oberberg noch in den 70ern hinter den demo-kratischen Kulissen vorherrschend war, wird an der unglaublichen Verhetzung der Nazigegner in Nümbrecht in der Lokalpresse mehr als deutlich.

Goldenbogens Leben vor 45 ist bis heute eine weitgehend unerforschte Black Box, da er ja erst kurz vor Kriegsende als Wehrmachts- Offizier hier aufgetaucht ist. Neben seinen NS-Mitgliedschaften gibt es allerdings einen sehr bezeichnenden „Lichtstrahl“ in das sonstige Dunkel seiner Ver-gangenheit im NS, den ich einem befreundeten Kölner Historiker verdanke:

An der Person von Goldenbogens Doktorvater Hellmuth Mayer wird nämlich ein extrem rechtes Umfeld deutlich: Mayer war 1919 in der rechtsradikalen Mördertruppe Freikorps Epp aktiv, welches an der blutigen Niederschlagung der Münchner Räterepublik und des Ruhraufstands beteiligt war. 1924 verteidigte Mayer im Hitlerprozess den Angeklagten Friedrich Weber, den Chef des „ Bundes Oberland“, einer rechtsextremen und antisemitischen Organisation, die 1923 gemeinsam mit der NSDAP den „ Deutschen Kampfbund“ unter Führung von Hitler bildete. Der „ Bund Oberland“ zeichnete sich durch brutale Gewaltexzesse z.B. bei der Erstürmung des St. Annabergs in Oberschlesien ( 1923) und durch Fememorde aus.

Mayers 1936 veröffentlichtes Lehrbuch “Das Strafrecht des deutschen Volkes“ fand bei den Nazis hohe Anerkennung.

Was sagt das denn wohl über Goldenbogen aus, da es sich doch von selbst versteht, dass ein Doktorand sich einen Doktorvater aussucht, der ihm weltanschaulich möglichst nahesteht ?

Bei Goldenbogens Kameraden Klausa hat es 40 Jahre Protest und Aktionen gebraucht, bis die Uni Bonn und die Uni Düsseldorf sich auf Grund seiner NS Belastungen von der Ehrenbürgerschaft und der Ehrenpromotion distanzieren mussten. Ich bin überzeugt, dass es bei Goldenbogens Ehrung schon nach gut 10 Jahren so weit wäre, wenn die rechten Kräfte sich nicht mehr hinter eurem in der Sache unerklärlichen Schweigen verstecken könnten.

Das deprimiert mich sehr, weil die Weimarer Demokratie nämlich nicht nur an der Zerstrittenheit der linken und bürgerlichen Parteien zugrunde ging, sondern auch an der damals wie heute weit verbreiteten fast pathologischen Verharmlosung des NS. Bis es zu spät war. Es war alles nicht so schlimm, das ist die Dauer-Botschaft der „ Dr. Goldenbogenstraße“ und Goldenbogen war ja nicht der „allerschlimmste Nazi“.

Grüße, Lothar

„Weckruf“ an die Freunde von „Oberberg ist bunt, nicht braun“

 

Euren Aufruf zur Kundgebung gegen die AfD am 24.10. „Wir müssen unsere Werte verteidigen“ habe ich mit großer Sorge gelesen und will noch einmal versuchen, euch ins Gewissen zu reden.

Ich erkenne nämlich darin eine besorgniserregende Ignoranz und partielle Blindheit gegenüber dem wahren Ausmaß rechter Gesinnung und des Rechtsradikalismus. Deshalb befürchte ich , dass ihr ungewollt damit der AfD mehr nützt als schadet. Und das in einer Situation, in der ich wie viele andere nach Abwägung aller Pros und Kontras die Prüfung eines Verbotsantrags für geboten halte.

Ihr werft der AfD und ihrem Aust zu Recht vor: „ Er will aber den Aufbau einer Festung Europa, ein Europa, das sich einmauert und abschottet.“

Habt ihr etwa immer noch nicht mitbekommen, dass längst (fast) ALLE Parteien im Bundestag weit nach rechts gerückt sind und genau das ebenfalls wollen und diese Politik auch längst in der (Frontex)Realität mit äußerster Brutalität umsetzen ? (Dagegen halten nur noch ein paar Wenige aus der zersplitterten Linken und bei den Grünen werden die verbliebenen „Werte-Fundis“ gerade rausgedrängt oder treten aus.)

Die AfD könnte euch also zu Recht fragen: Warum steht ihr nicht auch vor den Parteibüros von CDU, SPD, BSW, Grünen, die doch alle die Berechtigung der AfD- Forderung nach Abschottung, Rückführung und radikaler Abschiebung inzwischen auch erkannt und längst schon übernommen haben ? Sie könnte mit Recht eure Anti-AfD-Aktionen als Ablenkung von der anderen Parteien und somit als billige und verheuchelte Wahlhilfe für eben diese Parteien hinstellen.

Was die Menschenrechte verachtende „Remigration“ betrifft: Waren nicht sogar zwei Mitglieder der oberbergischen CDU Teilnehmer an dem Brandenburger „Remigrationstreffen“? Warum schweigt ihr dazu, statt eine öffentliche Aufarbeitung der CDU als Bündnipartner im Netzwerk gegen Rechts zu der naheliegenden Frage zu fordern, ob und wie weit dieses rassistische Gedankengut in der Partei denn wohl verbreitet ist?

Ein weiterer Anlass dazu ist doch die skandalöse Tatsache, dass nach dem unverbesserlichen Altnazi, SA-Mann und Antisemiten Goldenbogen immer noch eine Straße benannt ist. Diese Ehrung ist für euch offenbar o.k., ihr kritisiert sie nicht einmal. Was habt ihr denn dann gegen die AfD?

Holocaust und Vernichtungskrieg kommen in Goldenbogens Erinnerungen 1979 gar nicht vor, keine Spur von Unrechtsbewußtsein oder gar Reue. Ein besonderer Hinweis für dich, Gerhard: Zwang-arbeiter tauchen nach dem „Zusammenbruch“ nur als bewaffnete, marodierende Banden auf, die „ aus allen Herren Ländern“ ins Oberbergische „gekommen“ (!) sind,, also etwa wie die „Gastarbeiter“ in den 50ern. (Die Juden müssen demnach wohl alle nach Auschwitz „gegangen“ sein.)

Kein Grund, gegen solche rechte Geschichtsklitterung zumindest Einspruch zu erheben? Kann euch das denn tatsächlich egal sein? Wenn ja, warum?

Natürlich habt ihr auch recht damit, dass die AfD den Klimaschutz zugunsten des Wohlstands abräumen will, ein Teil von ihnen leugnet den Menschen gemachten Klimawandel ja sogar wie Trump.

Warum werft ihr aber der AfD zu Recht Verrat am Klimaschutz vor und überseht und verschweigt dabei, dass auch die anderen Parteien längst hinter leeren Worthülsen echten Klimaschutz beerdigt haben, damit der konsumstarken Oberschicht mit ihrem irrsinnigen CO2-Fußabdruck jeglicher Verzicht erspart wird ? Hier nur ein Hinweis dazu: Wer als grüner Minister wie Habeck Wirtschaftswachstum fordert und fördert, koste es was es wolle, und z. B. Verträge über die Lieferung von US Frackinggas (260 mal klimaschädlicher als Kohle!) mit einer Laufzeit von 20 Jahren (!) abschließt, hat Klimaschutz endgültig aufgegeben. Eben das will auch die AfD, nur halt nicht hinten rum, sondern brutal offen! Bei vielen Leuten, denen die Unaufrichtigkeit der angeb-lichen „Werte“-Verteidiger auffällt, geht sie gerade deshalb sogar als „ehrlich“ durch.

2

Jetzt nähert sich wieder der 9.November und die unsäglich oberflächliche Gedenkveranstaltung am ehemaligen jüdischen Friedhof in Nümbrecht. Ihr ruft wieder wie jedes Jahr völlig kritiklos zur Teilnahme auf.

Sie ist verheuchelt, weil die evangelische Kirche, ebenfalls euer Partner im Bündnis gegen Rechts, ihre tiefe Verstrickung in das Pogrom bis heute verschweigt, sowohl Deutschland weit als auch im Oberbergischen.

Zum xten Mal: Die Nazis haben das Pogrom gezielt zu Luthers Geburtstag am 10.11. in Szene gesetzt, seine mörderische Hetzschrift „Wider die Juden und ihre Lügen“ wurde dabei wie ein Drehbuch genutzt: Synagogen verbrennen, Judenhäuser dem Erdboden gleichmachen usw. Deshalb beteiligten sich zahllose evangelische Christen, kirchliche Würdenträger und die Diakonie freudig an dem Exzess ( „Hitler vollendet, was Luther begonnen hat“ ) . Das ist nicht „Gothe-Übertreibung“: Die Ausstellung „Überall Luthers Worte“ von „Topografie des Terrors“ , einer Organisation der Bundesregierung, hat das so ausführlich dokumentiert, dass auch kritische Nachgeborene wie ich sie schockiert verlassen haben.

Ihr könntet doch mal Mut zeigen und am Pogrom-Gedenktag aus dem Ausstellungskatalog den kirchlichen Nazidreck vorlesen und dazu ein paar vergrößerte Fotos zeigen,auf denen die angeb-lichen Nachfolger des Nazareners vor riesigen Hakenkreuzfahnen an und in den Gotteshäusern ihre rechten Arme zum braunen Himmel strecken. Nein ? Warum nicht ?

Im Oberbergischen hat ein SS Trupp aus Drabenderhöhe in den frühen Morgenstunden des 10. Nov den jüdischen Friedhof in Nümbrecht verwüstet, die Synagoge konnten sie nicht abbrennen, sie war im „ Leyland“ vorher schon abgerissen worden. Am Morgen führte der Volksschullehrer seine Schüler zum Friedhof, um unter seiner Anleitung auch die Gräber noch zu schänden, welche die SS des Nachts übersehen hatte. Dieser Lehrer, so hat mir der frühere Vorsitzende der christlich-jüdischen Gesellschaft, Wilfried Hahn versichert, sei ein sehr frommer evangelischer, pietistischer Christ gewesen, ein Evangelikaler, würde man heute wohl sagen.

Luthers mörderischer Antisemitismus zu Hause, in der Kirche und in der Schule in Theorie und Praxis derart in die Köpfe der Kinder gepflanzt: Wundert es da, dass der Generationen überdauert?!

