Leserbrief zum Artikel „Neustart in schlechter Stimmung“

Zur Kommunalwahl 1994 hatte sich in Bergneustadt eine bunte Truppe engagierter Leute (wenige Parteimitglieder) zusammengetan, um Grüne in den Stadtrat zu bringen. Mit Erfolg: Stefan Heitmann und Meggie Lück (beide keine Parteimitglieder) wurden gewählt.

Wir hatten ein konkretes , öko-soziales Programm z.B. im Abfall- und Energiebereich aufgestellt, verwendeten eigene fantasievolle Plakate statt der üblichen Werbeagenturprodukte und zwar in Schwarz-Weiss statt im teurem, umweltschädlichen Vierfarbdruck. Da gab es eine hoffnungsvolle, gute Stimmung und es entstanden nur sehr geringe Wahlkampfkosten.

Damals aber hatten die Bundesgrünen noch nicht ihre ursprünglichen Ziele der blanken Machtpolitik geopfert, Fischer sie noch nicht in den völkerrechtswidrigen Krieg in Serbien geführt, ihre Bundespolitiker sich noch nicht der neoliberalen Hartz 4-Wachststumswirtschaft ergeben; es gab noch keine „Mercedes-Kretschmanns“, keine egomanischen Wirtschaftslobbyisten wie BMW-Fischer, keine Boris Palmers, welche die CSU beim Flüchtlingsabschieben rechts überholen, keine NRW-Grünen, welche SPD-Krafts verheerende RWE-Braunkohlepolitik brav umsetzen. Damals waren die Grünen gesellschaftlich auch noch nicht auf die Interessenvertretung einer urbanen konsumstarken Mittelschicht fokussiert.

Wozu sollte sich für eine solche Partei angesichts dieses inhaltlichen und moralischen Desasters noch einer engagieren, der es ehrlich meint mit der dringend nötigen ökologischen und sozialen Umkehr? Also wenden diese Menschen sich ab, wie auch Meggie und ich vor Jahren, und die Lücken werden aufgefüllt mit Wendehälsen und den üblichen Parteikarrieristen, die ohne Skrupel für den sog. Wahlkampf allein in Oberberg 80 000 Euro verballern.

Und wenn du denkst, tiefer fallen geht nicht mehr, dann kommt die Sprecherin der Marienheider Grünen und erklärt gemeinsam mit Ölindustrie, Trump und AFD den menschengemachten Klimawandel zu Fake News* und die neue Parteispitze grinst dazu in die Kamera. Diese Botschaft heißt: No Future!

 

*Zitat aus der OVZ vom 23.4. von Kirsten Zander-Wörner : „Wir haben eine globale Klimaveränderung. Ich bestreite allerdings sehr, dass diese etwas mit den CO2-Emissionen zu tun hat.“

Nachtrag:

Der Brief ist von der OVZ nicht veröffentlicht worden. Ich habe dann mal nachgefragt:


Betreff:     Leserbrief
Datum:     Fri, 11 May 2018 10:48:19 +0200
Von:     Lothar Gothe
An:     ovz@kr-redaktion.de

Werter Herr Thies,

offenbar sagt Ihnen und/oder Herrn Klemmer mein Leserbrief zu Ihrem
Artikel bzw. Kommentar zur leicht desolaten Lage der Grünen nicht zu.
Obwohl er doch versucht, eine Antwort auf die offen gebliebene Frage
nach den Gründen zu geben.

Da m.E. alle angeführten Fakten stimmen, dürfte eine gewisse Schärfe der
Meinungsäußerung doch kein Grund für die Ablehnung sein, zumal sie auch
aus einer persönlichen Betroffenheit resultiert; auch eine bloße
Schmähkritik ist nicht zu erkennen.

Also was ist es, das Sie stört?

In Erwartung einer Antwort grüßt   
Lothar Gothe


Auch auf meine Nachfrage gab es keine Antwort.

 

Das Ende der Eiszeit

Leserbrief zum Artikel „Ende der Eiszeit“ in der OVZ vom 7.2.18

Das Bergneustädter „Wintermärchen“ ist zu Ende und es hat extrem viel Energie fürs Eis und die „gut beheizten“ Zelte verbraucht und entsprechend stark zum Klimawandel beigetragen.

Dachte ich bisher. Denn es hat auch überraschend positive Erkenntnisse zum Umweltschutz hervorgebracht, welche der Veranstalter verkünden konnte: So sei der hohe Energieverbrauch keine Verschwendung, weil „ganz Bergneustadt so viel Freude an der Eisbahn hatte“. Wenn es also Leute gibt, die Spaß an der Verschwendung haben, dann ist es keine: schon mal toll!

Zudem sei der Eisspaß, „ wo immer möglich, ökologisch“ gewesen, weil man nämlich die vielen Plastiktrinkbecher zum Recyceln zurückgegeben und für die fehlenden dem Bergneustädter Tennisverein gespendet habe.

Da die Klimaschutz-Relevanz des Tennisvereins sich nicht auf Anhieb erschließt, sollte sie vielleicht doch näher erläutert werden. Ich vermute, dass aus den Wintermärchen-Trinkbechern Tennisschläger gefertigt werden.

Auf diese Weise wird das Märchen ja sogar selbst zu echtem Klimaschutz und diese Methode könnte als „Bergneustädter Klimaschutzmodell“ überregional durchaus Nachahmer finden. So etwa in Engelskirchen, wo der SUV-Fahrer auf der „Übungsstrecke“ im Wald auch zum Klimaschützer wird, wenn sein Reservekanister aus Recyclingkunststoff besteht und er an Bergneustadts Tennisverein spendet.

Es muß wohl an meiner grundsätzlich negativen Einstellung zum Leben liegen, dass ich trotz dieser erfreulichen Nachrichten das Stoßgebet nicht unterdrücken kann:

Oh Herr, schmeiß Hirn vom Himmel und über Bergneustadts Rathaus und die Werbegemeinschaft bitte die doppelte XXL-Portion.

Brief an Prof. Dr.-Ing. Klaus Borchard, Rektor a.D. der Uni Bonn

Sehr geehrter Herr Borchard,

ich bin der „Alt 68er“, der am vergangenen Montag bei der Veranstaltung zum Gedenken an die NS-Opfer der Uni als „Störer“ auffällig geworden ist.

Es erschien mir unbegreiflich, dass die Universität eine solche Veranstaltung durchführen kann, während sie gleichzeitig an der Ehrenbürgerschaft des NSDAP- und SA-Mitglieds und Nazilandrats Klausa festhält.

Ich empfinde das als Verhöhnung der Opfer, deren gedacht wurde.

Meine Freunde und ich rätseln auch darüber, welcher sachliche Grund die Uni zu dieser Ehrung bewogen haben mag, denn Klausa hat ja keinerlei wissenschaftliche Leistungen vorzuweisen. Die einzige bekannte Publikation Klausas trägt den Titel „Rasse und Wehrrecht“ und enthält neben anderen rassistischen Äußerungen die Forderung nach der „Aussonderung der Entarteten“; sie erschien im Kohlhammer-Verlag 1936, also als die rassisch oder politisch „Entarteten“ auch von der Uni Bonn „ausgesondert“ wurden.

Als Nazilandrat in Bendzin – ca 4o km von Auschwitz – war er u.a. verantwortlich für das Zusammentreiben von zig tausend Juden in viehische Ghettos, von wo aus sie ins Gas deportiert wurden.

