Geistig-moralische Wende beim Klimaschutz?

Der vollständige Leserbrief zu den Artikeln “Politik gibt grünes Licht für die Schulungsstrecke“:

Der verstorbene Bundeskanzler Kohl hatte einst eine geistig-moralische Wende gefordert, die er allerdings auch selber nicht geschafft hat. Angesichts der zunehmend dramatischer werdenden Folgen des Klimawandels wäre sie heute aber bitter nötig.

Die Fakten: Fast alle Staaten der Welt haben anerkannt, daß die Klimaerwärmung zu einer der größten oder der größten Bedrohung des Lebens auf dem Planeten zu werden droht; daß die Industrieländer die Hauptverursacher sind und dass eine wesentliche Ursache die Verbrennung fossiler Energieträger ist, vor allem auch bei der Mobilität. Feierlich haben sich die Regierungen – Deutschland vorneweg – verpflichtet, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren und die bereits existierenden Klimaopfer finanziell zu unterstützen.

Aber tatsächlich ist der deutsche CO2-Ausstoß gestiegen, trotz tausender Windräder und Solaranlagen! Der Grund ist der maßlos verschwenderische Lebensstil, der alle technischen Fortschritte wieder zunichte macht und ein immer größeres Zerstörungspotential in die Welt bringt, Fluchtursachen schafft und Terrorismus fördert. Das will aber kaum einer hören.

Das „goldene Kalb“ dieser (Un)Kultur sind die in geradezu religiöser Inbrunst verehrten Automobile der sog „Premiumklasse“, an deren Spitze tonnenschwere, spritsaufende Geländewagen stehen, sogenannte SUVs. Diese Allradpanzer haben hierzulande keinerlei praktischen Sinn, denn im „Gelände“ dürfen sie gar nicht fahren, weil dort nur land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge zugelassen sind. Das ist natürlich blöd für den infantilen Großverdiener, der folglich die brutalen Kräfte seines obszönen Spielzeugs gar nicht ausprobieren kann.

Da hilft die lukrative Geschäftsidee des cleveren Herr Deselaers vom Stift Ehreshoven: Er richtet im Stiftungswald eine Rallye-Strecke ein, auf der die PS-Freunde endlich mal richtig die Sau raus lassen können. Weil diese sinnentleerte Naturzerstörung bei vielen nicht gut ankommt, flunkert er vor, daß Zoll, Grenzschutz, Feuerwehr oder gar die GSG 9 die Piste zur “Schulung“ bräuchten. Dieser offenkundige Unsinn reicht allerdings bei Kreis und Gemeinderat als Begründung aus, um die Piste abzusegnen.

Das Signal ist gesellschaftspolitisch verheerend: Im Augenblick hungern in Ostafrika 60 Millionen Menschen, 20 Millionen droht in Kürze der Hungertod. Grund sind die Ernteausfälle durch eine seit Jahren schlimmer werdende Dürre. Es besteht kein Zweifel, dass diese eine Folge des Klimawandels ist, für den wir im Westen hauptverantwortlich sind. Die Spaßpiste verschärft daher unbestreitbar auch das Elend dieser Klimaopfer und zeigt dieselbe schamlose Rücksichtslosigkeit, die ein gewisser Donald Trump zum Entsetzen fast der ganzen Welt mit „America first“ an den Tag legt: Zuerst kommen wir und unsere Konsumbedürfnisse, die Folgen für andere spielen keine Rolle.

Dräger, CDU, ist für die Piste, weil sie Menschen nach Engelskirchen „lockt“, „die Geld hier lassen“ (so läßt sich auch ein Bordell oder eine illegale Spielhölle begründen). Schuchard, SPD, ist dafür, weil der Klimaschaden im Vergleich zu Kreuzfahrten gering sei. (so könnte man auch Körperverletzung rechtfertigen, weil Mord ja noch schlimmer ist)

Auf diesem argumentativen Primitiv-Niveau wird Klimaschutz beerdigt, koste es andere, was es wolle. Statt der nötigen „Wende“ ein geistig-moralischer Offenbarungseid. Gute Fahrt!