Wäre es nicht längst angebracht, in Erinnerung an diese „Schulstunde“ eine Gedenkveranstaltung am Morgen des 10. 11. durchzuführen, als die Untaten in Nümbrecht und Deutschland tatsächlich stattfanden, anstatt am Abend zuvor, als noch gar nichts geschehen war? Und als einzigen Programmpunkt Luthers Hetzschrift kommentarlos vorzulesen?

Glaubt ihr denn tatsächlich, dass bei uns in Politik, Wirtschaft und konsumistischem Lebensstil die Werte unseres großartigen Grundgesetzes herrschen? Dass bei und von uns die Würde des Menschen, also die eines jeden Menschen auf der Welt, geachtet und respektiert wird? Also dass wir „ unsere Werte“ auch für alle anderen gelten lassen? Für unsere Arbeitssklaven und unsere Klimaopfer in den Ländern des Südens, z.B.? Oder für die kongolesischen Kinder, welche das Coltan für unsere Handies aus den winziges Stollen kratzen müssen? Für die vielen Millionen Kleinbauern, die z.B. für das Kraftfutter unserer Massentierhaltung oder den Lithiumabbau für unsere Elektro-SUVs landlos gemacht wurden und werden?

Ihr ruft auf, „unsere Werte“ gegen die AfD zu verteidigen und verschweigt, dass wir als Nutznießer des neoliberalen Kapitalismus sie tagtäglich und zunehmend rücksichtsloser selbst in die Tonne kloppen. Damit rückt ihr immer näher heran an die stupide Masse der konsumistischen Egomanen, die sich vormachen, nur weil sie nicht wie der Faschist Trump oder die von der AfD schamlos offen einen „Wohlstandsverteidigungsfaschismus“ propagieren, wären sie bereits die Guten.

3

Nach meiner Wahrnehmung entwickelt ihr euch mit euren Kundgebungen in der Fußgängerzone mehr und mehr zu einer Art „Volkshochschule to go“. Es geht dann z.B. um historische Gedenktage wie den Überfall auf Polen oder die Auschwitzbefreiung. Oder auch um rechts-radikalen Morde wie die in Hanau. Um daran zu erinnern, braucht es euch aber nicht, da ja mit wenigen rechten Ausnahmen parteiübergreifend in fast allen Medien sowieso ausführlich und mit Abscheu dazu berichtet wird.

Zum „Geburtstag“ des Grundgesetzes einfach nur die einzelnen Artikel vorzulesen, statt deren stetige Aushöhlung und den tatsächlichen Abbau von Grundrechten kritisch zu würdigen, was soll denn das an Erkenntnis bringen? (Als „Anschauungmaterial“ könnt ihr auf meiner Homepage als eine Art „Liebeserklärung“ meinen Versuch einer solchen kritischen Würdigung finden)

Anprangern, was abstrakt, weit weg oder lange vorbei ist: Als „Gratismut“ hat Enzensberger diese Haltung bezeichnet: Tut keinem weh, aber bewirkt auch nichts.

Das „Böse“ ist jedoch nicht lange vorbei und findet nicht nur woanders statt, es ist unter uns sehr lebendig , auch wenn es sich oft tarnt und verbirgt. Hier vor Ort ist es nicht abstrakt, sondern sehr konkret, es hat Namen und Adressen. Den Rassismus und Antisemitismus allgemein zu verurteilen, ist billig, aber deren konkrete Wurzeln hier offenzulegen, z. B. im Nümbrecht des radikalen Hetzers gegen die Juden Robert Ley, das gibt Stress mit all den Heutigen, die ihre und ihrer Organisationen braune Vergangenheit unter dem Teppich halten wollen. Das sind nicht Wenige, manche bekleiden hohe Positionen in Staat, Wirtschaft und Kirche und zum Teil gehören sie sogar perverserweise zu eurem „Bündnis gegen Rechts“.

Ihr steht noch immer im Ruf, links und kritisch zu sein. Gerade deshalb ist es so schlimm, dass auch ihr zur fortdauernden Ehrung von SA-Goldenbogen oder zu Nümbrechts braunem Kirchensumpf beharrlich schweigt. Denn so können die Rechten euch als Feigenblatt nutzen und Kritiker wie mich isolieren nach der Devise: Seht her, sogar die „vernünftigen“ unter den Linken haben nichts gegen die Goldenbogenstrasse und halten eine Aufarbeitung des radikalen Luther-Antisemitismus im Südkreis nicht für erforderlich. Alles halb so schlimm.

Genau dieses feige Wegschauen der allermeisten Kleinbürger und ihr ängstliches Wegducken vor dem Konflikt mit den Mächtigen hat damals den Nazis den Weg zur Diktatur geebnet. Nur deshalb konnten sie ihre politischen Gegner wie Kommunisten und Sozialdemokraten oder kirchliche Widerständler wie Bonhoeffer bereits kurz nach der „Machtergreifung“ in die spontan errichteten KZs prügeln, foltern oder umbringen.

Wenn ich euren immer angepassteren Weg verfolge, befürchte ich zunehmend , dass sich im Augenblick Geschichte vielleicht doch wiederholt. Diese Erkenntnis ist für einen 68er wie mich, der zeitlebens für Menschenrechte und gegen Rassismus und fortdauernden Nazigeist eingetreten ist, regelrecht niederschmetternd.

Ich hoffe sehr, Gerhard, dass ihr diesen „Weckruf“ als – wenn auch unbequemen und meinetwegen auch überzogenen – Beitrag zu einer notwendigen Diskusssion und Standortbestimmung angesichts einer dramatischen Zeitenwende betrachtet und an alle Mitglieder weiterleitet.

Mit immer noch solidarischen Grüßen,

Lothar


Der Vorstand (und nur der!) von „Oberberg ist bunt, nicht braun“ hat mir geantwortet. Für mich unbefriedigend, aber auch nicht ganz unerwartet:

Hallo Lothar,

vielen Dank für deinen „Weckruf“.

Wir müssen dir aber sagen, dass wir schon ziemlich wach sind. Hast du unseren Aufruf zur Kundgebung am 24. Oktober ganz gelesen? Dort steht unter den Überschrift „Was wollen wir?“:

„Wir wollen ein weltoffenes, demokratisches, solidarisches Europa! Wir wollen ein Europa, das dabei mithilft, dass unser Planet auch in Zukunft noch bewohnbar bleibt! Es ist unhaltbar, dass Leute wie Aust hier bei uns ihre rückwärtsgewandte, menschenfeindliche Politik verbreiten!

Und wir wollen auch nicht, dass Politiker:innen anderer Parteien in Europa die AfD-Propaganda von der „Migrationskrise“ nachplappern und mit pauschaler Schuldzuweisung, mit Abschiebungen, mit Lagern an den EU-Außengrenzen das erledigen, was die extreme Rechte will. Demokratinnen und Demokraten in Europa müssen klare Kante gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit zeigen, sie müssen deutlich machen, dass die Forderungen der AfD und ihrer politischen Kumpane nicht hingenommen werden!“

Das ist doch ziemlich nahe an dem, was du dir wünschst!

Wir demonstrieren allerdings nicht vor den Büros von CDU, SPD, Grünen oder FDP, sondern vor dem Büro der AfD. Denn es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen der AfD und den anderen Parteien: Die AfD hat den Rassismus in ihrem Programm und in ihrer Grundhaltung. Die anderen Parteien handeln zum Teil im Widerspruch zu den von ihnen vertretenen Werten und Grundhaltungen: Christliche Werte stehen ebenso im Widerspruch zu einer Abschottung gegenüber Menschen in Not wie es die Werte von Solidarität und Menschenrechten tun. Wir haben mit der AfD keine gemeinsame Grundlage, die anderen Parteien können wir an ihren Grundwerten „packen“. Ein Beispiel: Wir können der AfD keinen „Verrat am Klimaschutz“ vorwerfen, weil sie nie behauptet hat, sie stehe für Klimaschutz. Ganz anders ist das bei den Grünen: Mit denen kann und muss man die Diskussion darüber führen, ob Fracking-Gas aus den USA wirklich eine Alternative zu russischem Erdgas sein kann und ob das zu ihren Werten und Versprechen passt. Das ist allerdings nicht unbedingt Gegenstand unserer Arbeit, sondern das muss bei den Klima-Demonstrationen angesprochen werden.

Damit sind wir bei einem sehr wichtigen Punkt: Wir als „Unser Oberberg ist bunt, nicht braun!“ sind ein Bündnis, in dem sich Menschen aus verschiedenen Parteien und Strömungen zusammen gefunden haben, um gemeinsam gegen die Bedrohung durch die extreme Rechte anzugehen. Wir sind nicht per se „links“. Und angesichts des massiven Anwachsens der AfD, angesichts der Gefahr, dass Rassismus, Antisemitismus und Bekämpfung der Armen statt Bekämpfung der Armut bis in die Mitte der Gesellschaft salonfähig zu werden drohen, können wir uns es nicht leisten, auf Bündnispartner zu verzichten, auch wenn wir nicht in allen Punkten mit deren Haltung einverstanden sind.

Auch dazu ein Beispiel: Als wir im Herbst 2023 gegen den Auftritt von Matthias Helferich bei der AfD in Vollmerhausen demonstriert haben, hat uns Ina Albowitz von der FDP ein Grußwort geschickt. In meinem Redebeitrag habe ich auch Gerhart Baum zitiert – und dazu gesagt:

Gerhart Baum ist FDP-Mitglied, er war vor 45 Jahren Innenminister. Wer mich kennt, weiß, dass ich in vielen Punkten mit der FDP nichts am Hut habe – doch es ist jetzt wichtiger, dass wir alle gemeinsam gegen die Feinde der Demokratie aufstehen, bevor es zu spät ist. Wenn die AfD durchkommt, haben wir keine Chance mehr, über Tempolimit und gerechte Steuern zu diskutieren.“

Die Zeit vor 1933 war geprägt davon, dass die Gegner der Nazis sich gegenseitig bekämpft haben. Diesen Fehler dürfen wir nicht wiederholen.