Die englische Historikerin Mary Fulbrook hat Klausas Tätigkeit im NS erforscht und die Ergebnisse in ihrem Buch „ A small town near Auschwitz“ veröffentlicht, das auch in deutscher Übersetzung vorliegt. Seine Nachkriegskarriere als erster Landesdirektor des LVR und die personelle und ideologische „Nachkriegs-Nazi-Kontinuität „wurde im Auftrag des LVR von den Historikern Kaminsky und Roth erforscht, diese Studie ist veröffentlicht und an der Uni Bonn bekannt.

Auch daraus geht hervor, dass Klausa als autokratischer LVR – Herrscher schwere Menschenrechtsverletzungen in „seinen“ Erziehungsheimen und Psychiatrien zu verantworten hat. Ich habe in der Sozialistischen Selbsthilfe Köln ( SSK ) mehr als 20 Jahre lang die Opfer von der Straße geholt und für deren Rechte gekämpft.

Vorige Woche hat Ihr Herr Dr. Becker erklärt, die Uni ließe die Vorwürfe gegen Klausa durch eine eigene Historiker-Kommission prüfen. Das ist völlig unsinnig, weil es kaum einen Nazi-Schreibtischtäter gibt, der besser historisch „durchleuchtet“ ist. Nun erfahre ich aber gerade aus einem Schreiben der Landesdirektorin Lubek, dass die Uni es abgelehnt habe, die Ehrenbürgerschaft Klausas abzuerkennen.

Sehen Sie, Herr Borchard, so geht es mir und den anderen 68er Genossen seit 50 Jahren. Wenn es um NS geht, stoßen wir auf ein Geflecht von Ausflüchten, Beschönigungen, Verdrehungen und Lügen, es scheint kein Ende zu nehmen.

Auf diese Weise wurden meiner Generation die Naziverbrechen in die Wiegen gekippt, wir mussten uns mit dem Holocaust auseinandersetzen, die Elterngeneration verleugnete ja ihr Wissen darum und ihre jeweiligen Beteiligungen daran. Wie Klausa, der in seinem Amtszimmer den Leichengestank von Auschwitz fast riechen konnte, aber angeblich nichts davon gewusst haben will. Diese Zumutungen waren ein Grund für unser wütendes Aufbegehren.

Ihre Rede aber hat mich demgegenüber sehr positiv überrascht und ich habe mich ja auch schon bei Ihnen dafür bedankt, dass Sie ein Tabu gebrochen haben: Denn die Tatsache, dass die „Reichskristallnacht“ zum Geburtstag des glühenden Antisemiten Luther am 10. Nov. inszeniert wurde, wird in der Regel immer noch verschwiegen ebenso wie der peinliche Befund,, dass große Teile der Bevölkerung sich freudig an den Auschreitungen und Morden von SA und SS beteiligten.

Dieses Totschweigen ist deshalb gesellschaftspolitisch so gefährlich, weil das 500 Jahre lang verspritzte antisemitische Luther-Gift nicht in 70 Jahren mal eben verschwindet und deshalb im angeblich „neuen“ Antisemitismus und Rassismus nach wie vor seine zersetzende Wirkung entfaltet.

Es muss Ihnen doch klar sein, dass diese Ehrenbürgerschaft das Gedenken der Uni an ihre Naziopfer und auch alle derartigen künftigen Veranstaltungen und Bekundungen völlig unglaubwürdig macht und als unanständige Heuchelei dastehen läßt.

Ich bedauere sehr, dass auch Ihre Rede und Ihre selten klare Positionierung durch diese universitäre Schande entwertet wird.

Mag sein, dass solche Einwürfe aus meiner Ecke Sie im wissenschaftlichen Elfenbeinturm nicht wirklich erreichen. Dennoch habe ich mich dazu entschlossen, es zu versuchen.

Trotz allem mit freundliche Grüssen,
Lothar Gothe

 

Beigefügt ist ein Flugblatt, welches ich zum Auschwitzgedenken in der Kölner Antoniterkirche verteilt habe.


Professor Borchard hat mir darauf mit Brief vom 25.4.18 geantwortet:


Und dann kam noch diese Mail von ihm:

——– Weitergeleitete Nachricht ——–
Betreff:     AW: Ehrenbürgerschaft Udo Klausa
Datum:     Sat, 30 Jun 2018 16:38:07 +0200
Von:     profborchard <profborchard@t-online.de>
An:     Lothar Gothe <logo@westhost.de>

Sehr geehrter Herr Gothe,

vielleicht haben Sie es ja schon erfahren : Auf einstimmigen Beschluss des Uni-Senats vom letzten Donnerstag hat sich die Universität Bonn von der vor 50 Jahren vollzogenen Ehrung des Ex-LVR-Direktors Klausa distanziert. Nach ausführlicher Beratung hat der Senat dem Rektorat empfohlen, als Beitrag zum kritischen Umgang mit der NS-Vergangenheit Klausas Ehrung mit einem distanzierenden Hinweis zu versehen.

Hätten Sie nicht damals auf den Fall Klausa aufmerksam gemacht, wären wir sicher noch nicht so weit gekommen.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Borchard.


Immerhin…

 

Flugblatt zum Auschwitz-Gedenktag in Köln am 28.1.2018

Denis Stuart Rose, „Luther“, 2016

Auschwitz – Luther – Ehrendoktor

Gut, dass es inzwischen endlich vielfältige Formen des Gedenkens an die Opfer der NS-Diktatur gibt. Dennoch bleibt es bei der halben Wahrheit, denn es kann ja keine Opfer ohne Täter geben. Diese aber werden meist weiterhin ver- oder beschwiegen.

Ein solcher wurde gerade ein Jahr lang mit großem Pomp gefeiert: Doktor Martin Luther. In seiner Hetzschrift „Von den Juden und iren Luegen“ hat er rassistisch ( „verdorbenes Blut“ ) zum Massaker an ihnen aufgerufen: Die Synagogen sollen verbrannt, ihre Schulen und Häuser zerstört, sie sollen ausgeplündert und erschlagen werden. Es liest sich wie ein Aktionsplan für die „Reichspogromnacht“, die nicht zufällig in der Nacht zum 10. November 1938 begann, organisiert von SA und SS, unter Beteiligung tausender „Freiwilliger“.

Der thüringische Landesbischof Sasse: „Am 1o. November, Luthers Geburtstag, brennen in Deutschland die Synagogen (…) In dieser Stunde muss die Stimme eines Mannes gehört werden, der als der Prophet der Deutschen… der größte Antisemit seiner Zeit geworden ist…“ Der evangelische Reichsbischof erklärte, Hitler vollende nun, was Luther begonnen habe. Dieser christliche Hintergrund der Schoah wird immer noch tabuisiert, die lauen Schuldbekenntnisse der Kirchen drücken sich darum herum, dass „Nazis“ und Christen weitgehend identisch waren. Wie wollen sie eigentlich heute Neonazis entgegentreten, die einen Anschlag auf eine Synagoge verübt haben und sich auf den so hoch geehrter Luther berufen?

Ein anderer Nazi-Täter heißt Udo Klausa, er war von 1954 bis 1975 erster Landesdirektor des Landschaftsverbands Rheinland und hatte schwere Menschenrechtsverletzungen in Heimen und Psychiatrien zu verantworten.

