Dem Grundgestz zum 75.

Mir geht das seichte, völlig unkritische Gelaber zum Umgang mit unserem wirklich guten Grundgesetz furchtbar auf den Wecker, weil so verheuchelt und verlogen. Ich möchte mich zum diesjährigen 75. Geburtstag darum mit einem Beitrag beteiligen, den ich schon 2014 geschrieben habe – und dem trotzdem eigentlich nichts hinzuzufügen ist:

Über die unantastbare Würde des Menschen anno domini 2014

1.

Das Grundgesetz ist deshalb eine so gute Verfassung, weil es lapidar und ohne Wenn und Aber die Würde des Menschen für unantastbar erklärt, und von aller „staatlichen Gewalt“ die strikte Einhaltung dieses Gebots verlangt.

Wir alle wissen, daß dies so uneingeschränkt in unserem Land nie die alltägliche Wirklichkeit war, daß dieser Grundsatz immer wieder verletzt wurde, oft gerade von der „staatlichen Gewalt“. Wir haben auch erleben müssen, wie dieses eigentlich unveränderliche Gebot durch zahlreiche Erweiterungen, Veränderungen und Ergänzungen immer weiter untergraben wurde ( Notstands- gesetze, Antiterrorgesetze, Asylrechtsabbau etc.).

Der Bundesbürger kann sich also immer weniger darauf verlassen, daß dieser Verfassungsgrundsatz seine Würde in der Realität tatsächlich schützt.

2.

Nach dem Wortlaut des Grundgesetzes ist aber nicht die Würde des deutschen Menschen unantastbar, sondern ganz allgemein die des Menschen, also aller Menschen, also die eines jeden Menschen auf der ganzen Welt!

Das aber kann angesichts der herrschenden Verhältnisse nicht ernst gemeint sein, und das wird in all seinen Konsequenzen hierzulande sicherlich auch kaum einer wollen. Oder wollen wir etwa der Frau in Bangladesh, die unsere T-shirts unter menschenunwürdigen Bedingungen für 38 Euro im Monat näht, auch den Mindestlohn von 8.50 Euro zugestehen? Auch dann, wenn T- Shirt, Jeans etc, das Doppelte, Dreifache, Vielfache kosten? Die Preise für Turnschuhe, Flachbildschirme, Haushaltsgeräte, Möbel, für nahezu alle Konsumartikel durch die Decke gingen? Wollen wir das wirklich?

Nehmen wir an, es gäbe eine Volksabstimmung darüber, ob wir auch allen Menschen in den Armuts- und Elendszonen der Welt die angeblich unveräußerlichen Menschenrechte garantieren sollen, also die „Grundgesetzwürde“. Da der dafür unvermeidliche Preis bei uns ein radikaler Konsumeinbruch wäre, wie ginge dann wohl die Abstimmung aus?

3.

Wir wissen längst alle, daß die Nutzung der Atomenergie und die Verbrennung fossiler Energie-träger schwere Schäden am Klima, an der Natur, an der Gesundheit der Mitmenschen verursachen, vor allem natürlich wieder bei den Armen.

Nun gehört das Verursacherprinzip sicher zu den Voraussetzungen eines menschenwürdigen Zusammenlebens auf dem Globus: Keiner darf dem anderen durch sein Handeln oder Unterlassen Schaden zufügen, keiner darf auf Kosten des anderen leben und wirtschaften. Und wenn doch Schäden eintreten, so ist der Verursacher verpflichtet, für diese aufzukommen. Da ohne gälte das Gleichbehandlungsprinzip nicht und die Würde des Geschädigten würde verletzt.

Doch wir wissen ja auch alle, daß die gigantischen , unbezifferbaren Schäden der hierzulande herrschenden Energieverschwendung, die bis weit in die Zukunft reichen und teils irreparabel sind, eben gerade nicht von uns heutigen Verbrauchern – den Verursachern – getragen werden. Vielmehr werden sie andern Völkern aufgehalst oder auf zukünftige Generationen verschoben.

Würden wir auch nur für die finanziellen Schäden der bestehenden Energiegewinnung aufkommen müssen, würde der Strom für die meisten von uns beinahe unbezahlbar und das spritfressende Auto volltanken wäre ein Luxus für ein paar hohe Feiertage im Jahr.

