Aufgewachsen als frommer Meßdiener im damals stockkatholischen Belmicke bin ich später aus der Kirche ausgetreten, wegen ihrer jahrhundertelangen Beteiligung an weltweiten Menschen-rechts-Verbrechen und weil die hiesige satte Christenheit die Lehre vom Teilen des revolutionären Wanderpredigers aus Nazareth in den Wind schlug.
Umso mehr verblüffte mich 2012 das provokativ bescheidene Auftreten des neuen Papstes, die Lektüre seiner Schrift „Evangelii Gaudium“ aber erschütterte mich: Eine so gnadenlos radikale und wortgewaltige Abrechnung mit dem neoliberalen Konsumkapitalismus war mir auch bei der politischen Linken nicht begegnet. Einige waren irritiert, als ich beim Gummersbacher Ostermarsch 2014 eine Rede gehalten habe, die hauptsächlich aus Zitaten einer päpstlichen Enzyklika bestand. Hier nur sehr verkürzt:
„ … müssen wir heute ein Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung und der Disparität der Einkommen sagen. Diese Wirtschaft tötet.“ „ … der Mensch an sich wird wie ein Konsumgut betrachtet, das man gebrauchen und dann wegwerfen kann … die Ausgeschlossenen sind nicht Ausgebeutete, sondern Müll, Abfall …. die Gier nach Macht und Geld kennt keine Grenzen … die Anbetung des goldenen Kalbes hat eine neue und erbarmungslose Form gefunden im Fetischismus des Geldes und in der Diktatur einer Wirtschaft ohne ein wirklich menschliches Ziel … in diesem System ist alles Schwache wie die Umwelt wehrlos gegenüber den Interessen des vergötterten Markts“
Solches will aber hierzulande keiner hören,denn die Wohlhabenden unter uns müssten ja ihren „Lebensstil, der die anderen ausschließt“ radikal verändern. Dagegen hat sich eine „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ entwickelt.
„ Es stellt sich heraus, dass der zügellose Konsumismus, gepaart mit sozialer „Ungleichheit ,das soziale Gefüge doppelt schädigt… ohne Chancengleichheit finden die verschiedenen Formen von Aggression und Krieg einen fruchtbaren Boden, der früher oder später die Explosion verursacht..“
Prophetische Worte, erleben wir doch gerade das schockierende Drama, dass der Klimaschutz in Wahrheit aufgegeben wird und stattdessen der Wohlstand der Wenigen mit immer mehr brutaler Gewalt und Krieg um die schwindenden Ressourcen aufrechterhalten werden muss.
Es empört mich, dass Franziskus teils hasserfüllte Gegner inner- und außerhalb der Kirche jetzt Betroffenheit heucheln und ihm – kaum dass er tot ist – die „politischen Zähne“ ziehen wollen, indem sie ihn zu einer Art männlichen Mutter Theresa machen. Das betrifft auch Dechant Bersch, der mich nach einem Disput zwar zum oberbergischen „Katholikentag“ eingeladen hatte, aber nicht zuließ, dass ich dort aus „Evangelii gaudium“ zitiere.
Ich erwarte das Wunder, dass der neue Papst ein ebenso urchristlicher Kommunist aus den armen Ländern ist und die begonnene Umkehr von Kirche und Menschheit fortsetzt, um die „Schöpfung“ als menschlichen Lebensraum vor der ultimativen Zerstörung doch noch zu retten.
Meine Ehrerbietung für Franziskus bringe ich dadurch zum Ausdruck, dass ich meine damalige Ostermarschrede als meinen persönlichen Nachruf auf die Homepage stelle.