Kreistagssitzung 16.12.21 (Peiner)
Der Kreisausschuss hat meine Anregung, einen unabhängigen Historiker mit der Aufarbeitung des oberbergischen Nationalsozialismus und der Nachkriegskontinuitäten zu beauftragen, abgelehnt. Dabei steht die von 1946 bis 1979 übermächtige Figur des Oberkreisdirektors Dr. Goldenbogen im Mittelpunkt.
Die Ablehnung wurde damit begründet, dass der vormalige Kreishistoriker Pomykaj eine solche Aufarbeitung bereits in verschiedenen Veröffentlichungen geleistet habe und ansonsten heißt es sehr nebulös, dass die Verwaltung in Abstimmung mit den Fraktionsvor-sitzenden erarbeiten solle, wie man sich dem Thema widmen wolle.
Die vorliegenden Veröffentlichungen von Herrn Pomykaj weisen aber so große Lücken auf, dass sie den wissenschaftlichen Anspruch an eine objektive und umfassende Aufarbeitung nicht gerecht werden. Das zeigt sich schon daran, dass in Nümbrecht vor kurzem erst zwei Straßen umbenannt werden mussten,weil die schwerwiegende NS-Belastung ihrer Namensträger ans Tageslicht kam. Neben dem Heimatforscher Kaufmann betraf es auch den Kreis, nämlich den früheren Landrat Dr. Schild.
Besonders gravierend und völlig unverzeihlich ist aber die Tatsache, dass Herr Pomikaj in einem Vortrag 2016 lediglich auf Goldenbogens Mitgliedschaft in der NSDAP hingewiesen hat, so als wäre er nur einer der vielen Millionen mehr oder weniger harmlosen Mitläufer gewesen.
Goldenbogen ist aber bereits 1933 als Oberprimaner in die SA eingetreten, er war Mitglied im Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund und Mitglied des NS Altherrenbundes deutscher Studenten. Der NS Rechtswahrerbund wurde gegründet von Hitlers Rechtsanwalt Hans Frank, dem späteren Generalgouverneur von Polen, der als Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg gehenkt wurde. Dieser Juristenbund hat die zivilisatorische Errungenschaft des Rechtsstaats mit dem gleichen Recht für alle zugunsten des völkischen Nazi- “Rechts“ beseitigt, in welchem die „Herrenmenschen“ Vorrechte, die „Untermenschen mindere Rechte und die „Lebensunwerten“ keine hatten.
Mit dieser Belastung wäre Goldenbogen bei der Entnazifizierung aus dem Öffentlichen Dienst entfernt worden, er hat sich durchgelogen und sie auch weiterhin verschwiegen und die Omerta der Mitwisser hält bis heute an. Es gibt Hinweise darauf, dass er seine vor 45 gezeigte braune Gesinnung nie gänzlich abgelegt hat. Die außergewöhnliche Förderung des Nazimalers Peiner, der ja bekennender Nazi und radikaler Antisemit geblieben war, spricht dafür.
Auch die Freundschaft mit dem Gründungsdirektor des Landschaftsverbands Klausa deutet darauf hin, der auch dem SA Kameraden Goldenbogen sein Amt verdankt. Als mächtigste Figuren im LVR haben beide über Jahrzehnte den Verband als Hort schwerst belasteter Nazis geführt, mit schlimmen Folgen für Heim- und Psychiatrieinsassen. Klausa ist als Nazilandrat nahe Auschwitz wegen seiner Zuarbeit zum Holocaust inzwischen Gegenstand internationaler Forschung, die Uni Bonn musste sich – nicht zuletzt auf mein Betreiben – von ihm als Ehrenbürger distanzieren, die Uni Düsseldorf von ihm als Ehrendoktor. Beide haben zeitlebens wegen ihrer verborgenen Naziverstrickung nicht die Spur von Einsicht oder gar Reue erkennen lassen. Das ist ihre zweite Schuld.
In Oberberg wird bei Goldenbogen & Co eine Aufarbeitung immer noch blockiert, hier werden SSK und meine Person immer noch als eine Art Nestbeschmutzer betrachtet und auf der ganz Rechten regelrecht gehasst. Dabei geht es nicht darum, alte Nazis posthum zu jagen, sondern an ihren Beispielen zu lernen, wie in einer Kulturnation gebildete Menschen als Mittäter in der Barbarei des Nazismus landen konnten.
Dazu abschließend ein Zitat aus einer Rezension zu dem kürzlich erschienen Buch des Historikers Friedman zu Klausa, seinen Weggefährten und Gegnern, was sich eins zu eins auf Goldenbogen übertragen lässt:
„Zu beobachten ist bei diesem Personenkreis, dass ein Unrechtsbewußtsein im Hinblick auf die üble Vergangenheit zumindest nach außen nicht festzustellen ist, eine Schuld nicht eingestanden wird … Dabei wäre es für die Gesellschaft gerade wichtig gewesen, dass die Täter der Nazizeit derartige Lebensläufe und böser Verirrungen eingestanden hätten… so dass sie als Lehrbeispiele dazu dienen könnten, zu analysieren, wie eine Vielzahl der Menschen in Diktaturen funktionieren, sich instrumentalisieren lassen oder selbst zum fürchterlichen Instrument werden. Solches aufklärende Verhalten könnte mit dazu beitragen, dass sich faschistische Systeme nicht wiederholen…“
Beide Altnazis hatten aber keinerlei Interesse an einer Aufarbeitung und der Kreis offen-sichtlich bis heute nicht, es soll alles in den Archiven verborgen bleiben wie Peiners Gemälde.
Abschließend weise ich auf einen weiteren unerforschten blinden Fleck in Oberbergs NS- Geschichte hin: Das Leid vieler Familien, deren kranke oder behinderte Mitglieder ermordet oder zwangssteriliert wurden. Bekannt ist lediglich, dass die Insassen eines Heims der Diakonie in Segenborn nach Pommern deportiert und in der Tötungsanstalt Meseritz – Obrawalde ermordet wurden.
Es gibt nur einen Weg zur Aufarbeitung: Unabhängige Historiker damit beauftragen. Wer das verhindert, macht sich schuldig vor den Kindern und Enkeln, die ja erneut von Nazis und Faschisten bedroht werden.
Ich habe eine berührende Todesanzeige auf meine Homepage gestellt, die 2017 ein Neffe für seinen in Hadamar vergasten, gehörlosen Onkel veröffentlicht hat. Darin heißt es:
Wer sich an die Vergangenheit nicht erinnern kann, ist verdammt, sie zu wiederholen.