Wieviel Prozent der Deutschen würden wohl diese Konsequenzen in Kauf nehmen wollen, um die Würde anderer oder zukünftiger Menschen zu achten?

4.

Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß Mehrheiten wie bei Honecker- oder Hitlerwahlen diesen Preis für die Würde unserer Zuarbeiter in den armen Ländern auf keinen Fall zu zahlen bereit sind. Verursacherprinzip, Gleichheitsgrundsatz: So jedenfalls nicht! Die unantastbare Würde aller Menschen: nicht zum Preis solchen Kosumverzichts!

Die Verfassungswirklichkeit, die alltäglich geübte Verfassungspraxis sieht also so aus: Verletzungen der Menschenwürde in unserem Land liegen vor, darüber gibt es aber politische Auseinander-setzungen ,Demonstrationen, Medienberichte, Proteste.

Auf die Menschen in den armen Ländern, deren Rohstoffe wir uns aneignen und deren Arbeitskräfte wir ausbeuten, wenden wir ganz offensichtlich den Kernsatz unserer Verfassung überhaupt gar nicht erst an: Die Würde dieser Menschen ist nicht nur antastbar, sie darf geradezu mit Füßen getreten werden. Denn deren Würdelosigkeit ist letztendlich nämlich die Grundlage unseres wirtschaftlichen Erfolgs und folglich auch die unseres hohen Lebensstandards.

Den jedenfalls will keiner aufgeben: Den Christen interessiert die Zerstörung der Schöpfung durch seinen Spritfresser, seinen Karibikurlaub, seine Shoppingtouren nicht wirklich, er spendet für Brot für die Welt. Der Gewerkschafter sieht in dem Elendsarbeiter in den nigerianischen Uranminen, den südamerikanischen Plantagen oder den asiatischen Primitiv- Fabriken eben nicht den Kollegen, dem gleiche Rechte und gleicher Lohn zustehen: von wegen Internationale der Arbeiterbewegung!

Und unsere Intellektuellen und der progressive Kulturbetrieb: Die tragen die Menschenrechte wie Banner vor sich her, agieren gegen Ausländerfeindlichkeit, gegen Rassismus, setzen sich für Emanzipation der Frauen und gleiche Rechte für Schwule ein und prangern solches Unrecht überall aus der Welt an, zB. In Rußland. Aber für ein Ende der neoliberalen Ausbeutung der Milliarden Hungerleider auf der Welt durch Konsumverzicht bei unsereins hört man keine Botschaft, sieht man keinen Film, kein Theaterstück, liest man keinen Spiegelessay. Demgegenüber regiert offen-sichtlich ein ganz ganz große Koalition des Totschweigens.

5.

Vor 1945 gab es in unserem Land schon mal eine ganz großé Koalition des Totschweigens:

Damals herrschte der mörderische nationalsozialistische Rassismus und der teilte die Menschheit ganz offen in unterschiedlich wertvolle Rassen auf: Die arischen „Herrenmenschen“, die „Untermenschen“ (z.B. Slawen) und die „lebensunwerten“ : Juden, Zigeuner, Behinderte.

Bis kurz vor dem militärischen Untergang des Nazireichs ging es den „Herrenmenschen“ materiell gut, besser als je zuvor. Sie profitierten von den militärischen Raubzügen der Wehrmacht, von den billig ersteigerten jüdischen Besitztümern, von der Ausbeutung der Millionen Arbeitssklaven in den Kz´´s, den Industriebetrieben oder den Bauernhöfen.

Der im damals herrschenden Menschenbild fest verankerte Rassismus führte offensichtlich dazu, daß die brutale Ausbeutung, die Menschenquälerei und sogar die systematische Tötung „unwerter“ Menschen als „normal“ hingenommen wurde. Bei der großen Masse der deutschen Bevölkerung haben diese Exzesse an Grausamkeit- oft vor aller Augen wie in heute in Guantanamo – keine Empörung ausgelöst, offenbar hat sie die ausgegrenzten, gefolterten, ermordeten Erdenbürger nicht als ihresgleichen angesehen. Vielleicht haben sie diese nicht gerade wie Ratten betrachtet ( so Darstellungen von Juden in Nazi-Hetzschriften). Aber immerhin doch als so unbedeutend und minderwertig, daß deren Schicksal bei den Wohlstandsmenschen keinerlei nachhaltiges Mitgefühl auslösen kann.