Als NSDAP- und SA- Angehöriger hat er 1936 die rassistische Hetzschrift „Rasse und Wehrrecht“ verfasst, in welcher er die Förderung der „guten Ströme des Bluts“ forderte und die „Aussonderung der Entarteten“. Als Nazi-Landrat von Bendzin – ca. 40 km von Auschwitz entfernt- hat er 30 000 Juden in viehische Gettos einsperren lassen, von wo aus sie ins Gas deportiert wurden. (siehe: Mary Fulbrook, „Eine kleine Stadt bei Auschwitz“, Klartext Verlag )

Klausa ist aber immer noch Ehrenbürger der Uni Bonn und Inhaber der Ehrendoktorwürde, Mitte der 60er verliehen im Namen der Düsseldorfer Uni vom Inhaber des Lehrstuhls für Psychiatrie, Friedrich Panse, einem „Euthanasiegutachter“, also ein Schreibtischtäter bei den Krankenmorden.

Solch brauner Unrat unterm Teppich, aber Betroffenheit bekunden: PFUI TEUFEL !

V.i.S.d.P. LOTHAR GOTHE ECKENHAGENERSTR 33 51702 BERGNEUSTADT

Bergneustadt. Ein Wintermärchen

Leserbrief zum Artikel „Eisvergnügen auch bei 15 Grad“

Endlich mal eine gute Nachricht: In Bergneustadt steigt das zweite „Wintermärchen“ mit noch größerer Eisfläche, noch prächtigerer Beleuchtung, tollem Programm wie Bierkästenkegeln und Bobby-Car-Rennen, mit Super-Gastronomie, Schafsfellen und unzähligen weiteren Attraktionen für die „große Party“: powered by Stadt, Aggerenergie und Werbegemeinschaft.

Zeit, begeistert Danke zu sagen!

Während anderswo dauernd nur über Klimawandel geschwätzt und drastische Energieeinsparung verlangt wird, während sogenannte Wissenschaftler Alarm schlagen, Deutschland seine unsinnigen Verpflichtungen verfehlt, lässt Bergneustadt sich von all den Miesmachern nicht das „Eisvergnügen“ kaputt reden.

Hier hält man sich an echte Experten wie den US-Klimaforscher Donald Trump und die für Deutsches Klima kompetente AfD, die herausgefunden haben, dass Klimawandel „fake news“ ist. Deshalb hat Bergneustadt im Unterschied zu anderen Kommunen auch fast gänzlich auf Klimaschutzaktivitäten verzichtet.

Der aufdringliche Neujahrs-Appell der römischen Spaßbremse Franziskus, nicht nur wegen der Zerstörung der Schöpfung Konsumverzicht zu üben, sondern auch deshalb, weil unsere angeblich exorbitanten Verbräuche z.B. in Afrika Millionen in Krankheit und Hungertod treiben, kann hier nur ein müdes Achselzucken auslösen.

Damit solche „bad feelings“ aber nicht etwa die Partylaune versauen, sollte am Rathaus ein weithin sichtbares, illuminiertes Banner hängen: „KLIMAWANDEL – ERFINDUNG DER CHINESEN!“ Was Papst und Afrika betrifft: Die monströsen Aggregate ließen sich gut hinter einer urigen Holzwand verbergen mit einer Aufschrift, die in den 90ern auf einigen Luxuskarossen zu lesen war: EUER ELEND KOTZT UNS AN .

Wenn der Bergneustädter nach den „glücklichen“ 4 Wochen immer noch Bock auf Winterpoesie haben sollte, hilft ein Flug nach Dubai, wo man auf einer bestens präparierten Piste in norwegischer Atmosphäre bei einer Außen-temperatur von über 40 Grad prima Ski fahren kann: Wintermärchen aus Tausend und einer Nacht.

Also dann: Frohes Neues und weiterhin „Bergneustadt first“ !


Zudiesem Leserbrief gab es eine Antwort, in der die Verfasserin mir und anderen Kritikern des „Eisspaßes“ Kinderfeindlichkeit vorwirft. Dazu wäre auch noch was zu sagen:

Frau Grube meint, die anderen Eisbahnkritiker und ich gönnten den Kindern kein Vergnügen mehr und wir hätten unsere Kindheit vergessen.

Aber gerade der Gedanke an meine Kindheit weist auf ja die Klimaerwärmung hin, denn wir konnten hier überall auf zugefrorenen Gewässern nach Herzenslust Eislaufen. Heute brauchen meine Enkel für diesen Winterspaß Eissporthallen wie die in Wiehl.

Das extrem energiefressende „Wintermärchen“ in Bergneustadt ist hingegen alles andere als ein Zeichen für Kinderliebe. Oder feiern Kinder dort Betriebsfeste, machen „Party“ in „Hüttenatmosphäre“ an der Cocktailbar bis in die Nacht? Die Stehtische sind auch nicht gerade kindgerecht und aus den Boxen dudeln keine Kinderlieder. Mit dem Event zielt die Werbegemeinschaft auf zahlungskräftige erwachsene Kundschaft, der Kinderspaß ist reiner Nebeneffekt.

Es sind allerdings die Kinder, welche demnächst eine sehr bittere Zeche für die vielfältigen Vergnügungen und die konsumistischen „Parties“ von uns Alten zu zahlen haben. Es gilt längst als wissenschaftlich gesichert, dass ihnen eine „düstere Zukunft“ droht, wenn nicht endlich die „Großen“ in Berlin die Wirtschaft umstellen, und auch wir „Kleinen“ nicht sehr bald den verschwenderischen Lebensstil ein-schränken. Auch die Veranstalter und Frau Grube können ihre jeweilige Verantwortung dafür nicht an der Garderobe abgeben.

Übrigens bin ich im Dorf durchaus als kinderlieb bekannt, denn seit vielen Jahren hatten zahllose Kinder hier auf dem Hof viel Freude mit ganz geringen Mitteln. Eine Zukunft ohne solche „Wintermärchen“ müßte also gar nicht „düster“ sein.

 

Luthers Antisemitismus – ein interessanter Link dazu

Aus einer Mail an mich:

„Lieber Lothar,
vielen Dank, ich habe die Schreiben mit intensiven Interesse gelesen – du gibst ja deiner früheren Kirche ein scharfes Contra. […]
Luther trug aus deiner Sicht auch nach 421 Jahren (Mit-)Schuld an den Pogromen 1938 und späteren Vernichtungen, konnte sich aber gegen die Vereinnahmung durch die Nazis und alle sonst beteiligten Deutschen nicht wehren. Hast du übrigens für die Berufung auf Luthers Hetzschriften durch SA, SS eine Quelle? “

Die Frage ist natürlich berechtigt. Ich möchte darum auf diesen interessanten Artikel  von Jan Süselbeck bei literaturkritik.de hinweisen:

Die 500-Jahr-Feier der Reformation hat einen Haken – Martin Luther, der Begründer des Protestantismus, war Antisemit

Der Dechant und ich – fast eine Brieffreundschaft

Oberbergs Kreisdechant Christoph Bersch hatte mir auf einen meiner unveröffentlichten Leserbriefe, hier zum Artikel „Zeichen setzen gegen den Antisemitismus“, geantwortet. Der Mailwechsel entwickelte sich überaus interessant.

——– Original-Nachricht ——–
Betreff:     Die Gedanken des Alt 68er…
Datum:     Wed, 29 Nov 2017 20:23:12 +0000
Von:     <christoph.bersch@erzbistum-koeln.de>
An:     <logo@westhost.de>

Sehr geehrter Herr Gothe,

seit Jahren schon begleiten und erstaunen mich ihre veröffentlichten – und manchmal auch die nicht veröffentlichten – Leserbriefe. So unfehlbar waren Päpste nicht einmal im 19.Jahrhundert, wie Sie „historische Wahrheit“ für sich beanspruchen…

Wenn Sie nach einem Satz mit „wäre vermutlich“ und „hätten sich wohl kaum“ von „historischer Wahrheit“, sprechen, dann ist das schon ziemlich steil: sogar steiler als die Eiger-Nordwand.