Haltung beurteilst, ohne dass du vollständig informiert bist. Am Tag des Grundgesetzes wurden nicht nur Artikel verlesen. Lies doch bitte einmal unseren Flyer, den wir am Jahrestag des Grundgesetzes verteilt haben. Lies unsere Redebeiträge bei den Kundgebungen im Frühjahr. Oder im Januar 2022 in Waldbröl. Auch über die Mitwirkung zweier CDU-Mitglieder an dem Geheimtreffen in Potsdam haben wir berichtet – noch bevor es in der Presse stand. Lies nach! Willst du uns dann noch immer als „angepasst“ bezeichnen und uns „Gratismut“

Soweit das Grundsätzliche. Deine beiden Anliegen, die braune Vergangenheit von Goldenbogen und den Antisemitismus Luthers zu thematisieren, können wir gut nachvollziehen. Wir hatten – zeitlich passend zur Machtübertragung an die Nazis – viel Energie in eine Kampagne zur Umbenennung der Hindenburgstraße in Gummersbach gesteckt und sind damit abgeschmettert worden (obwohl wir die besseren Argumente hatten). Wir haben nicht die Kraft und nicht die Zeit, jetzt noch einmal Energie in eine Umbenennung der Goldenbogen-Straße in Waldbröl zu stecken (wir haben schon vor zwei Jahren die Schulen angeregt, über Goldenbogen zu recherchieren). Deinen Hinweis zu Goldenbogens Erinnerungen zum Thema „Zwangsarbeiter“ greifen wir gerne auf, zum einen auf unserer Homepage in der Rubrik „Zwangsarbeit“, zum anderen bei öffentlichen Vorträgen zu dem Thema.

Ob und wie sich die evangelische Kirche im Oberbergischen zum Antisemitismus Luthers geäußert hat, wissen wir im Detail nicht. Vertreter der Kirchen haben in Nümbrecht aber mehrfach klar gesagt, dass die Kirche in der NS-Zeit versagt hat. Wir wissen, dass die Kirche heute nicht antisemitisch ist, dass sie sich klar gegen Antisemitismus und Rassismus stellt. Darauf kommt es für uns an.

Wir wissen nicht, wann du zum letzten Mal bei der Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht in Nümbrecht warst. Die Veranstaltungen, die wir besucht haben, waren nie oberflächlich, sie haben sich – wie eben schon gesagt – auch mit der Verstrickung der Kirche in den Nazi-Staat auseinandergesetzt. Wir sind aber weder Veranstalter oder Mitveranstalter, deshalb haben wir keinen Einfluss auf die Gestaltung der Feier. Deinen Vorschlag dazu richtest du besser an die CJZ und die Freundeskreise Wiehl/Jokneam und Nümbrecht/Mateh Yehuda.

In mehreren Punkten deines Briefes kommen wir zu dem Eindruck, dass du unsere Arbeit und unsere Haltung beurteilst, ohne dass du vollständig informiert bist. Am Tag des Grundgesetzes wurden nicht nur Artikel verlesen. Lies doch bitte einmal unseren Flyer, den wir am Jahrestag des Grundgesetzes verteilt haben. Lies unsere Redebeiträge bei den Kundgebungen im Frühjahr. Oder im Januar 2022 in Waldbröl. Auch über die Mitwirkung zweier CDU-Mitglieder an dem Geheimtreffen in Potsdam haben wir berichtet – noch bevor es in der Presse stand. Lies nach! Willst du uns dann noch immer als „angepasst“ bezeichnen und uns „Gratismut“ bescheinigen?

Wie wir gesehen haben, hast du deinen „Weckruf“ auf deinem Blog veröffentlicht. Wir müssen ihn also gar nicht mehr an unsere Mitglieder weiterleiten.

Stellungnahme zu Maik Bubenzers Beitrag im Band 15 der Beiträge zur Oberbergischen Geschichte

 

Leider setzt Bubenzer die Strategie fort, das „Fortbestehen von Nazigeist nach 45 und den Schutz der Täter“ möglichst zu verschweigen, zu verharmlosen oder davon abzulenken.

Wenn er den zitierten Text dazu auf meiner Homepage aufmerksam gelesen hätte, müsste er wissen, dass der Anlass für meine Forderungen die entsprechenden Forschungsergebnisse beim LVR waren, insbesondere die zum Gründungsdirektor Udo Klausa. Dazu war der LVR nach langjährigen Auseinandersetzungen 2010 gezwungen worden, hauptsächlich durch den Verein SSK und meine Person. Wir sind keine Historiker, sondern haben schwerste Menschenrechtsverletzungen in den Erziehungsheimen und Psychiatrien des LVR aufgedeckt und sind dabei auf massive personelle und ideologische NS Kontinuitäten gestoßen.

Die teils vertuschte, teils verharmloste NS Belastung des hochgeehrten Klausa wurde zunächst von der englischen Historikerin Mary Fulbrook offengelegt und dann von den Historikern Uwe Kaminsky und Thomas Roth. Vor wenigen Jahren erst mussten sich auf meine wiederholten Aufforderungen hin die Uni Bonn von Klausa als Ehrenbürger und die Uni Düsseldorf von ihm als Ehrendoktor distanzieren.

Ins Visier der Historiker war auch Goldenbogen und dessen NS Vergangenheit geraten. Denn er gehörte auch zu den Gründern und bis 1979 zu den Mächtigen im LVR; er hat Klausa zu dem Posten verholfen und war ebenfalls NS belastet.

Dies nahm ich 2011 zum Anlass für eine Anregung beim Kreistag, ebenfalls einen unabhängigen Historiker mit der Erforschung von „personellen und ideologischen Kontinuitäten“ zum NS zu beauftragen, zumal ja Oberberg eine Nazi-Hochburg war. Der Kreisausschuss stimmte zu und dann geschah lange nichts! Nach Jahren habe ich gemahnt und schließlich beauftragte der Landrat den Kreisarchivar Pomykaj, der dann seine Forschungsergebnisse in dem besagten Vortrag 2016 vorstellte.

Sein Vortrag war also die Antwort des Kreistags auf meine Anregung von 2011; der Vortrag wies jedoch neben vielen interessanten Erkenntnissen nach meinem damaligen Wissenstand mindestens zwei unentschuldbare Lücken auf: Die eine war die NS Belastung von Kreistagsmitgliedern, vor allem die des früheren SS-Führers Herrmann Schuster (FDP), einem einflussreichen Möbelhändler aus Nümbrecht, der noch in den 70ern offen als unverbesserlicher Nazi in Erscheinung trat.

Die andere war die NS Belastung des früheren OKD Goldenbogen (CDU), der bis 79, ausgestattet mit einer beispiellosen Ämterhäufung, den Kreis autokratisch regierte. Pomykaj erwähnte dessen Mitgliedschaft in der NSDAP und verschwieg aber die Mitgliedschaften in der SA, dem NS Rechtswahrerbund und einer universitären NS Organisation. Nur deshalb konnte er Goldenbogens Belastung mit der launigen Formulierung „nicht der allerschlimmste Nazi“ unerträglich verharmlosen.

Der Vorwurf „Mantel des (Ver)Schweigens“ ist also sehr konkret und nicht „pauschal“, egal was es sonst noch für Veröffentlichungen in Oberberg gibt. Daran ändern auch die Verdienste nichts, die sich Pomykaj in der lokalen Forschung ansonsten erworben hat.

Bubenzer schafft sodann das logische Kunststück, in einem einzigen Satz den Vorwurf der fehlenden Unabhängigkeit Pomykajs zurückzuweisen und ihn gleichzeitig (ungewollt) zu bestätigen, indem er auf den Vortrag des „Kreisarchivars“ von 2016 (s.o.) verweist: Als Kreisangestellter ist Pomykaj selbstverständlich sehr abhängig vom Landrat, der natǘrlich möglichst verhindern will, dass die NS-Belastung seines hochgeehrten Parteifreunds und Vorgängers im Amt bekannt wird. Umso mehr, als er persönlich zum 25. Todestag den Übervater Goldenbogen an dessen Grab mit einer Kranzniederlegung geehrt hat.

Pomykaj hätte den Auftrag mit dem Hinweis ablehnen müssen, dass es wissenschaftlich als nicht korrekt gilt, mit solch heiklen Aufträgen abhängig Beschäftigte zu betrauen. Oder eben den Mut aufbringen, der Öffentlichkeit auch gegen den Willen des Chefs die unangenehme Wahrheit vorzulegen.

Mit dem argumentativen Eiertanz, den nun auch Sie vorführen, machen Sie sich als ernsthafter Historiker lächerlich.

Natürlich steht Goldenbogen wegen seiner übermächtigen Position bei der Aufarbeitung des oberbergischen NS im Vordergrund, der Fisch stinkt halt auch hier vom Kopf her. Er hätte die Karriere in der Demokratie nicht nur wegen seiner NS Vergangenheit nicht machen dürfen , sondern vor allem deshalb, weil er zeitlebens nicht die Spur von Einsicht oder gar Reue gegenüber dem Nazi-Unrechtsregime zeigte, siehe sein unsägliches Interview im Jubelband von 1979.

Mein Vorwurf des Antisemitismus beruht nicht auf „Vermutungen“. Fest steht, dass Goldenbogen den offen bekennenden radikalen Antisemiten Peiner über die Maßen förderte. Das ist doch nur denkbar, wenn Antisemitismus für Goldenbogen kein nennenswerter Makel ist, insofern muss er schon selber einer sein. Oder gibt es auch Antisemitismus light ?

Im Vortrag von Mai 2022 nahm Pomykaj eben nicht zu diesen Vorwürfen „ausführlich Stellung“. Er äußerte sich gar nicht dazu, warum er die SA -Mitgliedschaft nicht erwähnt hat, sondern brüllte mich stattdessen von oben herab wie auf dem Kasernenhof an: „ Jetzt reichts!“ Darauf spielen Sie wohl mit dem Begriff „emotional“ an.

Bei Klausa hat es 40 Jahre und eine englische Historikerin gebraucht, bis seine NS Belastung offen gelegt, er vom LVR-Sockel gestoßen wurde und die Unis sich von den Ehrungen distanzieren mussten. Auch in Oberberg scheinen die Selbstreinigungskräfte zu schwach entwickelt zu sein, so dass auch hier echte Aufklärung von außen kommen muss. Vielleicht schafft es ja jetzt endlich der unabhängige Historiker, den der Kreistag bereits 13 Jahre nach meiner entsprechenden Anregung beauftragt hat.

Lothar Gothe

Leserbrief zum Artikel „Auch Oberberger wurden ermordet“

Endlich sollen also in Oberberg die Krankenmorde und Zwangssterilisierungen historisch aufgearbeitet werden, allerdings mindestens 70 Jahre zu spät. Die überlebenden Opfer sind jetzt ja vermutlich fast alle verstorben und können als Zeitzeugen nicht mehr befragt werden. Auch Täter können deshalb nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden. Es wurden nämlich nicht nur Oberberger ermordet, sondern es haben auch Oberberger mit gemordet.