6.

Betrachten wir die Hautfarben der heutigen Ausbeutungsnutznießer und die der Ausgebeuteten, so muß zwangsläufig der furchtbare Verdacht aufkommen, daß die beiden Seiten der globalen Front wieder nach Rassen sortiert sind. Hier die konsumstarken Bürger der westlichen Industriestaaten: weiß ! Dort die der armen und nicht industriealisierten Länder: In der Regel farbig.

Es hat den Anschein, als lebte der alte Nazismus in einem modernen Gewand unterschwellig fort. Die heutigen Zwangsarbeiter halten wir allerdings nicht mehr im eigenen Land, wir haben die modernen Arbeitslager weit entfernt in anderen Kontinenten errichten lassen und bezeichnen sie

beschönigend als Sonderwirtschaftszonen. Dort werden auch keine SS- Wächter mehr benötigt, um mit vorgehaltenem Gewehr die Arbeitssklaven zur Disziplin zu zwingen, das tun heute viel geschickter und unauffälliger der drohende Hunger und die seelenzerstörende Aussichtslosigkeit. Wir müssen uns deshalb unsere deutschen Hände nicht mehr schmutzig machen.

Doch die Gefühllosigkeit, mit der wir heutigen rassistischen Nutznießer das Elend der Opfer unseres ökonomischen Imperialismus hinnehmen, scheint der damaligen von vor 1945 nicht unähnlich zu sein.

7.

Das Nazireich stürzte durch kriegerische Gewalt, die von außen kam und es brauchte gewaltige Armeen dafür. Wie aber könnte der neuartige ökonomische Rassismus der industrialisierten, weißen Länder besiegt und beendet werden? Hierfür gibt es keine Gegen-Allianz, die im entferntesten wirtschaftlich oder militärisch stark genug dafür wäre. Die USA allein mit ihren über 1000 Militärstützpunkten auf der Welt und ihrem gigantischen Militärbudget können jeden Angreifer vernichten und jeden Aufruhr niederschlagen, überall auf der Welt. Und sie tuns ja auch!

8.

Die eine Antwort der „Ausgeschlossenen“ (Papst Franziskus), der Milliarden, die in Armut und unter brutalen Arbeitsbedingungen ihr Leben fristen müssen, heißt: Terrorismus.

Diese Form der Widerstands ist primitiv- einfach wie ihre „Do-it-your-self- Bomben“, braucht keine große Organisation, kann spontan überall losschlagen und ist deshalb für Polizei, Militär und Geheimdieste der Weltbeherrscher nicht endgültig zu fassen. Schon gar nicht, wenn er religiös- fundamentalistisch aufgeladen wird und z.B. die nicht ganz unberechtigte Angst von Muslimen oder anderen nicht christlichen Religionsgemeinschaften vor neuen „Kreuzzügen“nutzt.

Die andere Antwort sind die zunehmenden Flüchtlingsströme, die trotz unmenschlicher Abwehr- und Abschottungsmaßnahmen der reichen Länder unter Lebensgefahr in unsere Wohlstands-regionen vordringen und uns zu immer offeneren Brutalitäten zwingen. Sie reißen uns damit aber die demokratischen Masken von den Gesichtern, ihre grausamen Schicksale innerhalb unserer so human auftretenden Gesellschaften entlarven unsere so hochgehaltene sog „Werteordnung“ als reine Propagandalüge.

9.

Das Fatale, das wirklich Schlimme an diesem weltpolitischen Zustand ist die Folgewirkung der heuchlerisch vorgegebenen Verteidigung der Menschenrechte unserer Ausplünderungs- gesellschaften, die das Modell der humanistisch geprägten Demokratie völlig unglaubwürdig machen. Somit gibt es für die ökonomischen „Untermenschen“ keine erstrebenswerte reale Alternative zu ihren autoritären Staats- und Gesellschaftsordnungen.