Lassen Sie mich fünf Gedanken formulieren:

1) Ich habe in diesem Jahr eine Fahrt mit Superintendent Knabe und 50 Christen unserer beiden Konfessionen zu den Wirkungsstätten Martin Luthers gemacht und mehrere ökumenische Gottesdienste mitfeiern dürfen. Wir haben dabei an Worte und Entscheidungen Martin Luthers erinnert, ohne ihn zu verklären. Uns allen ist bewusst, dass er Kind seiner Zeit gewesen ist: mit seinen Ängsten, mit der Wucht seiner Sprache, mit der er sich positiv einen Namen gemacht hat, aber auch der Versuchung erlegen ist, sie gegen Juden (und übrigens auch gegen den Papst und seine Anhänger) einzusetzen – mit seiner Leidenschaft für Gott und zugleich mit seinen (vor allem aus heutiger Sicht) Verblendungen. Gemäß dem Wort des Apostels Paulus: „Prüfet alles, das Gute behaltet“, ist eine klare Kritik angesagt. Kritik kommt von „krinein“ = unterscheiden. Und diese Unterscheidung von sehr viel Segensreichem, das wir Luther verdanken und gerne festhalten – seine ins Deutsche übersetzte Heilige Schrift, seine Hymnen und Lieder… – und dem, wo er negativ über Menschen anderer Überzeugungen und Glaubensausrichtungen herzieht, ist entscheidend.

2) Luther ist in der Geschichte – wie viele andere auch – vereinnahmt und verfälscht worden. Er, dem es um die Rechtfertigung des Sünders durch die Gnade Gottes ging, musste zur Rechtfertigung von Nationalismus, Staatskirchentum, Priesterehe, der Diskriminierung von Juden und Katholiken usw. herhalten. Daraus folgt aber keine „historische Wahrheit“, sondern vielmehr die Sorgfalt und das gewissenhafte Studium der Originalquellen als Ganzes, die eine sachgestützte Annäherung an die „historische Wahrheit“ beinhalten.

3) Ähnliches können wir doch auch von der Zeit vor knapp 50 Jahren sagen: Für die einen war es der Ausbruch aus dem Mief der 50er und 60er-Jahre, der Ausbruch aus Unmündigkeit und Verkrustungen, die Befreiung von falschen Konventionen und einer „Kopf-in-den-Sand-Mentalität“; für die anderen war es der Katalysator für eine moralische Katastrophe mit ethischen Dammbrüchen, politischen Verblendungen (Mao, Fidel Castro…) und der Legitimierung von Gewalt unter fadenscheinigen Vorwänden. Was ist da „historische Wahrheit“? Für Ihre Generation oder auch auf der Basis Ihres persönlichen Lebensweges etwas ganz Anderes als für meine (jüngere) Generation bzw. für meinen Lebensweg, wo mir z.B. das Geschwafel von „Startbahn West – Nein Danke“-Lehrern ebenso auf den Senkel ging wie die verbal großkotzigen Alt-68er a la Gerhard Schröder, die damals das Maul aufrissen und heute bei Gazprom Millionen verdienen (die unzähligen heutigen SUV-Fahrer und Kreuzfahrschiff-Nutzer dieser Generation seien da nur am Rande erwähnt).

4) Mir ist es auch ein Anliegen, dass Sie sich mit Ihren Urteilen über die „halbherzigen Schuldeingeständnisse“ der Kirchen bescheiden. Natürlich haben Christen durch die gesamte Geschichte hindurch schwere Schuld auf sich geladen – wie im übrigen auch alle Nichtchristen! Mose als Mörder, David als Ehebrecher, Petrus als Ohr-Abschläger, Paulus als Christenverfolger… – bereits in der Bibel selbst wird dabei kein Blatt vor den Mund genommen. Christen sind ja auch nicht die moralischen Superhelden, sondern die, die um die absolute Notwendigkeit der Vergebung durch Gott wissen – und darum, dass wir bei uns selbst anfangen müssen! Denn wenn ich mit zwei Fingern auf „die anderen“ zeige, zeigen drei Finger auf mich selbst!

5) Es geht nicht um „lückenhaftes Gedenken“, sondern um ein klares Bekenntnis zu Frieden und Gerechtigkeit, Gewaltlosigkeit und dem Einsatz für die Menschenrechte in unserer Gegenwart. Wir brauchen nichts zu verschweigen, wo wir als Deutsche, wo wir von seiten unserer Kirchen, wo wir durch die Geschichte hindurch Unrecht gefördert, Gewalt gepredigt und Menschenrechte mit Füßen getreten haben. Aber wichtiger ist es, dass wir heute positiv für die Werte einstehen, mit denen wir die dunklen Seiten der Vergangenheit hinter uns lassen können.

Ich lade Sie ein, Herr Gothe, am Samstag zum Jahresempfang der Katholiken Oberbergs in die Halle 32 (Steinmüllergelände) nach Gummersbach zu kommen und ab 9.30 Uhr zum Thema „Werte“ zu hören, zu diskutieren und Ihre Meinung einzubringen. Keine Sorge: Katholiken beißen nicht…

Mit freundlichen Grüßen

Pastor Christoph Bersch, Kreisdechant

– Mitglied im Beirat der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit –

Meine Antworten zu dieser Mail:

——– Original-Nachricht ——–
Betreff:     Katholiken-Empfang
Datum:     Sun, 03 Dec 2017 20:08:51 +0100
Von:     Lothar Gothe <logo@westhost.de>
An:     christoph.bersch@erzbistum-koeln.de

Sehr geehrter Herr Bersch,

nachfolgend versuche ich, Ihren ausführlichen „Hirtenbrief“ (bzw. Hirtenmail) zu beantworten. Zuvor aber einige Anmerkungen zum oberbergischen „Katholikentag“, zu dem Sie mich eingeladen hatten. Der bin ich gern gefolgt, weil ich mich in die Vorstellung hineinfantasiert hatte, dass sich die Kirche in einem Erneuerungsprozess befinde, sich öffne, diskutiere und auch andere Meinungen gelten lasse: Also vielleicht eine andere, bessere sei als die, aus der ich vor langer Zeit ausgetreten bin.

Natürlich war diese Hoffnung genährt durch den Argentinier, der anscheinend versehentlich zum Papst gewählt wurde. Mich beeindruckt dessen radikale Verurteilung der neoliberalen kapitalistischen
Wirtschaft, welche in den armen Weltregionen „tötet“ und Menschen zu Müll und Abfall macht, während wir hier im „Fetischismus des Geldes“ und im „ungezügelten Konsumismus“ eine „neue und erbarmungslose Form der Anbetung des goldenen Kalbes“ gefunden haben. Seine Schrift „evangelii gaudium“ ist ein Weckruf, ein Fanal.

Was ich vorfand, ließ meine infantilen Träumereien schnell platzen: Alles wie gehabt. Eine Zusammenkunft durchweg älterer Mitbürger, die im „Frontalunterricht“ von „Schriftgelehrten“ und Honoratioren belehrt wurden. Es gab keine Diskussion, schon gar nicht über die christlichen und demokratischen „Grundwerte“ wie Menschenwürde, globale Gerechtigkeit, Schutz der Schöpfung, die wir Übersatten allesamt laut Franziskus durch unsere Lebensweise mit Füßen treten; Bei den 11 Gesprächsrunden waren das ebenfalls keine Themen. Stattdessen das Übliche: von Regionalen Produkten über Caritas-Pflege bis zu Verrohung
der Jugend. Statt Diskussion mit Rede und Gegenrede fragte eine RTL-Moderatorin auf dem Podium nur Statements ab.

