Stellungnahme zu Maik Bubenzers Beitrag im Band 15 der Beiträge zur Oberbergischen Geschichte

 

Leider setzt Bubenzer die Strategie fort, das „Fortbestehen von Nazigeist nach 45 und den Schutz der Täter“ möglichst zu verschweigen, zu verharmlosen oder davon abzulenken.

Wenn er den zitierten Text dazu auf meiner Homepage aufmerksam gelesen hätte, müsste er wissen, dass der Anlass für meine Forderungen die entsprechenden Forschungsergebnisse beim LVR waren, insbesondere die zum Gründungsdirektor Udo Klausa. Dazu war der LVR nach langjährigen Auseinandersetzungen 2010 gezwungen worden, hauptsächlich durch den Verein SSK und meine Person. Wir sind keine Historiker, sondern haben schwerste Menschenrechtsverletzungen in den Erziehungsheimen und Psychiatrien des LVR aufgedeckt und sind dabei auf massive personelle und ideologische NS Kontinuitäten gestoßen.

Die teils vertuschte, teils verharmloste NS Belastung des hochgeehrten Klausa wurde zunächst von der englischen Historikerin Mary Fulbrook offengelegt und dann von den Historikern Uwe Kaminsky und Thomas Roth. Vor wenigen Jahren erst mussten sich auf meine wiederholten Aufforderungen hin die Uni Bonn von Klausa als Ehrenbürger und die Uni Düsseldorf von ihm als Ehrendoktor distanzieren.

Ins Visier der Historiker war auch Goldenbogen und dessen NS Vergangenheit geraten. Denn er gehörte auch zu den Gründern und bis 1979 zu den Mächtigen im LVR; er hat Klausa zu dem Posten verholfen und war ebenfalls NS belastet.

Dies nahm ich 2011 zum Anlass für eine Anregung beim Kreistag, ebenfalls einen unabhängigen Historiker mit der Erforschung von „personellen und ideologischen Kontinuitäten“ zum NS zu beauftragen, zumal ja Oberberg eine Nazi-Hochburg war. Der Kreisausschuss stimmte zu und dann geschah lange nichts! Nach Jahren habe ich gemahnt und schließlich beauftragte der Landrat den Kreisarchivar Pomykaj, der dann seine Forschungsergebnisse in dem besagten Vortrag 2016 vorstellte.

Sein Vortrag war also die Antwort des Kreistags auf meine Anregung von 2011; der Vortrag wies jedoch neben vielen interessanten Erkenntnissen nach meinem damaligen Wissenstand mindestens zwei unentschuldbare Lücken auf: Die eine war die NS Belastung von Kreistagsmitgliedern, vor allem die des früheren SS-Führers Herrmann Schuster (FDP), einem einflussreichen Möbelhändler aus Nümbrecht, der noch in den 70ern offen als unverbesserlicher Nazi in Erscheinung trat.

Die andere war die NS Belastung des früheren OKD Goldenbogen (CDU), der bis 79, ausgestattet mit einer beispiellosen Ämterhäufung, den Kreis autokratisch regierte. Pomykaj erwähnte dessen Mitgliedschaft in der NSDAP und verschwieg aber die Mitgliedschaften in der SA, dem NS Rechtswahrerbund und einer universitären NS Organisation. Nur deshalb konnte er Goldenbogens Belastung mit der launigen Formulierung „nicht der allerschlimmste Nazi“ unerträglich verharmlosen.

Der Vorwurf „Mantel des (Ver)Schweigens“ ist also sehr konkret und nicht „pauschal“, egal was es sonst noch für Veröffentlichungen in Oberberg gibt. Daran ändern auch die Verdienste nichts, die sich Pomykaj in der lokalen Forschung ansonsten erworben hat.

Bubenzer schafft sodann das logische Kunststück, in einem einzigen Satz den Vorwurf der fehlenden Unabhängigkeit Pomykajs zurückzuweisen und ihn gleichzeitig (ungewollt) zu bestätigen, indem er auf den Vortrag des „Kreisarchivars“ von 2016 (s.o.) verweist: Als Kreisangestellter ist Pomykaj selbstverständlich sehr abhängig vom Landrat, der natǘrlich möglichst verhindern will, dass die NS-Belastung seines hochgeehrten Parteifreunds und Vorgängers im Amt bekannt wird. Umso mehr, als er persönlich zum 25. Todestag den Übervater Goldenbogen an dessen Grab mit einer Kranzniederlegung geehrt hat.

Pomykaj hätte den Auftrag mit dem Hinweis ablehnen müssen, dass es wissenschaftlich als nicht korrekt gilt, mit solch heiklen Aufträgen abhängig Beschäftigte zu betrauen. Oder eben den Mut aufbringen, der Öffentlichkeit auch gegen den Willen des Chefs die unangenehme Wahrheit vorzulegen.

Mit dem argumentativen Eiertanz, den nun auch Sie vorführen, machen Sie sich als ernsthafter Historiker lächerlich.

Natürlich steht Goldenbogen wegen seiner übermächtigen Position bei der Aufarbeitung des oberbergischen NS im Vordergrund, der Fisch stinkt halt auch hier vom Kopf her. Er hätte die Karriere in der Demokratie nicht nur wegen seiner NS Vergangenheit nicht machen dürfen , sondern vor allem deshalb, weil er zeitlebens nicht die Spur von Einsicht oder gar Reue gegenüber dem Nazi-Unrechtsregime zeigte, siehe sein unsägliches Interview im Jubelband von 1979.

Mein Vorwurf des Antisemitismus beruht nicht auf „Vermutungen“. Fest steht, dass Goldenbogen den offen bekennenden radikalen Antisemiten Peiner über die Maßen förderte. Das ist doch nur denkbar, wenn Antisemitismus für Goldenbogen kein nennenswerter Makel ist, insofern muss er schon selber einer sein. Oder gibt es auch Antisemitismus light ?

Im Vortrag von Mai 2022 nahm Pomykaj eben nicht zu diesen Vorwürfen „ausführlich Stellung“. Er äußerte sich gar nicht dazu, warum er die SA -Mitgliedschaft nicht erwähnt hat, sondern brüllte mich stattdessen von oben herab wie auf dem Kasernenhof an: „ Jetzt reichts!“ Darauf spielen Sie wohl mit dem Begriff „emotional“ an.

Bei Klausa hat es 40 Jahre und eine englische Historikerin gebraucht, bis seine NS Belastung offen gelegt, er vom LVR-Sockel gestoßen wurde und die Unis sich von den Ehrungen distanzieren mussten. Auch in Oberberg scheinen die Selbstreinigungskräfte zu schwach entwickelt zu sein, so dass auch hier echte Aufklärung von außen kommen muss. Vielleicht schafft es ja jetzt endlich der unabhängige Historiker, den der Kreistag bereits 13 Jahre nach meiner entsprechenden Anregung beauftragt hat.

Lothar Gothe