Dieser Vorwurf trifft nach den Feststellungen des renommierten Historikers Ernst Klee vor allem die evangelische Kirche und die Diakonie, die Trägerin des erwähnten Heimes in Waldbröl-Segenborn. In seinem Buch „Euthanasie im NS-Staat“ (Frankfurt 1985) ist zu lesen, dass in der berüchtigten psychiatrischen Vernichtungsanstalt Meseritz-Obrawalde (heute Polen) auch Transporte aus Waldbröl angekommen sind. Die Krankenmorde an Oberbergerinnen in Hadamar müssen Ausnahmen gewesen sein, denn in der Regel wurden diese in weit entfernten Anstalten durchgeführt, um Angehörigen Nachforschungen zu erschweren.

Nach Klee waren Diakone und ihre Führung überwiegend glühende Nazis, viele waren SA-Mitglieder, die Diakonie müsse die „SA Jesu Christi und die SS der Kirche“ sein, so der Central-Ausschusss. Mit Hitlergruss, Sieg-Heil-Gebrüll und Absingen des Horst-Wessel-Lieds wurde der Diakonentag 1933 in Hamburg begangen. Mit der Nazi-Eugenik weitestgehend einverstanden, bezeichneten sie ihre Schutzbefohlenen selbst als „minderwertig“ und „Ballastexistenzen“, führten Zwangssterilisierungen durch und leisteten keinen nennenswerten Widerstand gegen die Tötung ihrer Schutzbefohlenen.

In ihrem unerträglich verharmlosenden Buch „Mein Vater Robert Ley“ beschreibt die Tochter Renate Wald seinen Besuch in dem Heim, dessen Gebäude er für ein KdF Hotel beanspruchte.-Widerstand gegen die Räumung habe es nur vom Provinzialausschuss, dem Vorgänger des heutigen LVR, gegeben.

Seit meiner Kindheit kannte ich eine kluge und warmherzige Frau aus dem Othetal, die wegen Defiziten beim Schreiben und Rechnen zwangssterilisiert worden war. Die lagen nicht an ihrem IQ, sondern an der Armut ihrer Familie. Wegen der Krankheit der Mutter oder mangels Winterschuhen konnte sie immer wieder wochenlang die 3 km entfernte Schule nicht besuchen.

Als sie in den 50ern, verheiratet mit einem Facharbeiter, ein neu gebautes Eigenheim bezogen hatte, beantragte sie eine Adoption beim Jugendamt. Die wurde abgelehnt. Ein Grund dafür kann nur in den (angeblich vernichteten) Akten des Gummersbacher Erbgesundheitsgerichts zu finden sein.

Welch ein Segen wäre aber die Adoption z. B. für zwei Jungen aus dem 2 km entfernten Josefsheim gewesen, wo sie vergewaltigt und brutalsten Strafen unterzogen wurden, ohne dass je das Jugendamt oder eine andere Behörde einschritt!

Leserbrief zum Artikel „Eine neue Festung für die Veste“ vom 9.9.24

Vor 60 Jahren habe ich in den Semesterferien bei der Bergneustädter Firma Dr. Herrmann Müller (heute Martinrea) gearbeitet und hatte als Werkstattschreiber relativ guten Einblick in die Abläufe. So bekam ich mit, dass teils hochproblematische Abfälle einfach auf der Müllkippe abgeladen wurden. Diese befand sich in der Talstrasse, genau dort, wo gerade der als Ritter ausstaffierte Bürgermeister den neu gestalteten tollen Kinderspielplatz eröffnet hat.

Die Kippe ist da immer noch. Denn seinerzeit hat man nach der Devise „Aus den Augen, aus dem Sinn“ die krasse Umweltsünde samt verrohrtem Bachlauf einfach unter Erdaushub verschwinden lassen und darauf Park und Spielplatz angelegt. Wenn irgendwann die Betonrohre undicht werden und ein undefinierbarer Chemiecocktail die Dörspe vergiften sollte, werden es leider die heute so begeisterten Kinder sein, welche die Folgen tragen müssen.

Genauso verhält es sich mit der Müllkippe in der Sülemicke, in der ganze Schrottautos und giftige Abfälle der Fa. Gast „entsorgt“ wurden: Heute ein idyllischer Hundetrainingsplatz.

In ganz großem Stil wurde diese kostengünstige Entsorgungs-Methode beim Super-Vorzeige-Umwelt-Projekt Metabolon angewendet: Millionen Tonnen Haus- und Gewerbemüll haben die ehemalige „ Mülltalsperre“ gefüllt und zu einem vulkanartigen Berg aufgetürmt: Wieder Plastikplane und Erde über den gewaltigen Chemiereaktor, Streicheltiere und Superrutsche oben drauf und dazu noch ein kompetentes Umweltzentrum. Doch Gnade Gott unseren Nachkommen, wenn der tönerne Untergrund dieser monströsen chemischen Zeitbombe undicht werden sollte (so die Befürchtung der damaligen Bürgerinitiative) oder der teuflische Berg durch Extremregen ins Rutschen käme!

Allerdings kann es auch sein, dass unsere Kinder und Enkel diese Horrorszenarien gar nicht erleben müssen: Denn die treusorgenden Eltern haben ja vielleicht zuvor schon den ganzen Globus als menschlichen Lebensraum durch eine Klimakatastrophe ruiniert: Fahren doch besonders die Wohlhabenden unter uns ungebremst damit fort, für eine gierig-konsumistische Lebensweise die Atmosphäre als Sondermülldeponie für CO2 und andere Klimakillergase zu missbrauchen.

Bis dahin soll es aber offenbar den Kindern genau wie uns Alten an nichts fehlen, alles vom Feinsten, „sauber und sicher“ und selbstverständlich „inklusiv und barrierefrei“, so wie es sich für eine zivilisierte Kulturnation gehört.


Worauf mir Frau Thielen von der Lokalredaktion Gummersbach antwortete:

Sehr geehrter Herr Gothe,

vielen Dank für die Zusendung Ihres Leserbriefes zum Spielplatz in Bergneustadt. Wir haben die Stadt Bergneustadt um Stellungnahme zu Ihren Vorwürfen gebeten und werden das Thema redaktionell aufgreifen. Ihr Leserbrief wird in diesem Artikel dann seinen Platz finden und deshalb nicht in unserer Leserbrief-Rubrik abgedruckt.

Mit freundlichen Grüßen

Linda Thielen
Stellvertretende Redaktionsleiterin


Was dann auch geschah, aber mit einem – meiner Meinung nach – sehr zweifelhaften Ergebnis. Auf das ich noch einmal reagieren musste:

Verehrte Frau Thielen,

nachdem ich heute Ihren Artikel gelesen habe, stelle ich fest, dass Sie leider journalistisch nicht sauber gearbeitet haben:

Sie haben von vier „schweren Vorwürfen“ zu einem unverantwortlichen Umgang mit Altdeponieen in meinem Leserbrief nur den zum Spielplatz herausgegriffen und sodann einen argumentativen Popanz aufgebaut, um diesen dann vom Bürgermeister widerlegen zu lassen: Dass nämlich eine Gefahr für Besucher des über der Deponie befindlichen Spielplatzes behauptet worden sei.

Das hat aber niemand getan, auch ich nicht! Ich habe vielmehr auf eine ganz andere Gefahr für die heutigen Kinder hingewiesen: Dass nämlich demnächst durch eine undicht gewordene Verrohrung des Bachlaufs giftige Sickerwässer aus dem unbekannten Gemisch von Hausmüll und Industrieabfällen („undefinierbarer Chemiecocktail“)in die Dörspe gelangen könnten.Diese Gefahr hat der Bürgermeister (den ich übrigens persönlich schätze) ja bestätigt, auch wenn er erklärt, dass ein Großteil des unbekannten Abfallgemischs entsorgt worden sei, als eine Kanalisation durch die Kippe hindurch gebaut werden musste. Dass diese Entsorgung viel Geld gekostet hat, lässt darauf schließen, dass es sich zumindest teilweise um Sondermüll gehandelt hat und erklärt wohl auch, warum denn nicht pflichtgemäß der gesamte Problemmüll entsorgt wurde. Die Gefahr besteht also weiterhin und die Schlagzeile „Es besteht keine Gefahr“ ist somit eindeutig falsch und als fake news zu werten.

Sie halten offenbar die Angaben zu meinen weiteren Beispielen für rücksichtsloses Wohlleben zu Lasten der nachfolgenden Generationen wie die Deponieen Sülemicke (was hat denn der Bürgermeister dazu gesagt?) und Metabolon sowie den Missbrauch der Atmosphäre als Deponie für „Klimakillergase“ für falsch und nicht erwähnenswert und verschweigen sie daher. Da müssen Ihre recherchierten Daten dazu allerdings völlig andere sein als die mir vorliegenden. Deshalb bitte ich, mir die Ihren unbedingt zugänglich zu machen.

Ich sehe die Entwicklung der Medien sehr kritisch, trete aber der Parole der Rechtsradikalen von der „Lügenpresse“ stets entschieden entgegen. Aber diese Art Berichterstattung zur Entlastung von für Misstände Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik ist Wasser auf deren Mühlen.

Und weil Sie ja auch für Kultur zuständig sind, nebenbei noch eine etwas unbescheidene Bemerkung: Ich glaube, dass mir mit diesem Leserbrief ein wirklich gut komponierter literarischer Text gelungen ist. Da ein Teil herauszureißen, an seinem Inhalt herum zu manipulieren und die anderen Teile in die Tonne zu kloppen, das kommt bei mir an wie eine Art kulturelle Barabarei.

Mein Leserbrief hat also in Ihrem Bericht keinen Platz gefunden. Deshalb erwarte ich, dass Sie ihn nunmehr auch als solchen veröffentlichen, damit sich Ihre mündigen Leser auf Grund überprüfbarer Fakten selber ein Bild machen können.

Gruss,
Lothar Gothe

 

Leserbrief zum Artikel „Wo die AfD Wahlsiegerin ist“ vom 11.6.24

Wie schon in früheren Wahlen oder bei den „Spaziergangdemos“ sticht Oberberg nun auch in der Europawahl überregional als Rechtsausleger hervor. Natürlich zeigen sich die Vertreter der „etablierten“ Parteien wieder pflichtgemäß „geschockt“, haben wir doch ein allumfassendens „Bündnis gegen Rechts“ und uns vor kurzem noch in den Demos für Demokratie am angeblich so „bunten“ Oberberg regelrecht berauscht. Und jetzt das: Oberberg wird wieder braun, nicht bunt!