Als am Schluss mein Freund das Wort ergriff darauf hin wies, daß Sie mich doch eingeladen hätten, um „zu diskutieren und meine Meinung zu äußern“, blockten Sie ab. Meinen Vorschlag, mir 3 Minuten zu geben, in
denen ich ausschließlich Worte von Papst Franziskus zu den hier ignorierten existentiellen Menschheitsproblemen verlesen werde, lehnten Sie ab. Auch bei seinen katholischen Wohlstands schafen ist der Oberhirte also ein Rufer in der Wüste. Ihr Verhalten bestätigt aber eindrucksvoll Franziskus´ Analyse:

„Um einen Lebensstil vertreten zu können, der die anderen ausschließt, oder um sich für dieses egoistische Ideal begeistern zu können, hat sich eine Globalisierung der Gleichgültigkeit entwickelt.
Fast ohne es zu merken, werden wir unfähig, Mitleid zu empfinden gegenüber dem schmerzvollen Aufschrei der anderen, wir weinen nicht mehr angesichts des Dramas der anderen noch sind wir interessiert, uns um sie zu kümmern, als sei das alles eine uns fern liegende Verantwortung, die uns nichts angeht. Die Kultur
des Wohlstands betäubt uns.“

Und derart moralisch sediert kann sich dann auch der Christ an der obzönen weihnachtlichen Materialschlacht beteiligen, die gleich nebenan im Forum tobte, oder sich auf den Weihnachtmärkten bei Gühwein und Bratwurst mit kitschigem Plunder aus aller Welt eindecken, um auf solch perverse Art den Geburtstag des revolutionären Juden Jesus zu begehen.

Tief enttäuscht fuhr ich nach Hause, voller Scham, dass ich so blöd war, für einen Moment an die Möglichkeit einer lebendigen Erneuerung der Sancta Ecclesia zu glauben. Armer Franziskus!

UND:

——– Original-Nachricht ——–
Betreff:     Historische Wahrheiten
Datum:     Tue, 05 Dec 2017 21:40:00 +0100
Von:     Lothar Gothe <logo@westhost.de>
An:     christoph.bersch@erzbistum-koeln.de

Sehr geehrter Herr Bersch,

nun zu Ihrer Mail, „meiner“ Unfehlbarkeit und zu „meinen“ historischen Wahrheiten:

Im Unterschied zu Ihrer Kirche behaupte ich zumindest nicht, unfehlbar zu sein.  Ich nehme auch keine historische Wahrheit „für mich in Anspruch“, sondern kenne durchaus meine diesbezüglichen Grenzen als kleiner Ökobauer und  Sozialarbeiter. Aber ich kann (vielleicht dank Luther) lesen und schreiben und mir somit einen Überblick über die Forschungsergebnisse der Wissenschaft verschaffen. Darauf beziehe ich mich und ich habe deshalb  auch ausdrücklich auf das Buch des renommierten Historikers Ernst Klee hingewiesen. Falls Sie der Meinung sind, dass z.B. Klee historische Unwahrheiten behauptet, steht Ihnen frei, diese unter Angabe der Quellen an konkreten Punkten zu korrigieren.

Also lieber Herr Bersch: “ Steil “ ist  weniger meine Äußerung, sondern wohl eher Ihre Polemik.

Zu Ihren Gedanken:

Vermutlich unbewußt bestätigen Sie genau meinen Vorwurf, daß Luthers mörderischer Antisemitismus verharmlost oder verschwiegen wird: Nach theologischer Belehrung über Kritik, „krinein= unterscheiden“ stellen Sie Luthers sattsam bekannten positiven Leistungen als negative Seite gegenüber, dass er „negativ über Menschen anderer Überzeugungen und Glaubensrichtungen herzieht“. Die Redensart „Über einen herziehen“ bezeichnet die Verbreitung von verleumderischem Klatsch und Tratsch.  Luthers Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ enthält aber einen  eindeutigen Aufruf zum Mord an Juden, zur Brandstiftung bei Synagogen , Zerstörung Jüdischer Schulen und Häuser, Plünderung jüdischen Besitzes. Alle diese Verbrechen wurden 1938  unter ausdrücklicher Berufung auf Luthers Hetzschrift von SA, SS und unzähligen “ Freiwilligen“ verübt. Dass für das Progrom mit Absicht Luthers Geburtstag am 10.11. gewählt wurde, darf man anscheinend nicht erwähnen, es wird völlig totgeschwiegen.

Würde heute jemand diesen Aufruf ernsthaft wiederholen, er würde wohl kaum mit einem Bußgeld wegen übler Nachrede davon kommen, sondern wegen Volksverhetzung und Aufruf zum Völkermord im Knast sitzen. Um Ihre Äußerung als historisch  verfälschende Reinwaschung beurteilen zu können, reicht es also aus, Luthers unmißverständlichen Text zu lesen.

Mit solcher Art Verharmlosung schlagen  Sie in dieselbe Kerbe wie der Nümbrechter Bürgermeister und Ihre Christlich Jüdische Gesellschaft: Ersterer verbreitete vor Schülern die historische Unwahrheit, dass
nämlich“die Nazis“ die Juden umgebracht hätten, „nur weil sie einen anderen Glauben hatten.“ Auch er hätte doch wissen müssen, dass der Holocaust nicht aus religiösen Motiven  geschah, sondern aus rassistischen, sonst wären ja nicht katholische, evangelische und atheistische Juden auch vernichtet worden. Auf diese Weise wird von der barbarischen Einzigartigkeit der industriell durchgeführten  “ Endlösung der Judenfrage“  abgelenkt; und davon, dass der rassistische Antisemitismus schon bei Luther angelegt ist, z. B. wenn er die  Juden als „leibhaftige Teufel“ oder „durstige Bluthunde“  bezeichnet und ihnen „verdorbenes Blut“ (modern: schlechte Gene) attestiert.

Ich muss auch erneut darauf hinweisen. dass ausgerechnet Ihre Christlich jüdische Gesellschaft sich jahrelang erlaubte,  auf ihrer Homepage eine geradezu schamlose Reinwaschung sogar von Naziverbrechern betreiben: Die „Mitläufer und Mittäter“ seien „gutwillig und ehrenwert“ gewesen. Welch eine Verhöhnung der Opfer! In zahlreichen deutschen Orten zeigten sich am 10.11.38  diese Nazis  so „gutwillig und ehrenwert“ wie die Täter und Bejubler bei den ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Mölln.  Erst nach Protesten wurde diese geradezu ungeheuerliche Behauptung  gelöscht. Heute findet sich dort ein zweifelhaftes Zitat von August Dresbach: Er gäbe nicht den „ungeschulten“, sondern nur den „politisch geschulten“ Nazis Schuld. Welchen Schulabschluss, Herr Bersch, muss man denn  haben, um erkennen zu können, daß Mord und Totschlag, Brandstiftung und Plünderung,  etc. Unrecht sind?

Vermutlich ist Ihnen und den andern Beschönigern gar nicht bewußt, welche aktuelle Sprengkraft solche  apologetische Befassung mit den nationalsozialistischen Verbrechen  in sich trägt,  können sich doch die
heutigen Rechtsradikalen, Rassisten und Antisemiten ebenso darauf berufen, trotz ihrer Hetze und ihrer Gewalttaten „ehrenwert und gutwillig“ zu sein.

