Auf Einladung von Dechant Bersch durfte auch ich als abgefallener Katholik an der Veranstaltung über „Werte“ teilnehmen und nahm das als Zeichen, dass die Kirche sich öffnen wolle, lebendige Diskussionen zulasse und andere Meinungen respektiere. Natürlich war ich fest davon überzeugt, dass die große Wertedebatte im Vordergrund stehen würde, die Papst Franziskus angestoßen hat: Seine radikale Verurteilung der neoliberalen kapitalistischen Wirtschaft, welche in den armen Weltregionen „tötet“ und Menschen zu „Müll und Abfall“ macht, während wir hier im „Fetischismus des Geldes“ und im “ ungezügelten Konsumismus“ eine „neue und erbarmungslose Form der Anbetung des goldenen Kalbes“ gefunden haben.
Doch kein Wort davon. Es ging um „Verrohung“ der Jugend, Gefahren der Handynutzung, Ausfälle und Übergriffe gegen Rettungskräfte: Alles Probleme, gemessen an dem vom Papst angegriffenen Verfall der christlichen und demokratischen Grundwerte allerdings Randerscheinungen. Gewaltsame Ausbeutung anderer Völker, Umweltzerstörung, Klimagefahren: Fehlanzeige!
Sogar mein Vorschlag, nur 3 Minuten aus Franziskus´ Schrift „evanglii gaudium“zu zitieren, wurde abgeblockt, die für uns so sehr unangenehmen Worte des Papstes wollte keiner hören.Es gehe um „Erlöung“, die Kirche sei nicht die „Wächterin der Moral“.
Und auf so traurige Weise bestätigte die Versammlung Franziskus´ Analyse unseres rücksichtslosem Lebensstils: es habe sich „eine Globalisierung der Gleichgültigkeit“ entwickelt, wir wären „unfähig, Mitleid zu empfinden gegenüber dem schmerzvollen Aufschrei der anderen…“ „Die Kultur des Wohlstands betäubt uns“.
Vor Tagen trat im Fernsehen Kardinal Müller auf, sprach geradezu hasserfüllt Franziskus die theologische Kompetenz ab und äußerte sich abfällig über dessen bescheidene Lebensweise.
Da wurde mir klar, dass dieser Papst als Spaßbremse auch hier gegenüber dem „ungezügelten Konsumismus“ auf verlorenem Posten steht. Diese „individualistische Traurigkeit“ war direkt nebenan im Forum als weihnachtliche Materialschlacht zu besichtigen.