Die sattsam bekannten flachen Politiker-Statements zu den AfD-Erfolgen hängen einem inzwischen zum Halse heraus: „einfache Botschaften“, „Frustration der Wähler“, geringe Wahlbeteiligung usw.; vor allem auch die unerträglich anmaßende Standardplattitüde, es gelte, die Menschen dort „abzuholen“, wo sie stehen. Als wären wir Wähler unmündige Kinder, die von erziehungsberechtigten Politikern an die Hand genommen werden müssen.

Statt auf diese Weise im Nebel der eigenen Ratlosigkeit herumzustochern, könnte vielleicht ein Blick in die Vergangenheit weiterhelfen: Da fällt nämlich sehr unangenehm auf, dass die heutigen Hochburgen der AfD weitgehend übereinstimmen mit den damaligen Hochburgen der NSDAP. Das spricht für eine erschreckende Kontinuität!

Die gäbe es in diesem Ausmaß sicher nicht, wäre nicht eine ehrliche Aufarbeitung in der Politik und bei den Kirchen bis heute unterlassen bzw, verhindert worden. Denn so konnte sich das Virus der ansteckenden Geisteskrankheiten Rassismus und Antisemitismus unter der Decke lange ungestört bis zur heutigen „Pandemie“ vermehren.

10 Jahre lang ließ mich der Kreistag mit der Forderung nach NS-Aufarbeitung gegen die Wand laufen. Jetzt erst, wo das Kind im Faschismus-Brunnen liegt, soll ein unabhängiger Historiker ran. Die evangelische Kirche weigert sich aber bis heute, am Pogromtag nicht nur der jüdischen Opfer zu gedenken, sondern auch die eigene Beteiligung daran und die eigenen Täter zu benennen, zuoberst den glühenden Antisemiten Dr. Martin Luther.

Deshalb steht Oberbergs Politik jetzt vor einer unglaublichen Peinlichkeit: Hat doch die rechtsradikale Fraktion im EU-Parlament die AfD ausgeschlossen, weil sogar ihr die Verharmlosung einer Mitgliedschaft in der SS durch den AfD-Spitzenkandidaten zu weit ging. In Oberberg hingegen wird die Mitgliedschaft in der nicht minder terroristischen SA nicht nur verharmlost, sondern man hält sogar parteiübergreifend daran fest, den Altnazi und SA-Mann Goldenbogen weiterhin mit einem Straßennamen zu ehren.

Auch deswegen lebe ich inzwischen in großer Angst um meine Enkel, weil sie akut bedroht sind von neuem Krieg und altem Faschismus, der durch die immer verheerendenderen Folgen unseres anhaltenden Blindflugs in Richtung Klimakatastrophe enorm getriggert wird.

Dem Grundgestz zum 75.

Mir geht das seichte, völlig unkritische Gelaber zum Umgang mit unserem wirklich guten Grundgesetz furchtbar auf den Wecker, weil so verheuchelt und verlogen. Ich möchte mich zum diesjährigen 75. Geburtstag darum mit einem Beitrag beteiligen, den ich schon 2014 geschrieben habe – und dem trotzdem eigentlich nichts hinzuzufügen ist:

Über die unantastbare Würde des Menschen anno domini 2014

1.

Das Grundgesetz ist deshalb eine so gute Verfassung, weil es lapidar und ohne Wenn und Aber die Würde des Menschen für unantastbar erklärt, und von aller „staatlichen Gewalt“ die strikte Einhaltung dieses Gebots verlangt.

Wir alle wissen, daß dies so uneingeschränkt in unserem Land nie die alltägliche Wirklichkeit war, daß dieser Grundsatz immer wieder verletzt wurde, oft gerade von der „staatlichen Gewalt“. Wir haben auch erleben müssen, wie dieses eigentlich unveränderliche Gebot durch zahlreiche Erweiterungen, Veränderungen und Ergänzungen immer weiter untergraben wurde ( Notstands- gesetze, Antiterrorgesetze, Asylrechtsabbau etc.).

Der Bundesbürger kann sich also immer weniger darauf verlassen, daß dieser Verfassungsgrundsatz seine Würde in der Realität tatsächlich schützt.

2.

Nach dem Wortlaut des Grundgesetzes ist aber nicht die Würde des deutschen Menschen unantastbar, sondern ganz allgemein die des Menschen, also aller Menschen, also die eines jeden Menschen auf der ganzen Welt!

Das aber kann angesichts der herrschenden Verhältnisse nicht ernst gemeint sein, und das wird in all seinen Konsequenzen hierzulande sicherlich auch kaum einer wollen. Oder wollen wir etwa der Frau in Bangladesh, die unsere T-shirts unter menschenunwürdigen Bedingungen für 38 Euro im Monat näht, auch den Mindestlohn von 8.50 Euro zugestehen? Auch dann, wenn T- Shirt, Jeans etc, das Doppelte, Dreifache, Vielfache kosten? Die Preise für Turnschuhe, Flachbildschirme, Haushaltsgeräte, Möbel, für nahezu alle Konsumartikel durch die Decke gingen? Wollen wir das wirklich?

Nehmen wir an, es gäbe eine Volksabstimmung darüber, ob wir auch allen Menschen in den Armuts- und Elendszonen der Welt die angeblich unveräußerlichen Menschenrechte garantieren sollen, also die „Grundgesetzwürde“. Da der dafür unvermeidliche Preis bei uns ein radikaler Konsumeinbruch wäre, wie ginge dann wohl die Abstimmung aus? Weiterlesen

Aufruf / Hilferuf!

zur Unterstützung des gemeinnützigen Projekts für Klimaschutz, Klimaanpassung und KLIMAGERECHTIGKEIT „SUBSISTENZHOF LAND IN SICHT“

Dieses Projekt würde ich gerne am Ende meiner Tage noch auf meinem kleinbäuerlichen Hof verwirklichen und ihn dazu in eine gemeinnützige Rechtsform überführen, am liebsten in Form einer gemeinnützigen Stiftung.

Nicht wenige der mir nahestehenden Menschen halten meinen Versuch, ein solches Projekt ins Leben zu rufen, für völlig unrealistisch und einige sogar mehr oder weniger für eine Art Wahnidee. Nicht ohne Grund: Ich bin inzwischen 80 Jahre alt, Krebs Überlebender mit halber Lunge und leide an chronischem Husten und Erschöpfungsphasen, vermutlich Long Covid. Zudem verfüge ich neben den Hofgebäuden, dem Inventar, den Maschinen und dem Land nur über eine kleine Rente und kein Kapital.

Ich traue mich mit diesem Projekt auch nur deshalb an die Öffentlichkeit, weil wir in Zeiten leben, in denen ein anderer, allgemeiner und geradezu (selbst)mörderischer Wahnsinn zunehmend die Oberhand gewinnt, der geeignet ist, die Grundlagen der Zivilisation und des menschliches Lebens auf unserem blauen Planeten irreversibel zu zerstören. Durch eine unheilige konsumkapitalistische Allianz des „Weiterso“ von reichen Unternehmen, Politikern, Wählern und Konsumenten droht der Kampf gegen den Klimawandel zu scheitern, so der Soziologe Jens Beckert in seinem neuen Buch „ Verkaufte Zukunft“, um nur einen der vielen wissenschaftlichen Warner zu nennen.

Gefährlich an diesem schlafwandlerischen Taumeln Richtung Abgrund ist auch das Versäumnis, rechtzeitig Klimaanpassungsschritte bei Produktion und Lebensstil einzuleiten und entsprechende Versuche durchzuführen, vor allem – aber nicht nur – den Landbau betreffend.

Ich traue mich auch deshalb, weil Meggie Lück und ich seit Anfang der 90er bereits im Hinblick auf die damals bereits absehbare Klimakrise den Hof weitgehend in Subsistenz bewirtschaftet und verschiedene Anpassungsversuche durchgeführt haben. ( Siehe unsere Broschüre von 1990 „Land in Sicht“). Ein zweites Subsistenzprojekt war die Kompostanlage in Eckenhagen, die vor allem von Klaus Breidenbach und Peter Hahner ins Leben gerufen und betrieben wurde und im Unterschied zu den industriellen Großanlagen aus Küchenabfällen Fremdstoff freien, für den Lebensmittelanbau geeigneten Kompost herstellte. Für die Zukunft ebenfalls dringend benötigt!

Viele von euch kennen unseren damaligen, heute meinen Hof und viele haben meinen Leserbriefen teils begeistert zugestimmt, in denen ich immer wieder penetrant vor den verschiedenen Folgen des neoliberal-blinden Tanzes ums goldene Kalb gewarnt habe: Sozialen Verwerfungen, Zusammenbruch staatlicher Strukturen, anwachsenden (Klima-) Flüchtlingsströmen und am Ende erneut Faschismus und Nazidiktatur. Heute, wo der Klimakollaps und seine Begleiter Krieg, Faschismus und Pandemie den Fuß auch in unsere deutsche Haustür gestellt haben und Wohlstandsabspeckung ansteht, mögen manche meine alarmistischen Verzichtsappelle anscheinend aber nicht mehr hören.

Weil es so bitter wenig ist, was gegen die Klimakrise unternommen wurde, sind alle SubsistenzProjekte und Erfahrungen so wichtig, auch die gescheiterten. Nicht auf das kleinste Mosaiksteinchen einer gelebten Subsistenzpraxis können wir verzichten.

Deshalb dieser Versuch eines maladen alten Träumers, sei er auch eine noch so unrealistische Verzweiflungstat. Ich könnte es mir jedenfalls nicht verzeihen, die Rettung des Subsistenzhofs und seine Überführung in Gemeineigentum nicht wenigstens versucht zu haben.

Falls sich Interessierte melden, egal für welche Art von Unterstützung, würde ich sie an einem Wochenende zu einem ersten Treffen auf dem Hof einladen.

Weil ich nicht Internetaffin bin, bitte ich um Weiterleitung an mögliche andere Interessenten.

(Auf meine Homepage stelle ich weitere Texte und eine kleine Bücherliste zum Thema „Subsistenz“)

VORLÄUFIGES HOFKONZEPT

Der Hof soll einem Kollektiv von engagierten Menschen die materielle Basis dafür bieten, in Subsistenz zu leben und zu arbeiten, sich ohne Angst vor Repressionen politisch und gesellschaftlich für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit einzusetzen, Versuche zur Anpassung beim Landbau an die zukünftigen Dürren und Starkregen durchzuführen und den Armen durch Hilfe zur Selbsthilfe in der kommenden Ernährungskrise beizustehen.