Luthers  Judenhass und seine Vernichtungsaufrufe sind derart eindeutig und massiv, dass daran gar nichts „verfälscht“ werden kann und er muss deshalb auch nicht für die „Diskriminierung der Juden „herhalten“, wie Sie schreiben. Noch mehr „diskriminieren“ als zum Totschlag  aufrufen geht ja wohl nicht.

Sie verlangen, ich solle mich mit meinen Urteilen über die „halbherzigen Schuldeingeständnisse“ der Kirchen bescheiden. Was dann aber folgt, ist genau ein solches halbherziges und sehr lückenhaftes Schuldeingeständnis, welches sich auf  persönliche Verfehlungen von Mose, David, Petrus und Paulus beschränkt. Kein Wort zu Kreuzzügen, „Kolonialimus-Untaten“, der „heiligen Inquisition“, dem christlichen Anteil am Naziterror.

Auch kein Wort zu hochaktueller Schuld: Den tausendfachen Verbrechen an schutzbefohlenen Kindern und Jugendlichen in katholischen Einrichtungen. Einen großen Teil meines Lebens habe ich damit verbracht, zusammen mit vielen anderen empathiefähigen Mitmenschen in der Sozialistischen Selbsthilfe Köln die alleingelassenene Opfer von der Domplatte zu holen, Ihnen im Sinne der Bergpredigt  Obdach zu geben und für ihre Rechte zu kämpfen.  Als wir auch die Kirche angriffen, wurden wir in Ihrer Kirchenzeitung als „roter Star“ beschimpft, den man “ stechen müsse“. Man beachte die interessante Wortwahl !

Hier vor Ihrer Tür mussten ebenfalls Kinder leiden. Auch  im Eckenhagener Josefshaus wurden sie gedemütigt, körperlich mißhandelt, vergewaltigt („sexuell mißbraucht“)  und mit folterähnlichen,
sadistischen Methoden bestraft; so wurde z.B. Bettnässern abends die Vorhaut vorgezogen und zugebunden  mit der Folge von entsetzlichen Qualen in der Nacht. In einem Gummersbacher Heim, so berichtet ein
früherer Zögling, wurde er von einer Nonne  wiederholt zu sexuellen Handlungen gezwungen. An den psychischen Folgen leidet er heute noch. Den Opfern, die ihr Martyrium nachweisen können, bietet das
milliardenschwere Erzbistum Köln  5000 Euro als Wiedergutmachung an, ein Drittel des Kaufpreises einer bischöflichen Badewanne in  Limburg! Wie ordnen Sie eigentlich ein solches Verhalten im katholischen Wertekanon ein?

Und jetzt belehren Sie mich, es gehe um ein „klares Bekenntnis zu Frieden und Gerechtigkeit, Gewaltlosigkeit und den Einsatz für die Menschenrechte in unserer Gegenwart“.  Auf Ihrer Veranstaltung zu „Werten“ und “ Wertewandel“ fiel aber kein einziges  Wort zu der brutalen Gewalt gegen Flüchtende, die in KZartigen
Lagern in Lesbos ausgeübt wird, um  weitere Hungerleider abzuschrecken und von den Grenzen unserer Wohlstandszone fern zu halten. Oder denen in Lybien, in welchen von uns bezahlte  Warlords  ein grausames Exempel  an Geflüchteten statuieren, die von ihren Gangsterbanden auf dem Mittelmeer eingefangen wurden. Alles „in our name“, lieber Herr Dechant.

Ebenfalls kein einziges Wort zu dem „Werteverfall“, der sich an den dramatischen Folgen der Klimaerwärmung offenbart, einer noch nie dagewesenen Zerstörungsorgie an unseren Lebensgrundlagen, an der „Schöpfung.“Mit furchtbaren Folgen schon heute für Millionen Unschuldiger in Ländern des Südens.
Das  alles wurde verschwiegen, stattdessen ging es um Verrohung unserer Jugend und um den schädlichen Einfluss von Handies auf  unsere Kinder. Das Schicksal der kongolesischen Kinder, die als Arbeitssklaven unter schrecklichen Umständen  Coltan und Lithium für unsere Elektronik aus den Bergwerksstollen kratzen müssen, war hingegen  keiner Erwähnung wert. Dabei kann man doch in der „einen Welt“ das eine nicht vom anderen trennen.

Was ihre scharfe Kritik an den 68ern betrifft, muss ich (leider) einräumen, dass sie teilweise berechtigt ist. Tatsächlich geben „großkotzige Alt 68er“ wie Schröder, Fischer  oder Kretschmann ein widerliches Bild von rücksichtsloser Raffgier und egomanischem Konsumismus ab und sie treten die damaligen Ideale mit Füßen.  „SUV-Fahrer“ und „Kreuzfahrtschiff-Nutzer“ verraten gleichermaßen ihre Grundwerte, seien es Sozialisten oder Christen. Und ich muss wohl auch einräumen, dass es bei den 68ern  zu „ethischen Dammbrüchen“ und „politischen Verblendungen“ gekommen ist. Allerdings ist die Kirche auf dem Gebiet den 68ern noch weit voraus, siehe oben. Beiden  Gruppen wäre es aber vermutlich gleich lieb, wenn die Spaßbremse
Franziskus endlich das Maul hält und nicht länger allen auf den Wecker geht mit seinen antikapitalistischen Reden und moralischen Appellen. Ihnen anscheinend ja auch, wie wir am Samstag  gesehen haben.

Vermutlich bestätige ich mit diesen lästerlichen Ausführungen, dass es klug war, mir am Samstag entgegen Ihrer Zusage nicht das Wort zu erteilen.

Mit freundlichem Gruss,     Lothar Gothe

Ich hatte diesen Mailwechsel ursprünglich nur an einige Freunde, darunter auch mehrere Pfarrer,  weitergeleitet, um ihre Meinung dazu zu erfahren. Das große Interesse an der Debatte bewog mich dazu, den gesamten Mailwechsel zu veröffentlichen, und so habe ich Herrn Dechant Bersch über mein Vorhaben infomiert:

——– Original-Nachricht ——–
Betreff:     Unser „Mailwechsel“
Datum:     Sun, 17 Dec 2017 16:42:50 +0100
Von:     Lothar Gothe <logo@westhost.de>
An:     christoph.bersch@erzbistum-koeln.de

Sehr geehrter Herr Bersch,

ich habe mir erlaubt, unseren Mailwechsel an einige Freunde weiter zu leiten, darunter auch ein paar Pfarrer.  Die (pro und contra) Reaktionen zeigen, dass diese (heftige ) Debatte auf überraschend großes Interesse stößt. Deshalb beabsichtige ich, den „Mailwechsel“ auf meiner Homepage weiteren Mitmenschen zugänglich zu machen, will Sie aber vorab informieren.

Gerade die aktuellen antisemitischen und rassistischen Vorkommnisse bestätigen die Notwendigkeit, die tieferen Ursachen des alten und neuen Antisemitismus und Rechtsradikalismus zu  analysieren und in der Öffentlichkeit zu diskutieren, gerade auch in der Schärfe, die wir beide an den Tag gelegt haben.

