Vor kurzem habe ich den „Öko-Kultfilm“ im Nümbrechter Schulzentrum gesehen, nachdem ich zuvor an der „Gedenkveranstaltung zum Reichsprogromtag“ teilgenommen hatte.
Der preisgekrönte Film will angesichts der drohenden globalen Katastrophen und dem stumpfsinnigen und (selbst)mörderischen „Weiter So“ in Politik und Wirtschaft Hoffnung machen, indem er Projekte und „Ökopioniere“ aus aller Welt vorstellt, die bereits Auswege und Lösungsansätze gefunden und realisiert haben. Das löst der Film auch ein mit teils sehr schönen Bildern und dem Auftritt glaubwürdiger Personen, welche sich der notwendigen Wende verschrieben haben.
Spätestens aber beim ersten Auftritt von Vandana Shiva hat mich ein Unbehagen ergriffen, das sich in der Folge steigerte. Sie hat nämlich einen nicht geringen Anteil an den beiden aus dem SSK heraus entstandenen oberbergischen ökologischen Alternativprojekten – die Eckenhagener Kompostanlage und unser Hüngringhauser Subsistenz-Bauernhof.
Im Nachhall des Tschernobyl-Schocks sind Meggie, Gaby von SSK und ich 1988 einer Einladung von Maria Mies gefolgt und haben an einem außergewöhnlich intensiven Wochenende in der evangelischen Akademie Bad Boll teilgenommen. Dort versammelten sich an die hundert Menschen zu dem Thema „Die Subsistenzperspektive“, viele aus der sog Dritten Welt, darunter auch Vandana Shiva.
Sie haben uns die Augen dafür geöffnet, dass „der Norden das Problem ist“, weil er (also wir) das zerstörerische kapitalistische Wachstumsmodell und den konsumistischen Lebensstil in die Welt gebracht hat und überall verbreitet. Daher sei es auch die Pflicht des Nordens (also unsere), dieses menschen- und naturfeindliche System aufzugeben und durch eine (moderne) Subsistenzwirtschaft zu ersetzen. Das haben wir dann in beiden Projekten versucht und auch relativ weitgehend erreicht (Näheres dazu an anderer Stelle).
Maria Mies und Vandana Shiva haben später in ihrem Buch „Ecofeminism“ (die deutsche Ausgabe wurde kürzlich neu aufgelegt) beide Projekte als beispielhaft vorgestellt und sind auf unsere Broschüre „Land in Sicht“ eingegangen.
Jetzt sehe ich Vandana auf der Leinwand, sie sieht noch aus wie damals und sie sagt immer noch genau dasselbe und es ist immer noch richtig, ja noch „richtiger“ und viel dringlicher als damals.
Aber das ist fast 30 Jahre her, 30 Jahre!
Mindestens so lange ist also völlig klar, war wir zu tun und vor allem zu lassen haben, auch die Folgen des Klimawandels sind in „Land in Sicht“ schon aufgeführt, also ebenfalls überhaupt nicht neu.
Mit diesen Gedanken konnte ich aus den weiteren wirklich guten Beispielen des Films keine Hoffnung mehr schöpfen. Denn wir alle wissen, trotz hunderter guter Projekte, vieler tausend engagierter Menschen und mutiger Aktivisten: Es hat sich hier kaum etwas in Richtung Subsistenz bewegt, im Gegenteil: Die Ausplünderung von Natur und Menschen und das dramatische Fortschreiten des Klimawandels ist schlimmer als je zuvor und statt Einsicht zu zeigen, verteidigt der „Norden“ seine mörderischen Privilegien mit wachsender Brutalität und scheint vor einer faschistischen Form der Weltbeherrschung immer weniger zurück zu schrecken. Und es wird konsumiert auf Teufel komm raus, als gäbe es kein Morgen mehr.
Aus diesem Blickwinkel zeigt sich die Achillesferse all der im Film vorgestellten guten Projekte: Ohne den äußeren Aufstand gegen die globalen und lokalen wirtschaftlichen Machteliten und Finanzverbrechersyndikate und ohne den inneren Kampf der einzelnen Menschen gegen die vielfältig verführerischen Annehmlichkeiten des konsumistischen Lebensstils gibt es keine dauerhafte Lösung.
KEINE!
Egal, in welchem Zukunftsprojekt du dich engagierst: ein einziger Flug in die Karibik und alles war umsonst, eine unnötig fette Karre fahren, eine Kreuzfahrt, durchgängig industriemäßig produziertes Fleisch essen, usw. usw., fressen im Nu alle positiven energetischen Effekte wieder auf. Wir wissen es alle und die diesbezüglichen Appelle hängen uns schon längst zum Halse raus: Aber ohne den Verzicht auf das meiste davon können wir uns Transition Town und die anderen Projekte schenken. Als Beigabe zum „normalen“ Konsumleben sind sie sinn- und wirkungslos und werden zu schönen Träumereien, die alle zusammen sicherlich Lösungen sein könnten: Wenn die Voraussetzungen andere wären.
Vor diesem Hintergrund wirkten auch die vorgestellten oberbergischen Beispiele auf mich recht trostlos. So der Verein Nove, in den mich mein verstorbener Freund Klaus Schweim (die Seele und der Motor des Vereins) schon ziemlich am Anfang geholt hatte, und der Meggie und mich dazu gebracht hat, eine der ersten Fotovoltaikanlagen zu installieren.
Heute erkenne ich voller Wut, dass auch unser Ökostrom in der allgemeinen Verschwendung sinnlos verballert wird und dass deshalb auch 100% Erneuerbare keine Lösung sind und bestenfalls die Klimakatastrophe hinauszögern können. Der stärkste Beweis ist die beschämende Tatsache, dass trotz vieler tausend Solaranlagen und Windräder der deutsche CO2-Ausstoß nicht nur nicht deutlich gesunken, sondern gestiegen (!) ist: SUVs kommen in Mode, die Flüge nehmen zu und schon ist der positive Klimaeffekt im Arsch.
Deshalb ist die Hoffnung, Technik oder „Green Economy“ seien Lösungen, unter den bestehenden Verhältnissen reine Illusion. Und kontraproduktiv, denn sie gaukelt uns vor, wir hätten damit schon genug gegen den Klimawandel getan.
Da Nove nicht bereit war, über den Technik-Tellerrand hinaus zu blicken, bin ich wieder ausgetreten.
Wirklich wirksam ist hingegen zum Beispiel der Kampf gegen das Atom-(Braun)kohle-und-Geldmonster RWE, welchen die mutigen Leute von „Ende Gelände“ führen; leider bin ich zu alt und zu abgewrackt, um mit auf Bäume oder Bagger zu klettern. Und manchmal entdecke ich bei mir eine klammheimliche Sympathie für die radikalen Jugendlichen, die ihre so bedrohte Zukunft, ihr „Tomorrow“, damit verteidigen wollen, das sie die unsäglich zerstörerischen PS-Monster der reichen Alten abflämmen.
Auf jeden Fall aber bin ich wie wir alle alleiniger Herrscher über meine persönlichen Verbräuche und ich weiß, dass jede direkt oder indirekt eingesparte Kilowattstunde vielfach wirksamer ist als die, welche die Fotovoltaikanlage erzeugt hat.