Diese Lücke wird zunehmend durch religiös daherkommenden Fundamentalismus besetzt. Den westlichen Unterwerfungskriegen und Drohnenmorden begegnet er mit Gewalt in ebenso brutaler Form z.B. durch Selbstmordattentate. Der Terrorismus muß letztendlich den Schwachen als einzig möglicher Widerstand gegen ihre ansonsten nicht zu ändernde Elendssituation erscheinen.

Die wirtschaftlichen und militärischen Beherrscher des Erdballs zeigen in ihrem tatsächlichen Verhalten im Gegensatz zu ihren politischen Verlautbarungen nicht die Spur eines Entgegen-kommens: Den armen Völker und Menschen werden nicht annähernd die gleichen Rechte und Chancen eingeräumt, sie bleiben Arbeitssklaven der Reichen, von deren Kollaborateuren sie in vielen Ländern regiert werden. Die sorgen dann für den kostengünstigen und reibungslosen Nachschub an Rohstoffen, Energieträgern und Arbeitskräften.

Wenn demokratische Wahlen mit vom Westen unerwünschtem Ergebnis ausgehen, zeigt dieser sein wahres Gesicht und sorgt dafür, daß die Gewählten wieder verschwinden, siehe Algerien, siehe Ägypten, siehe Ukraine…

Das vom Westen angebotene Demokratiemodell muß sich daher in den Augen der anderen als Mogelpackung erweisen, der unsererseits so hochgehaltene Rechtstaat erweist sich z.B. gegenüber den staatlichen Drohnenmorden als zynischer Betrug: Es sitzen eben keine westlichen Kriegs-verbrecher vor den Richtern in Den Hag: Es gibt keine garantierten Menschenrechte für den andern Teil der Menschheit, es gibt für sie keinen Rechtsstaat, keine Gleichheit, keine Freiheit: Ihre Würde ist nicht nur antastbar, es wird ihnen keinerlei Würde zugestanden. Die Haustiere der Reichen fristen ein würdigeres Leben, sie werden „artgerechter“ gehalten und sind rechtlich besser geschützt als Näherinnen in Bangladesch.

10.

Es gibt bei uns natürlich humanitäre Hilfsorganisationen, sog „Entwicklungshilfe“, Programme gegen Hunger, Spendenaufrufe, jede Menge christlicher Wohltäter: Aber es gibt keine nennenswerte politische, wirtschaftliche oder kulturelle Kraft, welche die Ursachen des weltweiten Elends angreift, nämlich die absolut ungerechte Verteilung der Güter und Lebenschancen auf der Welt. Wir alle, auch die Wohltäter unter uns, tun so, als wäre das Elend der anderen gottgegeben, ein Naturereignis wie etwa eine Flut oder Dürre, wo keiner was dafür kann und wir Glücklichen dann großzügig spenden.

Diese Lebenslüge der Mächtigen zementiert das Elend der anderen. Denn in Wahrheit sind diese arm, weil wir reich sind. Sie sind rechtlos, weil wir uns Vorrechte verschaffen und diese notfalls gewaltsam durchsetzen. Sie bekommen keine Chancen für ein halbweg würdiges Lebens, weil das unsere Wirtschaft schwächen und unseren Konsum schmälern würde.

11.

Unser Verzicht auf jahrhundertealte gewaltsam begründete Privilegien wäre demnach der einzige Weg, der den anderen eine Aussicht auf die Grundgesetz-Würde eröffnen könnte. Es ist aber keine Partei, Kirche, Gewerkschaft, keine irgendwie relevante gesellschaftliche Institution sichtbar, die diesen Preis zu zahlen bereit wäre.

Zum Preis des Verzichts wollen wir keine gerechte Welt, haben wir uns doch in der ungerechten so bequem eingerichtet! Und wir haben ja schließlich auch unsere Probleme: Burn out, Übergewicht, Stress, oder z.B die gestrichene Pensionserhöhung bei NRW-Spitzenbeamten.

Den einzigen Weg Richtung friedlichere Welt will hier fast keiner gehen, das ist die bittere Wahrheit, der wir langsam mal ins Gesicht sehen sollten: Unser ganzes humanitäres Gequatsche, das christliche Gesülze von der Barmherzigkeit, das Freiheitsgelaber des Präsidentenopas und letztendlich auch der schöne Artikel 1 des Grundgesetzes: Alles Lyrik, alles für den Arsch!