Ich kann nur den Hof mit 5 ha Grün- und Gartenland und 3 ha Wald einbringen, sowie seine Einrichtungen, Maschinen und Geräte und langjährige Erfahrung, mir fehlt aber das erforderliche Startkapital. Für die Errichtung einer Stiftung braucht es daher noch Menschen, welche ihr mit Geld beitreten und Menschen, die mit praktischer Hilfe den weiteren Aufbau des Stiftungshofs unterstützen.

Startkapital braucht es auch deshalb, weil Um- und Ausbauten nötig sind, um Wohnraum für 5, 6 oder 7 Leute zu schaffen, um Geräte und Wirtschaftsgebäude instandzusetzen oder neu zu errichten. Auch muss ein Teil des Grünlands weiter nach dem Agroforstsystem ausgerichtet und mit Obstbaumreihen, Gehölzstreifen und Hecken bepflanzt werden, damit dazwischen in den kommenden Dürreperioden Gartenbau oder Feldwirtschaft betrieben werden kann. Gleichzeitig müssen die Fruchtbarkeit und die Wasserspeicherfähigkeit der Böden mit Kompost oder Gebüschkompost verbessert werden.

Es sind also erhebliche Vorleistungen nötig, bis der „Stiftungshof“ eine ausreichende materielle Grundlage bietet, um einem Kollektiv neben der Sicherung seiner Existenz die Erfüllung seiner gesellschaftlichen und politischen Aufgaben zu ermöglichen.

Deshalb will ich das Projekt in einem ersten Schritt an Klimaschutz und Klimagerechtigkeit interessierten Menschen vorstellen und mit ihnen das Konzept diskutieren, um dann heraus zu finden, ob es genügend Mitstifter, Mithelfer und Unterstützer gibt. Wenn das gewährleistet ist, hoffe ich, dass sich nach einem öffentlichen Aufruf engagierte Menschen finden werden, um in dem Projekt zu leben, zu arbeiten und für eine „andere Welt“ zu kämpfen.

Ich schätze, dass ca. 300 000 – 500 000 Euro zusammen kommen müssen, um das Subsistenzprojekt startklar zu machen und für die nächsten Jahre abzusichern. Falls es nicht gelingt, diese Mitstifter zu finden, bliebe noch die Möglichkeit, finanzielle Hilfe bei bestehenden Stiftungen zu suchen oder einer solchen als Unterstiftung beizutreten. Es gibt bereits andere „Subsistenz-Stiftungen“, so die „Stiftung für dissidente Subsistenz“ in Berlin, die bereits einen Hof unterstützt. Es kämen vielleicht aber auch andere Stiftungen in Frage, wie z.B. die E.F. Schumacher-Stiftung.

Die Stiftung bestände aus einem „Stiftungsrat“, welcher die Einhaltung der im Konzept festgelegten Prinzipien überwacht und der Hofgemeinschaft, welche innerhalb dieses „Subsistenz-

Rahmens“ autonom handelt und Entscheidungen eigenverantwortlich trifft. Über größere Investitionen soll gemeinsam beraten und im Konsens entschieden werden.

Im „Stiftungsrat“ sollen neben den Stiftern sowohl Personen vertreten sein, die im Landbau als auch solche, die im sozialen Bereich engagiert sind.

Es muss auch gemeinsam festgelegt werden, wieviel Geld und soziale Absicherung neben Wohnen,Essen und gemeinsam genutzter Infrastruktur ( wie mein 23 Jahre alter Kleinwagen) Mitglieder der Hofgemeinschaft benötigen.

Wie das im Einzelnen aussehen kann, darüber wird es sicher noch einiges Nachdenken und Diskussionen brauchen, vor allem auch mit einer zukünftigen Hofgemeinschaft.

In der „Aufbauzeit „ wird sie sicherlich noch nicht ganz aus der eigenen Arbeit leben und nicht alle Kosten tragen können, also auch zum Lebensunterhalt noch auf Unterstützer angewiesen sein.

Die politischen, gesellschaftlichen und gemeinnützigen Aktivitäten werden durch das Stiftungsvermögen „ gesponsert“ werden müssen, soweit sie die Hoferträge überschreiten.

Konkret stelle ich mir den Aufbau und die Arbeit in der Stiftung ungefähr so vor:

Wohnraum:

Ich bewohne zur Zeit die Fachwerkhaushälfte alleine. In der Vergangenheit haben wir zeitweise zu fünft darin gewohnt. Damit das wieder möglich ist, stelle ich mir vor, dass in der Straßenscheune ein kleines „Apartment“ – behindertengerecht- gebaut wird, in welches ich umziehe. Der Großteil dieser Scheune mit Kornkammer, Kornmühle etc, stände weiter dem Hof zur Verfügung. Der Ausbau sollte möglichst mit gebrauchten und entsorgten Baumaterialien oder vorhandenen Brettern und Bauholz aus Käferbäumen durchgeführt werden.

Am Wohnhaus sind Reparaturen und verbesserte Dämmung erforderlich und es nähert sich der Zeitpunkt, dass die 24 Jahre alte Holzgasheizung ersetzt werden muss.

Land- und Gartenbau:

Auf dem gut 1ha großen Hofgrundstück ist mit Obstbäumen ,Hecken und einem Gehölzstreifen das Agroforstsystem bereits weitgehend verwirklicht und muss nur noch ergänzt werden. Der Gemüsegarten und ein kleines Kartoffelfeld können schon heute zu einem Großteil zur Ernährung einer Hofgemeinschaft beitragen.

Es sind bereits erfolgreich Versuche in den Dürresommern mit Kartoffeln unter einer Mulchschicht durchgeführt worden. Im Augenblick haben wir ein Stück Wiese mit einer Schicht Schafwolle bedeckt, die wiederum mit altem Heu abgedeckt ist. Mit dieser Flächenkompostierung hoffen wir, ohne Einsatz großer Maschinen guten Gartenboden zu erzeugen.

Auf dem Grünland „ Langes Stück“und „Lingemich“ müssen aber viele (weitere) Baumreihen, Hecken und Gehölzstreifen gepflanzt werden, die erst in Jahren die Hitzeresistenz für die Gärten und Felder dazwischen nach und nach entfalten werden.

Auch die Böden müssen verbessert werden, was ihre Fruchtbarkeit und die Fähigkeit betrifft, Wasser zu halten. Da der kompostierte Stallmist der in Zukunft wenigeren Tiere dafür nicht ausreichen wird, wird mit unterschiedlichen Methoden Kompost erzeugt werden müssen.

Dabei sticht vor allem der Gebüschkompost nach der Methode Jean Pain hervor, für den das Ausgangsmaterial Holzhäcksel beim Agroforst jährlich in große Mengen anfällt und der sich beim Gemüseanbau in Trockenregionen in Südeuropa bewährt hat. Der dazu erforderliche Spezialhäcksler ist vorhanden.

Mit der Ausweitung des Gartenbaues müssen die beiden kleinen Gewächshäuser durch ein größeres ergänzt und ebenfalls mit entsorgten Fenstern und Gebrauchtmaterialien errichtet werden.

Zu den politischen Aufgaben gehört es z.B , die Stadt Bergneustadt davon zu überzeugen, die Küchenabfälle nicht länger der Abfallindustrie zu überlassen, die mit hohem CO 2 Fußabdruck minderwertigen, belasteten Kompost herstellt, der zu einem großen Teil in der Leverkusener Müllverbrennungsanlage verbrannt wird. Stattdessen sollen die Bioabfälle in einer städtischen Anlage sorgfältig kompostiert werden, damit der Dünger demnächst in der sich verschärfenden (Welt) Ernährungskrise Klein- und Gemeinschaftsgärtnern zur Verfügung gestellt werden kann.

Konservieren:

Der Gewölbekeller mit Brunnen ist ideal zum Lagern von Kartoffeln und Wintergemüse, ein anderer Keller für Äpfel und Birnen. Es gibt Einrichtungen zum Einmachen und Entsaften auf

einem Holzherd. Der Speicher im Wohnhaus eignet sich gut zum Trocknen von Zwiebeln und Kräutern. Nach dem Brotbacken kann im Backes Obst gedörrt werden. Alles klimaneutral!

Wasser:

Durch den Klimawandel wird Wassermangel in der Vegetationsperiode zu einer Überlebensfrage. Den Gemüsegarten haben wir all die Jahre aus einem 8m tiefen Brunnen bewässert und auch noch die drei Milchkühe getränkt. Seit 2018 versiegt aber der Brunnen in den trockenen Sommern regelmäßig und seit 2 Jahren pumpe ich gar kein Wasser mehr ab, um dem an Trockenstress leidenden alten Obstbaumbestand nicht das Grundwasser wegzupumpen..

Um vom Leitungswasser möglichst unabhängig zu werden, soll zur künftigen Gartenbewässerung an dem großen Dach der Wagenremise ein Rückhalteteich angelegt werden und an allen weiteren Dächern Zisternen und andere Wasserbehälter. Das ist möglich, weil ich mich vor Jahren erfolgreich gegen den Anschluss der Dächer an den Regenwasserkanal gewehrt habe.

Bei der Stadt habe ich angeregt, unterhalb des Dorfs einen großen Teich anzulegen, aus dem die Dorfbewohner ihr Gießwasser entnehmen können, wenn die Nutzung des Trinkwassers demnächst verboten werden muss.

Viehhaltung;

Wird zu Gunsten von Gemüse und Feldfrüchten reduziert: Robustrinder , Schafe und Ziegen nur auf artenreichem Magergrünland, Milchverarbeitung nur noch für Eigenbedarf, 2 Schweine, die mit Küchenabfällen und Gemüseresten gefüttert werden, ca. 30 Hühner und Enten, die nur Körner brauchen und sich sonst von Abfällen und der Hofwiese ernähren, vielleicht ein Pferd, welches auch Arbeiten verrichten kann.

Wenn sich eine feste Hofgemeinschaft gebildet hat, könnten im vorhandenen kleinen Kuhstall zwei Milchkühe gehalten werden, um die Gemeinschaft und Unterstützer mit Milchprodukten zu versorgen. Melkanlage, Milchküche und die entsprechenden Geräte ( Zentrifuge etc.) sind vorhanden.