Mit freundlichen Gruß,   Lothar Gothe

 

Herr Dechant Bersch war – das ist verständlich – nicht begeistert:

——– Original-Nachricht ——–
Betreff:     AW: Unser „Mailwechsel“
Datum:     Mon, 18 Dec 2017 08:01:03 +0000
Von:     <christoph.bersch@erzbistum-koeln.de>
An:     <logo@westhost.de>

Sehr geehrter Herr Gothe,

eine private e-mail ohne Rücksprache an andere Leute zu senden, hat nicht gerade Stil.

Aber wenn es Ihr Aufmerksamkeits- und Geltungsbedürfnis befriedigt, dann soll es wohl so sein. Das stört nicht meinen adventlichen Frieden.

Übrigens: die beste Medizin gegen Antisemitismus ist ein tiefer gelebter Glaube an Jesus Christus und eine gesunde tiefe Verehrung der Muttergottes!

Denn beide entstammen dem Volk der Juden!

Außerdem: wer an Gott als Vater der gesamten Menschheitsfamilie glaubt, kann weder gegen Israel noch Palästina, weder gegen Amerikaner noch gegen Russen sein. Selbst die geschundene nordkoreanische Bevölkerung verdient Ihr und mein Gebet!

Meine – bis jetzt, 28.12.2017 – letzte Nachricht an Herrn Bersch:

——– Original-Nachricht ——–
Betreff:     „Mailwechsel“
Datum:     Sat, 23 Dec 2017 17:06:58 +0100
Von:     Lothar Gothe <logo@westhost.de>
An:     christoph.bersch@erzbistum-koeln.de

Sehr geehrter Herr Bersch,

nachdem ich über Ihre Mail ein paar Tage nachgedacht habe, antworte ich wie folgt:
Sie haben Recht damit, dass es „nicht gerade Stil hat“, eine private Mail an andere weiter zu leiten. Und den Vorhalt, ich würde damit mein Geltungsbedürfnis befriedigen, kann ich auch nicht mal so eben wegwischen.

Aber Sie vergessen die Vorgeschichte: Sie haben meinen Leserbrief zum „Progromtag“ heftig kritisiert, was in Ordnung ist. Mich gleichzeitig zu Ihrer Veranstaltung zu „Werten“eingeladen, damit ich “ mit diskutieren“
und „meine Meinung äußern“ kann. Dann aber wollten Sie meine Meinung gar nicht hören und haben sogar meinen Vorschlag abgelehnt, aus Papst Franziskus´ Schrift evagelii gaudium zu zitieren, in welcher er uns konsumistischen Bewohnern der Wohlstandszonen den Verrat an den christlichen und humanitären Grundwerten vorwirft.

Ihr Verhalten darf man wohl als beleidigend, als „Verarschung“ betrachten, einer meiner Freunde meint sogar, Sie hätten mich damit „gedemütigt“.

Vor diesem Hintergrund und eingedenk der Tatsache, dass es hier ausschließlich um gravierende gesellschaftspolitische Probleme und nicht etwa um intime persönliche geht, fühle ich mich zur
Veröffentlichung unseres „Mailwechsels“ berechtigt. Zumal ich mir sicher bin, dass mein Geltungsbedürfnis dabei nur eine sekundäre Rolle spielt.

Ihre Behauptung, ein tiefer Glaube an Jesus Christus sei die „beste Medizin gegen Antisemitisnus“, ist längst durch die Wirklichkeit widerlegt. Der Völkermord an den Juden und der Vernichtungskrieg im Osten wurden doch von abertausend katholischen und vor allem evangelischen Christen durchgeführt, die sich zum großen Teil sicher für gläubig hielten: Im damaligen deutschen Reich waren 2/3 der Einwohner evangelisch, ein knappes Drittel katholisch und nur 5 % waren andere, Juden, Atheisten, etc. Auch was Luther betrifft: Entweder lässt sich sein antisemitischer Aufruf zum Mord an Juden mit dem Glauben an Jesus Christus vereinbaren, oder er war eben kein gläubiger Christ. Was denn nun?

Aber dazu schweigen die Kirchen und auch Sie bleiben lieber stumm und verstoßen gegen Jesu Aufforderung zur klaren Stellungnahme, auch was die unzähligen abscheulichen Verbrechen an den Heimkindern betrifft, die ja mehrheitlich von Priestern begangen wurden. (In Australien in 4000 Einrichtungen!) Glaubten diese geweihten Täter nun an Jesus Christus oder nicht?

Angesichts des Schweigens und der Ausflüchte der Kirchen und der auch in Ihrer Veranstaltung zu Tage getretenen Unfähigkeit zur Diskussion wundert es mich nicht, dass unter den Teilnehmern kaum jüngere Leute waren. Das wäre sicher anders gewesen, wenn Papst Franziskus über Werte und Werteverlust gesprochen und sicher auch eine kritische Diskussion zugelassen hätte. Aber der ist ja offenbar – wie heute in der Zeitung zu lesen ist – im Vatikan von „Verschwöreren und „Verrätern“ umgeben, die ihm wie z.B. Kardinal Müller hasserfüllt die theologische Kompetenz absprechen und sich so abfällig über seinen bescheidenen Lebensstil äußern, dass Franziskus von einem „Krebsgeschwür“ in der Kurie spricht. Ich glaube, Sie haben deutlich gemacht, auf welcher Seite Sie in diesem Konflikt stehen.

Mit wenig optimistischen Grüssen, Lothar Gothe

„Kirche stellt sich dem Wertewandel“ – Tatsächlich?

Auf Einladung von Dechant Bersch durfte auch ich als abgefallener Katholik an der Veranstaltung über „Werte“ teilnehmen und nahm das als Zeichen, dass die Kirche sich öffnen wolle, lebendige Diskussionen zulasse und andere Meinungen respektiere. Natürlich war ich fest davon überzeugt, dass die große Wertedebatte im Vordergrund stehen würde, die Papst Franziskus angestoßen hat: Seine radikale Verurteilung der neoliberalen kapitalistischen Wirtschaft, welche in den armen Weltregionen „tötet“ und Menschen zu „Müll und Abfall“ macht, während wir hier im „Fetischismus des Geldes“ und im “ ungezügelten Konsumismus“ eine „neue und erbarmungslose Form der Anbetung des goldenen Kalbes“ gefunden haben.

Doch kein Wort davon. Es ging um „Verrohung“ der Jugend, Gefahren der Handynutzung, Ausfälle und Übergriffe gegen Rettungskräfte: Alles Probleme, gemessen an dem vom Papst angegriffenen Verfall der christlichen und demokratischen Grundwerte allerdings Randerscheinungen. Gewaltsame Ausbeutung anderer Völker, Umweltzerstörung, Klimagefahren: Fehlanzeige!

Sogar mein Vorschlag, nur 3 Minuten aus Franziskus´ Schrift „evanglii gaudium“zu zitieren, wurde abgeblockt, die für uns so sehr unangenehmen Worte des Papstes wollte keiner hören.Es gehe um „Erlöung“, die Kirche sei nicht die „Wächterin der Moral“.

Und auf so traurige Weise bestätigte die Versammlung Franziskus´ Analyse unseres rücksichtslosem Lebensstils: es habe sich „eine Globalisierung der Gleichgültigkeit“ entwickelt, wir wären „unfähig, Mitleid zu empfinden gegenüber dem schmerzvollen Aufschrei der anderen…“ „Die Kultur des Wohlstands betäubt uns“.

Vor Tagen trat im Fernsehen Kardinal Müller auf, sprach geradezu hasserfüllt Franziskus die theologische Kompetenz ab und äußerte sich abfällig über dessen bescheidene Lebensweise.

