Eine Mail an Herrn Hagt

Betreff:     Meine Einwohneranregung zur NS-Aufarbeitung im Kreisausschuss vom 30.9.21
Datum:     Thu, 14 Oct 2021 22:30:04 +0200
Von:     Lothar Gothe <logo@westhost.de>
An:     Kreistag Oberbergischer Kreis OBK <mail@obk.de>

Hallo Herr Hagt,

wie Sie sicher wissen, wurde mir von Ihrem Mitarbeiter die Teilnahme an der Sitzung verwehrt, weil ich meinen Impfausweis vergessen hatte. So konnte ich leider der Diskussion um meine Einwohneranregung und den Ausführungen des Herrn Pomykaj zu meiner Person nicht beiwohnen und  ich kenne auch nicht den Beschluss des Kreisausschusses. Mein anwesener Freund kann ihn nicht  wiedergeben und somit ist mir nicht klar, was nun mit meiner Anregung geschehen soll.

Da das bisher noch nicht geschehen ist,  bitte ich also darum, mir den Beschluss schriftlich mitzuteilen.

Ich erlaube mir, diesen Vorfall zum Anlass für einige kritische Anmerkungen zum Umgang des OBK mit Einwohneranregungen zu nehmen, insbesondere mit meinen.  Ohne meine Schlamperei entschuldigen zu wollen, will ich daraufhinweisen, dass mir eine Teilnahme durchaus hätte erlaubt werden können. Ich hatte Ihren Mitarbeiterinnen angeboten, schriftlich eine eidesstattliche Erklärung abzugeben, dass ich zweimal geimpft bin und den Impfausweis am folgenden Tag im Kreishaus vorzulegen. Daraufhin erlaubten sie meine Teilnahme mit der Auflage, mit Maske und großem Abstand zu den Anwesenden Platz zu nehmen. Doch dann schritt ein weiterer Mitarbeiter ein und  untersagte wiederum meine  Teilnahme  unter Verweis auf ein Verwaltungsgerichtsurteil vom selben Tag. Soweit ich das beurteilen kann, schließt dieses  Urteil in meinem speziellen Fall aber die Teilnahme an der Sitzung gar nicht aus, da ich kein Impfgegner aus der Querdenkerszene bin und es sichergestellt war, dass keinerlei Ansteckungsgefahr von mir ausging.

Wenn  ich dieses Vorgehen als unfreundlichen Akt betrachte, so liegt das möglicherweise auch an unschönen Vorerfahrungen mit Einwohneranregungen: Einmal musste  erst die Kommunalaufsicht beim RP den damaligen Landrat dazu zwingen, meine Anregung zu behandeln.

Zum andern steht immer noch der unaufgearbeitete Skandal im Raum, dass die Kreisverwaltung meine Kritik an der erheblichen Misswirtschaft beim Schafsbeweidungsprojekt der Biostation durch die Vorlage eines falschen Gutachtens des Herrn Galunder ersticken wollte. Anlässlich einer Einwohnerfrage dazu erlebte ich den denkwürdigen Vorgang, dass  ein Gerichtsvollzieher mich 5 Minuten vor Beginn der Sitzung aus dem Raum holte und  eine einstweilige Verfügung übergab, in der mir verboten wurde, Galunders Gutachten als falsch zu bezeichnen. Die Klage in der Hauptsache endete aber mit dem vom OLG bestätigten Urteil des LG Köln,  dass es sich um “ ein eindeutig falsches Gutachten“ handele. Die Kreisverwaltung wusste das auch, denn zuvor hatte bereits eine Kontrolle der Landirtschaftskammer ergeben, dass „70 %  (!) der Schafsflächen in „schlechtem Pflegezustand“ waren. Man nahm also völlig desinteressiert hin, dass bei diesem OKULA- Grünland nicht Artenvielfalt gefördert wurde, sondern Arten vernichtet( Artenschutz  wurde damals allerdings weithin als Marotte überdrehter Naturschützer abgetan). Die Herausgabe dieses peinlichen Befunds hatten Kreis und LWK rechtswidrig verweigert, ich musste diese erst mit Hilfe des Verwaltungsgerichts erzwingen.