Handwerkliche Verarbeitung:

Backen – Milchprodukte – Einkochen – Apfelsaft – Säuern – Dörren/ Trocknen – Schafwolle Spinnen/ Filzen (?) ,Holzverarbeitung

Maschinen:

Zwei kleine Traktoren (Güldner Bauj. 1968, 38 PS und IHC , 87 , Allrad, 50 PS) sind vorhanden und zahlreiche Maschinen für Heu, Feld und Wald ungefähr gleichen Alters. Beim Gartenbau herrscht Handarbeit, nur in geringfügigem Maß werden Kleingeräte eingesetzt, alles ist reparierbar, oft in eigener Werkstatt.

Dazu hier ein Verweis auf E.F. Schumachers Forderung nach „ mittlerer Technik“, die vom Menschen noch beherrschbar ist und sein visionäres „Kultbuch“ von 1973 : „Small is beautiful – Rückkehr zum menschlichen Maß„ ,2013 neu aufgelegt mit einem Vorwort von Niko Paech.

Tausch und Verwendung gebrauchter Materialien:

Holz- und Metallwerkstatt und andere Einrichtungen wie das Backhaus werden Interessierten ( auch Jugendlichen) kostenlos zur Verfügung gestellt, ebenso andere Geräte. Grundsätzlich werden, wo immer möglich, keine neuen Industrieprodukte gekauft, sondern gebrauchte verwendet, mit anderen geteilt und so lange wie möglich erhalten.

Gebraucht vor neu gilt auch für alle Arten von Baustoffen.

Hilfe und Hilfe zur Selbsthilfe für Arme:

Abgabe überschüssiger Lebensmittel zu kleinem Preis oder umsonst an Bedürftige.

Hilfe zur Selbsthilfe bei der Anlage privater oder Gemeinschaftsgärten mit Hofgeräten und durch Anleitung. Beistand gegenüber Behörden, Vermietern, Verpächtern, usw.

Politische Arbeit – Widerstand;

Durch die Stiftung ist die Hofgemeinschaft unabhängig von Arbeitgebern in Gewerbe oder Behörden. Diese Freiheit ermöglicht eine Beteiligung an politischen Protesten wie z. B. Blockaden gegen Klima zerstörende Anlagen und Verhaltensweisen oder auch bei einer in der Zukunft erforderlichen Beschaffung (bzw. Besetzung) von Gartenland für landlose Arme. Der Hof soll auch für Menschen eine Zuflucht bieten können, die auf Grund von gewaltlosem Widerstand verfolgt und bestraft werden.

Kinder, behinderte und ausgegrenzte Menschen:

Kinder haben grundsätzlich weiter freien Zugang zum Hof, seinen Tieren und Einrichtungen. Auch für Führungen von Schulklassen und Kindergärten wird kein Geld genommen, um die ansonsten herrschende Ungleichheit und die Stigmatisierung der Armen zu vermeiden. Deshalb müssen auch behinderte Menschen gleichberechtigt zum Kollektiv gehören können, wenn sie sich für Klimaschutz und Gerechtigkeit engagieren.

Kultur:

Für Konzerte, Lesungen oder andere Feiern steht die Wiese „Thomas -Müntzer-Arena“ mit der „Subsistenzbühne“ zur Verfügung. Grundsätzlich gilt: Eintritt frei.

Der Subsistenzhof mit seiner lokalen Verankerung strebt nicht nach Vergrößerung , sondern gibt Anstöße für die Gründung von weiteren, mit denen er sich vernetzen kann und gemeinsam mit Unterstützern eine gegenseitige Hilfs- und Schutzgemeinschaft bilden, um den zukünftigen Gefahren durch chaotische gesellschaftliche Zusammenbrüche und dem aufkommenden neu/alten Faschismus trotzen zu können.

Hinter dem allem steht natürlich der Traum von der „ anderen Welt“, aber einer mit offenen Augen vor den inzwischen unabwendbaren Zukunftsgefahren. Weil er verankert ist in unserer lebensgefährlichen Realität, lässt er sich ins echte Leben umsetzen, wenn auch immer wieder mühsam und mal mehr, mal weniger. Deshalb kann er im Unterschied zu den vielen theoretischen Konzepten wirklich „ handgreifliche“ Hoffnung vermitteln und die Zuversicht, dass wir nicht verdammt dazu

sind, in den drohenden Zusammenbrüchen mit ins Bodenlose abzustürzen. Sondern dass es in all dem kommenden Chaos immer noch möglich ist, gemeinsam mit warmherzigen, empathischen Menschen ein schönes Leben zu führen, wenn auch weitgehend ohne die gewohnte Konsumismus – “Schönheit“. Das dies mit Weniger möglich ist, haben wir ja ausprobiert. waren wir doch nicht

unglücklicher als die meisten und hatten sicher mehr Spaß als viele „Bessergestellte.“

Dazu zum Schluss noch ein Mut machendes Zitat aus dem Buch „ Wie alles zusammenbrechen kann“ der französischen „Kollapsologie“-Wissenschaftler Pablo Servigne und Raphael Stevens:

„Die Wege, die wir heute einschlagen müssen – denn es gibt sie – sind bisher kaum vollständig ausgelotet, und sie beinhalten eine radikale Lebensveränderung, ein weniger komplexes Leben,

kleiner, bescheidener, gut abgeschottet an den Grenzen und Begrenzungen des Lebendigen. Der Zusammenbruch ist nicht das Ende, sondern der Beginn unserer Zukunft.

Wir werden die Mittel, Feste zu feiern, erneut erfinden; die Mittel, der Welt und sich selbst gegenüber gegenwärtig zu sein, gegenüber den anderen und den uns umgebenden Lebewesen. Das Ende der Welt? Das wäre zu einfach, der Planet bleibt ja, sprühend vor Leben. Wir müssen Verantwortlichkeiten übernehmen und unsere Zukunft gestalten. Es wird Zeit, ins Erwachsenenalter überzutreten.“

Kollektiver Blindflug Richtung Klimakatastrophe

An den
Stadtrat von Bergneustadt

Einwendungen und Bedenken zum BP Nr. 66 Wiedenest Süd

Der vorliegende BP-Entwurf verstößt grob gegen das Gebot, die verschiedenen Belange in angemessener und gerechter Weise gegeneinander abzuwägen.

Der größte Mangel liegt in einer unbegreiflichen Ignoranz gegenüber der existentiellen Herausforderung durch die Klimaerhitzung und das Artensterben. Beide Bedrohungen werden sogar verschärft, statt auch im Rahmen der Bauleitplanung Klimaschutz und Artenschutz den gebührenden Vorrang einzuräumen.

Kein Bedarf

Für Bergneustadts Einwohner gibt es keinen Bedarf für ein „neues attraktives Wohngebiet“. Es gibt für sie im Stadtgebiet genügend bereits erschlossene Baugrundstücke in allen Preissegmenten. Die vorgesehene Bebauung der Baulücken in der Bahnhofstraße oder Am Laubberg vergrößert ja das Angebot noch Flächen- und Ressourcen schonend.

Die geplante Einfamilienhaussiedlung im Stil der 60er und 70er Jahre richtet sich erklärtermaßen ja auch nicht an Bergneustädter oder Oberberger, sie soll vielmehr Einkommens-starke Neubürger aus den Ballungszentren Köln/ Ruhrgebiet anlocken. Sie ist also in erster Linie keine Antwort auf ein bestehendes städtebauliches Problem, sondern soll das Steueraufkommen der Stadt erhöhen. Hier soll folglich ökologisch wertvolles Grünland für die Hoffnung vernichtet werden, damit das Problem der extremen Unterfinanzierung der Kommunen zu lindern. Das hat aber im Kern mit der Bauleitplanung nichts zu tun und muss folglich auch auf anderer Ebene politisch angegangen und gelöst werden.

Prinzip Hoffnung

Es spricht zudem mehr dagegen als dafür, dass das Anlocken der Steuerzahlenden „Goldesel“ überhaupt gelingen kann. Dafür ist die Lage des Wohngebiets nicht „attraktiv“ genug. Es fehlt die Fernsicht übers Bergische und die direkte Nachbarschaft zum Industriegebiet Am Schlöten schreckt sicher ab. Hinzu kommt, dass die Autobahn umständlicher zu erreichen ist, als bei den meisten anderen Kommunen, die um dieselbe Klientel werben. Weil die A45 wegen der maroden Brücken für Jahrzehnte durch Baustellen massiv beeinträchtigt sein wird, wird sich ohnehin keiner ansiedeln, der im Kohlenpott seinen Job hat. Bei der A4 ist mit Verzögerung ähnliches zu befürchten.

Den schweren, irreversiblen Schäden steht also kein realistisch zu erwartender nennenswerter Nutzen gegenüber.

Zukünftiges Leerstandsproblem:

Die Einwohnerzahl Bergneustadts wird wie die Oberbergs nach der Prognose bis 2040 um ca 10 % zurückgehen. Dem soll die Neubausiedlung angeblich entgegenwirken.

Es werden also demnächst sicher mehr als 500 Wohnungen aller Segmente leerstehen. Da reiche Mitbürger wie alle anderen sterben, werden auch immer wieder „attraktive“ Einfamilienhäuser von Besserverdienenden zum Verkauf angeboten werden, also auch ohne Neubausiedlung genug „attraktive Lockmittel“ für die erwünschten „Einwanderer“ vorhanden sein.

Falls die aber ausbleiben oder Einheimische die Grundstücke kaufen, hätte sich am Bevölkerungsrückgang nichts geändert, das Leerstandsproblem mit all seinen negativen Folgen hätte man aller-dings noch vergrößert.

Zudem geht die Einfamilienhaussiedlung in Randlage am Bedarf der Bergneustädter vorbei. Wegen des wachsenden Anteils der über 80jährigen fehlt es an Wohnanlagen im Zentrum, von denen aus fußläufig Geschäfte, Ärzte etc. erreichbar sind. Wegen der Hanglage ist die Siedlung für Menschen mit eingeschränkter Mobilität ohnehin ungeeignet.

Statt Neubau: Wohnraum schaffen im Bestand

Weil in Deutschland neben dem Verkehrssektor auch bei den Gebäuden die verbindlichen Klimaziele bislang verfehlt werden, hat bei der Stadtplanung im wissenschaftlichen Bereich längst ein Umdenken eingesetzt: Weg vom Neubau, hin zur Schaffung und Erhaltung von Wohnraum im Bestand. So wird der Flächenverbrauch minimiert und vor allem werden gegenüber dem Neubau die unvermeidlichen Klimaschädlichen Emissionen deutlich gesenkt. Dabei fällt allein die Einspa-rung von Zement wegen dessen extrem energiefressender Produktion erheblich ins Gewicht.