Da wurde mir klar, dass dieser Papst als Spaßbremse auch hier gegenüber dem „ungezügelten  Konsumismus“ auf verlorenem Posten steht. Diese „individualistische Traurigkeit“ war direkt nebenan im Forum als weihnachtliche Materialschlacht zu besichtigen.

„TOMORROW“ – Über einen eigentlich guten Film

Vor kurzem habe ich den „Öko-Kultfilm“ im Nümbrechter Schulzentrum gesehen, nachdem ich zuvor an der „Gedenkveranstaltung zum Reichsprogromtag“ teilgenommen hatte.

Der preisgekrönte Film will angesichts der drohenden globalen Katastrophen und dem stumpfsinnigen und (selbst)mörderischen „Weiter So“ in Politik und Wirtschaft Hoffnung machen, indem er Projekte und „Ökopioniere“ aus aller Welt vorstellt, die bereits Auswege und Lösungsansätze gefunden und realisiert haben. Das löst der Film auch ein mit teils sehr schönen Bildern und dem Auftritt glaubwürdiger Personen, welche sich der notwendigen Wende verschrieben haben.

Spätestens aber beim ersten Auftritt von Vandana Shiva hat mich ein Unbehagen ergriffen, das sich in der Folge steigerte. Sie hat nämlich einen nicht geringen Anteil an den beiden aus dem SSK heraus entstandenen oberbergischen ökologischen Alternativprojekten – die Eckenhagener Kompostanlage und unser Hüngringhauser Subsistenz-Bauernhof.

Im Nachhall des Tschernobyl-Schocks sind Meggie, Gaby von SSK und ich 1988 einer Einladung von Maria Mies gefolgt und haben an einem außergewöhnlich intensiven Wochenende in der evangelischen Akademie Bad Boll teilgenommen. Dort versammelten sich an die hundert Menschen zu dem Thema „Die Subsistenzperspektive“, viele aus der sog Dritten Welt, darunter auch Vandana Shiva.

Sie haben uns die Augen dafür geöffnet, dass „der Norden das Problem ist“, weil er (also wir) das zerstörerische kapitalistische Wachstumsmodell und den konsumistischen Lebensstil in die Welt gebracht hat und überall verbreitet. Daher sei es auch die Pflicht des Nordens (also unsere), dieses menschen- und naturfeindliche System aufzugeben und durch eine (moderne) Subsistenzwirtschaft zu ersetzen. Das haben wir dann in beiden Projekten versucht und auch relativ weitgehend erreicht (Näheres dazu an anderer Stelle).

Maria Mies und Vandana Shiva haben später in ihrem Buch „Ecofeminism“ (die deutsche Ausgabe wurde kürzlich neu aufgelegt) beide Projekte als beispielhaft vorgestellt und sind auf unsere Broschüre „Land in Sicht“ eingegangen.

Jetzt sehe ich Vandana auf der Leinwand, sie sieht noch aus wie damals und sie sagt immer noch genau dasselbe und es ist immer noch richtig, ja noch „richtiger“ und viel dringlicher als damals.

Aber das ist fast 30 Jahre her, 30 Jahre!

Mindestens so lange ist also völlig klar, war wir zu tun und vor allem zu lassen haben, auch die Folgen des Klimawandels sind in „Land in Sicht“ schon aufgeführt, also ebenfalls überhaupt nicht neu.

Mit diesen Gedanken konnte ich aus den weiteren wirklich guten Beispielen des Films keine Hoffnung mehr schöpfen. Denn wir alle wissen, trotz hunderter guter Projekte, vieler tausend engagierter Menschen und mutiger Aktivisten: Es hat sich hier kaum etwas in Richtung Subsistenz bewegt, im Gegenteil: Die Ausplünderung von Natur und Menschen und das dramatische Fortschreiten des Klimawandels ist schlimmer als je zuvor und statt Einsicht zu zeigen, verteidigt der „Norden“ seine mörderischen Privilegien mit wachsender Brutalität und scheint vor einer faschistischen Form der Weltbeherrschung immer weniger zurück zu schrecken. Und es wird konsumiert auf Teufel komm raus, als gäbe es kein Morgen mehr.

Aus diesem Blickwinkel zeigt sich die Achillesferse all der im Film vorgestellten guten Projekte: Ohne den äußeren Aufstand gegen die globalen und lokalen wirtschaftlichen Machteliten und Finanzverbrechersyndikate und ohne den inneren Kampf der einzelnen Menschen gegen die vielfältig verführerischen Annehmlichkeiten des konsumistischen Lebensstils gibt es keine dauerhafte Lösung.

KEINE!

Egal, in welchem Zukunftsprojekt du dich engagierst: ein einziger Flug in die Karibik und alles war umsonst, eine unnötig fette Karre fahren, eine Kreuzfahrt, durchgängig industriemäßig produziertes Fleisch essen, usw. usw., fressen im Nu alle positiven energetischen Effekte wieder auf. Wir wissen es alle und die diesbezüglichen Appelle hängen uns schon längst zum Halse raus: Aber ohne den Verzicht auf das meiste davon können wir uns Transition Town und die anderen Projekte schenken. Als Beigabe zum „normalen“ Konsumleben sind sie sinn- und wirkungslos und werden zu schönen Träumereien, die alle zusammen sicherlich Lösungen sein könnten: Wenn die Voraussetzungen andere wären.

Vor diesem Hintergrund wirkten auch die vorgestellten oberbergischen Beispiele auf mich recht trostlos. So der Verein Nove, in den mich mein verstorbener Freund Klaus Schweim (die Seele und der Motor des Vereins) schon ziemlich am Anfang geholt hatte, und der Meggie und mich dazu gebracht hat, eine der ersten Fotovoltaikanlagen zu installieren.

Heute erkenne ich voller Wut, dass auch unser Ökostrom in der allgemeinen Verschwendung sinnlos verballert wird und dass deshalb auch 100% Erneuerbare keine Lösung sind und bestenfalls die Klimakatastrophe hinauszögern können. Der stärkste Beweis ist die beschämende Tatsache, dass trotz vieler tausend Solaranlagen und Windräder der deutsche CO2-Ausstoß nicht nur nicht deutlich gesunken, sondern gestiegen (!) ist: SUVs kommen in Mode, die Flüge nehmen zu und schon ist der positive Klimaeffekt im Arsch.

Deshalb ist die Hoffnung, Technik oder „Green Economy“ seien Lösungen, unter den bestehenden Verhältnissen reine Illusion. Und kontraproduktiv, denn sie gaukelt uns vor, wir hätten damit schon genug gegen den Klimawandel getan.

Da Nove nicht bereit war, über den Technik-Tellerrand hinaus zu blicken, bin ich wieder ausgetreten.

Wirklich wirksam ist hingegen zum Beispiel der Kampf gegen das Atom-(Braun)kohle-und-Geldmonster RWE, welchen die mutigen Leute von „Ende Gelände“ führen; leider bin ich zu alt und zu abgewrackt, um mit auf Bäume oder Bagger zu klettern. Und manchmal entdecke ich bei mir eine klammheimliche Sympathie für die radikalen Jugendlichen, die ihre so bedrohte Zukunft, ihr „Tomorrow“, damit verteidigen wollen, das sie die  unsäglich zerstörerischen PS-Monster der reichen Alten abflämmen.

Auf jeden Fall aber bin ich wie wir alle alleiniger Herrscher über meine persönlichen Verbräuche und ich weiß, dass jede direkt oder indirekt eingesparte Kilowattstunde vielfach wirksamer ist als die, welche die Fotovoltaikanlage erzeugt hat.