Wenns drauf ankommt, kennen wir ganz allein unsere Interessen und die bestehen nun mal hauptsächlich in der Mehrung und Sicherung unseres materiellen Besitzes. Teilen ist nicht, schon der Vorschlag wird als „Gutmenschentum“ belächelt und niedergemacht.

12.

Dann aber sollten wir – wie vor 1945 – auch offen zu dem stehen, was wir wirklich denken und was wir wirklich tun: Wir halten uns insgeheim doch für den besseren Teil der Menschheit und glauben deshalb, dass es uns zusteht, die andern auszubeuten und zu betrügen. In unseren Augen sind sie genau soviel weniger wert, wie wir ihnen faktisch an Ressourcen und Chancen zugestehen: Sehr wenig also, kaum mehr als die Nazis (z.B.slawischen) „Untermenschen“ zugestehen wollten.

Das zu allen möglichen Feiertags-Anlässen zelebrierte demokratische, humanistische, christliche Ideal ist deshalb bis in den Kern verlogen, in der kapitalistischen Normalistät , im konsumistischen Alltag zeigen wir unser wahres, eiskaltes und brutales Gesicht. Weil alle staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen der – letztlich rassisch verteilten – Ausbeutung huldigen , das neoliberale goldene Kalb inbrünstig anbeten, und die Einzelnen den individuellen Profit einstreichen wollen- die einen mehr, die anderen weniger- , bleibt nur eine Option, sich ehrlich zu machen: Freiwillig Verzicht zu üben, zunächst ein individuelles,privates Leben zu organisieren, welches den Ausbeutungsanteil Schritt für Schritt herabsetzt; Erst dann können wir die Freiheit gewinnen, um aus unangreifbarer Position heraus das rassistisch geprägte Ausbeuterdasein der westlichen Industrieländer wirksam zu bekämpfen: ihre kapitalistische Wachstums-Wirtschaft, ihr Finanz-verbrechersystem, ihre PR-Gehirnwäsche, ihre manipulierten Medien, ihre längst entmachteten Regierungsdarsteller.

13

Das fällt aber deshalb so schwer, weil wir ja das spätkapitalistische System nicht als außenstehen-den Gegner angreifen können, da wir ja selbst Teil und ( mehr oder weniger) Profiteure dieses menschenverachtenden Systems sind. Es ist eben doch das Private politisch, das kapitalistische Wirtschaftssystem und unsere Konsum bestimmte Lebensweise sind siamesische Zwillinge, der eine bedingt den anderen.

Erst wenn der schmerzhafte Trennungsprozess in Angriff genommen wird, ergeben sich echte Handlungsoptionen, kann wirksamer Widerstand entstehen, können neue Wege für eine gerechtere und friedlichere Welt ausgedacht und erprobt werden: in Gedanken, Worten und Werken.

Anders (für die meisten von uns: ärmer ) leben ist natürlich noch lange nicht die Lösung für das globale Groß-Problem, es ist nur die Voraussetzung dafür, mit der Suche danach beginnen zu können. Solange das Streben nach dieser Art von Wohlstand unsere Gehirnzellen verklebt und unsere geistigen Festplatten zumüllt, werden wir vor der Macht des Faktischen kapitulieren müssen und uns dem anscheinend Unabänderlichen fügen.

Der unbedingt nötige Aufstand gegen diese Weltunordnung kann nur in uns selbst beginnen oder er kommt gar nicht, jedenfalls nicht von uns. Bestand haben wird sie trotzdem nicht, denn sie muß zwangsläufig an ihrer Brutalität zu Grunde gehen wie alle Gewaltherrschaftssysteme zuvor.

Ein siegreicher Aufstand der Opfer aber wird vermutlich in neuen Gewaltsystemen enden, die so lang aufgestaute ohnmächtige Wut und der Rachedurst der Geknechteten werden dazu führen.

Es ist deshalb an uns auf der „sunny side of the street“, den friedlichen Ausweg zu suchen und zu beschreiten, auch wenn der mit dem Abschied von liebgewordenen Besitztümern und Gewohn-heiten verbunden ist.