Ich empfehle zu diesem Thema den Artikel der OVZ/ Kölnische Rundschau vom 27.4.24 „Müssen wir das Thema Wohnen neu denken?“ Der Präsident des Bundesumweltamts erklärt darin im Hinblick darauf, dass im Gebäudesektor immense 40% der Treibhausgas-Emissionen anfallen: „Wir müssen unsere Art zu bauen, wirklich ganz neu denken… Generell plädieren wir dafür, sparsam beim Neubau zu sein und stattdessen den Blick stärker auf die Weiterentwicklung des Bestands zu richten, auch bei der Beschaffung neuen Wohnraums“

Massive Schädigungen des Klimas

Das geplante Neubaugebiet auf der Hangwiese schädigt das Klima in mehrfacher Hinsicht.

Durch die Baustoffe, Transporte, die Bautätigkeit usw. werden in der Summe enorme Mengen von Treibhausgasen freigesetzt, die irreversibel das Klima weiter aufheizen werden und durch nichts kompensiert oder ausgeglichen werden können. Die sog, Ausgleichsmaßnahmen sind reine Augenwischerei.

Hinzu kommt ein weiterer gravierender Klimaschaden dadurch, dass durch die Versiegelung und Verdichtung der Boden als CO2 Senke ausfällt. Ein gesunder Grünlandboden kann mehr Kohlenstoff einlagern als der von Feldern oder Wald, noch mehr schaffen nur Moore, die deshalb mit großem Aufwand wieder vernässt werden sollen. Das ist ein Grund dafür, dass Grünland europaweit geschützt ist und nicht umgebrochen werden darf.

Im Umweltbericht zum BP 66 spielt dieser Klimaschaden aber überhaupt keine Rolle, er wird noch nicht einmal erwähnt!

Überhaupt scheint für die Planer die Erderhitzung ein zu vernachlässigendes Randproblem zu sein. Die eindringlichen Warnungen aus der Wissenschaft, beim augenblicklichen Weiterso laufe es auf eine dystopische, 3 Grad (!) wärmere Welt zu, finden offensichtlich bei den Planern keinerlei Gehör, ebensowenig wie die verzweifelten Appelle des UNO-Generalsekretärs, dass die Menschheit dabei sei, „kollektiven Selbstmord“ zu begehen.

Dreimal ist zwar von „Klimaanpassung“ die Rede, dabei geht es aber um Petitessen wie die Begrünung von Garagendächern oder die angeblich „geringe“ Versiegelung des Bodens bei der Geschossflächenzahl von 0,3 .

Der Begriff „Klimawandel“ taucht einmal im Zusammenhang mit dem „Heukelbach-Gelände“ auf: Das Planvorhaben habe „keine Auswirkungen auf den Klimawandel“. Es schafft aber in Wahrheit die Rechtsgrundlage für den Abriss und Neubau eines großen Gebäudekomplexes, was natürlich einschließlich der Bauschuttentsorgung mit einem enormen Klimaschaden verbunden ist. Im sog „Umweltbericht“ heißt es zum anderen, Auswirkungen auf den Klimawandel sei der Planung auf Grund ihrer Größe abzusprechen. Diese unglaubliche Falschaussage geht über die üblichen Verharmlosungen hinaus und grenzt nach meiner Auffassung an die Leugnung des Menschen gemachten Klimawandels.

Zerstörung Artenreichen Grünlands

Die zu Bebauung freigegebene Wiese wird extensiv bewirtschaftet; nicht 4 oder 5 mal gemäht und gegüllt, sondern 2 mal gemäht und einmal gedüngt. Daher ist sie gegenüber dem zumeist intensiv bewirtschafteten Grünland mit 4 oder 5 Schnitten artenreich, vor allem aber kommen wegen der späten Mahd überhaupt Gräser und Kräuter zum Blühen und können Insekten ernähren, deren Zahl auf Grund der intensiven Bewirtschaftung insgesamt bereits um mehr als 60 % (!) zurückgegangen ist. Dieser wichtige Artenschutzbelang bleibt ebenfalls unerwähnt.

Zukünftige Ernährungskrise

Nahezu alle Wissenschaftler der verschiedenen Disziplinen sind sich darin einig, dass der Klimawandel vor allem durch Dürren und Starkregenfluten weltweit zunehmend landwirt-schaftliche Flächen zerstören wird und dass auf den verbliebenen die Erträge sinken. Mit weltweit dramatischen sozialen und politischen Folgen wie Hungersnöte, Kriege, Flucht, Terrorismus.

Hydrologen sagen auch für Deutschland voraus, dass in naher Zukunft 30 bis 40 % der Acker-flächen ohne Bewässerung nicht mehr bewirtschaftet werden können, dass aber das erforderliche Wasser nicht zur Verfügung stehen werde. Allein aus Gründen der zukünftigen Ernährungssouveränität muss daher die Wiese als landwirtschaftliche Fläche erhalten bleiben.

Anregung:

Nach alledem rege ich an, das Neubaugebiet auf der Wiese komplett aufzugeben und diese weiterhin als landwirtschaftliche Fläche zu erhalten und auszuweisen. Die Stadt sollte sich stattdessen dafür einsetzen, dass sie in ein Schutzprogramm für extensives Weideland aufgenommen und im Sinne des Klimaschutzes weiter verbessert wird.

Insgesamt ist festzustellen, dass dieser Plan die Erderhitzung und ihre existentiell bedrohlichen Folgen für die Menschheit fast völlig ausblendet; er ist in einem erschreckenden Maße aus der Zeit gefallen und ignoriert die dringenden Erfordernisse des Klimaschutzes. Stattdessen wird der Klimawandel weiter angeheizt, ohne dass irgendein nennenswerter realistischer Nutzen für die Allgemeinheit dem entgegengestellt werden kann. Damit ist die Abwägung in mehrfacher Hinsicht grob fehlerhaft und der Plan in dieser Form rechtswidrig.

Er verstößt auch gegen das „Klima-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts von 2021, welches in dem mangelhaften Klimaschutz der damaligen Bundesregierung einen Verstoß gegen die Freiheits- und Menschenrechte der kommenden Generation erkannte und sie zu deutlichen Verbesserungen bei Klimaschutz verpflichtete.

In dem neuen sensationellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat dieser die Schweiz wegen des unzureichenden Klimaschutzes verurteilt, weil sie damit die Menschen-rechte auf Gesundheit und Leben der klagenden „Klimaseniorinnen“ verletze. Dieses Urteil, so die Juristen, sei bindend und gelte auch für alle anderen europäischen Regierungen und also auch für Länder und Kommunen in Deutschland.

Den Stadtrat kann niemand zwingen, das Urteil zu befolgen oder auch nur auf Argumente einzu-gehen und die drohende Klimakatastrophe ernst zu nehmen.

Aber die Gerichte werden dieses Urteil unbedingt befolgen und für das OVG Münster wird es ganz sicher die Messlatte für die Beurteilung des BP 66 Wiedenest der Stadt Bergneustadt sein, falls es mit diesem befasst werden sollte.

 

Leserbrief zu den Artikeln zum Schusswaffeneinsatz der Polizei gegen einen aggressiven Ladendieb

Was die Verhältnismäßigkeit des Vorgehens der Polizei angeht, habe ich große Zweifel, ohne die genauen Abläufe zu kennen. Ich gehe davon aus, dass es bei dem Einsatz nur darum ging, die Personalien eines Ladendiebes festzustellen, damit ein entsprechendes Strafverfahren wegen des Diebstahls von Bierdosen und vielleicht noch weiterer Delikte wie Beleidigung eingeleitet werden kann. Da dieser sich verweigerte und immer erregter und aggressiver reagierte, hätte die Polizei auch deeskalieren und den anscheinend unter Drogen oder Alkohol stehenden Mann zunächst einmal laufen lassen können. Mit Hilfe von Fotos wäre es sicher auch später leicht möglich gewesen, dessen Identität festzustellen. Daher erscheint mir der massive Einsatz und gar die für unbeteiligte Menschen lebensgefährliche Schießerei in der Einkaufszone natürlich völlig unverhältnismäßig zu sein.

Was mich aber wirklich auf die Palme bringt, ist eine andere Unverhältnismäßigkeit: Nämlich die Ungleichbehandlung unterschiedlicher Gruppen von Dieben.

Da gibt es doch hierzulande Diebesbanden, die mit sehr hoher krimineller Energie Gelder in Milliardenhöhe stehlen und zwar nicht von Kaufhauskonzernen, sondern vom Staat, also von uns allen. Sie bilden Parallelgesellschaften und schotten sich in der Regel in Villenvierteln ab, sogenannten „Gatet Communities“. Wenn überhaupt, werden sie nur sehr lasch von Polizei und Justiz verfolgt, schon gar nicht mit Einsatz von Schusswaffen wie beim Gummersbacher Bierdosendieb. Im Gegenteil: Sie pflegen beste Kontakte zu den Mächtigen aus Politik und Wirtschaft. Ein überführter Hamburger Millionendieb, ein Bankster aus der sogenannten Cum-Ex- Bande namens Olearius, durfte seine Beute nach Gesprächen mit dem Bürgermeister sogar behalten, mehr als 40 Millionen Euro! Da könnten sämtliche Ladendiebe Deutschlands jahrelang täglich so viele Bierdosen klauen wie sie wegtragen können, sie brächten es gemeinsam nicht annähernd auf eine solche Schadenssumme. Aber tausende von ihnen sitzen im Knast.

Diese Unverhältnismäßigkeit ist für mich deshalb so unerträglich, weil sie nicht nur krass ungerecht ist, sondern durch die extreme Ungleichbehandlung die Grundfesten des Rechtsstaats ruiniert. Das findet auch eine Kölner Oberstaatsanwältin, die über Jahre versuchte, u.a. auch den Hamburger Bankster hinter Gitter zu bringen. Vergeblich! Jetzt hat sie aufgegeben und gekündigt weil sie es nicht länger ertragen könne, dass man „die Kleinen hängt und die Großen laufen lässt.“

Welch eine Katastrophe, da wir doch wegen der dramatischen Folgen der Klimakrise und den mit ihr verbundenen sozialen Verwerfungen auf einen funktionierenden Rechtsstaat mehr als je zuvor angewiesen sein werden!