Leserbrief zum Artikel „Wo die AfD Wahlsiegerin ist“ vom 11.6.24

Wie schon in früheren Wahlen oder bei den „Spaziergangdemos“ sticht Oberberg nun auch in der Europawahl überregional als Rechtsausleger hervor. Natürlich zeigen sich die Vertreter der „etablierten“ Parteien wieder pflichtgemäß „geschockt“, haben wir doch ein allumfassendens „Bündnis gegen Rechts“ und uns vor kurzem noch in den Demos für Demokratie am angeblich so „bunten“ Oberberg regelrecht berauscht. Und jetzt das: Oberberg wird wieder braun, nicht bunt!

Die sattsam bekannten flachen Politiker-Statements zu den AfD-Erfolgen hängen einem inzwischen zum Halse heraus: „einfache Botschaften“, „Frustration der Wähler“, geringe Wahlbeteiligung usw.; vor allem auch die unerträglich anmaßende Standardplattitüde, es gelte, die Menschen dort „abzuholen“, wo sie stehen. Als wären wir Wähler unmündige Kinder, die von erziehungsberechtigten Politikern an die Hand genommen werden müssen.

Statt auf diese Weise im Nebel der eigenen Ratlosigkeit herumzustochern, könnte vielleicht ein Blick in die Vergangenheit weiterhelfen: Da fällt nämlich sehr unangenehm auf, dass die heutigen Hochburgen der AfD weitgehend übereinstimmen mit den damaligen Hochburgen der NSDAP. Das spricht für eine erschreckende Kontinuität!

Die gäbe es in diesem Ausmaß sicher nicht, wäre nicht eine ehrliche Aufarbeitung in der Politik und bei den Kirchen bis heute unterlassen bzw, verhindert worden. Denn so konnte sich das Virus der ansteckenden Geisteskrankheiten Rassismus und Antisemitismus unter der Decke lange ungestört bis zur heutigen „Pandemie“ vermehren.

10 Jahre lang ließ mich der Kreistag mit der Forderung nach NS-Aufarbeitung gegen die Wand laufen. Jetzt erst, wo das Kind im Faschismus-Brunnen liegt, soll ein unabhängiger Historiker ran. Die evangelische Kirche weigert sich aber bis heute, am Pogromtag nicht nur der jüdischen Opfer zu gedenken, sondern auch die eigene Beteiligung daran und die eigenen Täter zu benennen, zuoberst den glühenden Antisemiten Dr. Martin Luther.

Deshalb steht Oberbergs Politik jetzt vor einer unglaublichen Peinlichkeit: Hat doch die rechtsradikale Fraktion im EU-Parlament die AfD ausgeschlossen, weil sogar ihr die Verharmlosung einer Mitgliedschaft in der SS durch den AfD-Spitzenkandidaten zu weit ging. In Oberberg hingegen wird die Mitgliedschaft in der nicht minder terroristischen SA nicht nur verharmlost, sondern man hält sogar parteiübergreifend daran fest, den Altnazi und SA-Mann Goldenbogen weiterhin mit einem Straßennamen zu ehren.

Auch deswegen lebe ich inzwischen in großer Angst um meine Enkel, weil sie akut bedroht sind von neuem Krieg und altem Faschismus, der durch die immer verheerendenderen Folgen unseres anhaltenden Blindflugs in Richtung Klimakatastrophe enorm getriggert wird.