Anstatt diese offenkundigen ökologischen,rechtsstaatlichen und demokratischen Defizite  aufzuarbeiten, wurden sie mit Schweigen übergangen, der Kreistag versagte als parlamentarisches Kontrollorgan der Verwaltung vollkommen.; einige Verwaltungsmitarbeiter begegneten mir mit blankem Hass, andere äußersten ihre Scham über das Vorgehen ihrer Vorgesetzten.

Voriges Jahr habe ich die Einwohneranregung an den Kreistag gerichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die angeblich unabhängige Patienten-Beschwerdestelle bei der Kreisklinik neu organisiert wird. Sie hatte monatelang nicht auf die Beschwerde eines alten Herrn reagiert, der eindeutig rechtswidrig in der geschlossenen Psychiatriestation eingesperrt war, aus der ich ihn später als Betreuer befreien konnte. Sie, Herr Hagt, haben diese Anregung gar nicht erst an das Parlament weitergeleitet, sondern “ zuständigkeitshalber“ an den Geschäftsführer der Klinik weitergereicht, der ja für den Missstand verantwortlich ist und der eine Beschwerde mit unzutreffenden Angaben abgewimmelt hatte. Der LVR als Miteigentümer der Klinik fühlte sich hingegen durchaus zuständig und ging der Beschwerde nach. Mit ziemlicher Sicherheit hätten  Sie ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht verloren, aber Sie können ja darauf bauen, dass selbst ein Querulant wie ich nicht jedesmal Zeit, Kraft und Geld aufbringt, um sich bei Gericht zu wehren.

In meinen Augen zeigen sich auch an diesen Vorfällen vordemokratische Relikte eines Obrigkeitsstaates, der zu Selbstkritik nicht fähig ist . Es liegt auf der Hand, dass die jahrzehntelange autoritäre Herrschaftsausübung  des Altnazis Dr. Goldenbogen und seiner Gesinnungsgenossen derartige Machtstrukturen gefördert  und das Entstehen einer offenen, bürgerfreundlichen, basisdemo-kratischen Gesellschaft behindert hat.

Die Herausforderungen der Menschheit  durch die herannahende Klimakatastrophe und das Artensterben können aber in solchen abgeschotteten, selbstgerechten politischen Hierarchieen  nicht bewältigt werden. Weil sie diesen neuen Gefahren offenkundig genauso rat-und hilflos gegenüberstehen wie wir  Bürger, müssen Parlamente und Verwaltungen jetzt eine gewisse Demut erlernen, IrRWEge offen bekennen und ihren obrigkeitlichen Gestaltungsanspruch  aufgeben. Es braucht jetzt die Mitwirkung aller, deshalb kann ohne eine Öffnung für basisdemokratische Prozesse die nötige Transformation von  Wirtschaft, Politik und Lebensstil nicht erreicht werden.

Das Vertuschen und Verharmlosen von Misständen und Fehlentwicklungen und das Niedermachen von berechtigter Kritik wie bei Ihrem Schafsprojekt wird  gegenüber den Ursachen und den Folgen des Klimawandels lebensgefährlich, das müsste spätestens seit der Ahr-Katastrophe eigentlich jeder begriffen haben. Die realen Gefahren verschwinden eben nicht dadurch, dass politische Mehrheiten sie per Beschluss negieren, sie steigen im Gegenteil dadurch immer weiter an.  Der notwendige „Transformations“-Prozess kann nur damit anfangen, die Fehler in der Vergangenheit zu erforschen und offenzulegen, welche politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen zu dieser existentiellen Bedrohung der  Menschheit geführt haben. Die ehrliche Aufarbeitung der oberbergischen Nazikontinuität gehört dazu. Auch deshalb, um der Gefahr eines neuen Nazifaschismus vorzubeugen, der die längst unvermeidlichen ökologischen und ökonomischen Krisen durch die Klimawandelfolgen erneut als Nährboden nutzen könnte.

Das Institut der Einwohneranregung könnte ja ein Mittel sein, die Bevölkerung bei der Transformation einzubeziehen. Dass aber offenbar kaum einer diese Möglichkeit nutzt, deutet daraufhin, dass die meisten sowieso nicht daran glauben, dass man sich mit ihren  Einwendungen und Anregungen ernsthaft befasst. Das sollte auch Sie beunruhigen.

Gruss,
Lothar Gothe