An den
Stadtrat von Bergneustadt
Einwendungen und Bedenken zum BP Nr. 66 Wiedenest Süd
Der vorliegende BP-Entwurf verstößt grob gegen das Gebot, die verschiedenen Belange in angemessener und gerechter Weise gegeneinander abzuwägen.
Der größte Mangel liegt in einer unbegreiflichen Ignoranz gegenüber der existentiellen Herausforderung durch die Klimaerhitzung und das Artensterben. Beide Bedrohungen werden sogar verschärft, statt auch im Rahmen der Bauleitplanung Klimaschutz und Artenschutz den gebührenden Vorrang einzuräumen.
Kein Bedarf
Für Bergneustadts Einwohner gibt es keinen Bedarf für ein „neues attraktives Wohngebiet“. Es gibt für sie im Stadtgebiet genügend bereits erschlossene Baugrundstücke in allen Preissegmenten. Die vorgesehene Bebauung der Baulücken in der Bahnhofstraße oder Am Laubberg vergrößert ja das Angebot noch Flächen- und Ressourcen schonend.
Die geplante Einfamilienhaussiedlung im Stil der 60er und 70er Jahre richtet sich erklärtermaßen ja auch nicht an Bergneustädter oder Oberberger, sie soll vielmehr Einkommens-starke Neubürger aus den Ballungszentren Köln/ Ruhrgebiet anlocken. Sie ist also in erster Linie keine Antwort auf ein bestehendes städtebauliches Problem, sondern soll das Steueraufkommen der Stadt erhöhen. Hier soll folglich ökologisch wertvolles Grünland für die Hoffnung vernichtet werden, damit das Problem der extremen Unterfinanzierung der Kommunen zu lindern. Das hat aber im Kern mit der Bauleitplanung nichts zu tun und muss folglich auch auf anderer Ebene politisch angegangen und gelöst werden.
Prinzip Hoffnung
Es spricht zudem mehr dagegen als dafür, dass das Anlocken der Steuerzahlenden „Goldesel“ überhaupt gelingen kann. Dafür ist die Lage des Wohngebiets nicht „attraktiv“ genug. Es fehlt die Fernsicht übers Bergische und die direkte Nachbarschaft zum Industriegebiet Am Schlöten schreckt sicher ab. Hinzu kommt, dass die Autobahn umständlicher zu erreichen ist, als bei den meisten anderen Kommunen, die um dieselbe Klientel werben. Weil die A45 wegen der maroden Brücken für Jahrzehnte durch Baustellen massiv beeinträchtigt sein wird, wird sich ohnehin keiner ansiedeln, der im Kohlenpott seinen Job hat. Bei der A4 ist mit Verzögerung ähnliches zu befürchten.
Den schweren, irreversiblen Schäden steht also kein realistisch zu erwartender nennenswerter Nutzen gegenüber.
Zukünftiges Leerstandsproblem:
Die Einwohnerzahl Bergneustadts wird wie die Oberbergs nach der Prognose bis 2040 um ca 10 % zurückgehen. Dem soll die Neubausiedlung angeblich entgegenwirken.
Es werden also demnächst sicher mehr als 500 Wohnungen aller Segmente leerstehen. Da reiche Mitbürger wie alle anderen sterben, werden auch immer wieder „attraktive“ Einfamilienhäuser von Besserverdienenden zum Verkauf angeboten werden, also auch ohne Neubausiedlung genug „attraktive Lockmittel“ für die erwünschten „Einwanderer“ vorhanden sein.
Falls die aber ausbleiben oder Einheimische die Grundstücke kaufen, hätte sich am Bevölkerungsrückgang nichts geändert, das Leerstandsproblem mit all seinen negativen Folgen hätte man aller-dings noch vergrößert.
Zudem geht die Einfamilienhaussiedlung in Randlage am Bedarf der Bergneustädter vorbei. Wegen des wachsenden Anteils der über 80jährigen fehlt es an Wohnanlagen im Zentrum, von denen aus fußläufig Geschäfte, Ärzte etc. erreichbar sind. Wegen der Hanglage ist die Siedlung für Menschen mit eingeschränkter Mobilität ohnehin ungeeignet.
Statt Neubau: Wohnraum schaffen im Bestand
Weil in Deutschland neben dem Verkehrssektor auch bei den Gebäuden die verbindlichen Klimaziele bislang verfehlt werden, hat bei der Stadtplanung im wissenschaftlichen Bereich längst ein Umdenken eingesetzt: Weg vom Neubau, hin zur Schaffung und Erhaltung von Wohnraum im Bestand. So wird der Flächenverbrauch minimiert und vor allem werden gegenüber dem Neubau die unvermeidlichen Klimaschädlichen Emissionen deutlich gesenkt. Dabei fällt allein die Einspa-rung von Zement wegen dessen extrem energiefressender Produktion erheblich ins Gewicht.
Ich empfehle zu diesem Thema den Artikel der OVZ/ Kölnische Rundschau vom 27.4.24 „Müssen wir das Thema Wohnen neu denken?“ Der Präsident des Bundesumweltamts erklärt darin im Hinblick darauf, dass im Gebäudesektor immense 40% der Treibhausgas-Emissionen anfallen: „Wir müssen unsere Art zu bauen, wirklich ganz neu denken… Generell plädieren wir dafür, sparsam beim Neubau zu sein und stattdessen den Blick stärker auf die Weiterentwicklung des Bestands zu richten, auch bei der Beschaffung neuen Wohnraums“
Massive Schädigungen des Klimas
Das geplante Neubaugebiet auf der Hangwiese schädigt das Klima in mehrfacher Hinsicht.
Durch die Baustoffe, Transporte, die Bautätigkeit usw. werden in der Summe enorme Mengen von Treibhausgasen freigesetzt, die irreversibel das Klima weiter aufheizen werden und durch nichts kompensiert oder ausgeglichen werden können. Die sog, Ausgleichsmaßnahmen sind reine Augenwischerei.
Hinzu kommt ein weiterer gravierender Klimaschaden dadurch, dass durch die Versiegelung und Verdichtung der Boden als CO2 Senke ausfällt. Ein gesunder Grünlandboden kann mehr Kohlenstoff einlagern als der von Feldern oder Wald, noch mehr schaffen nur Moore, die deshalb mit großem Aufwand wieder vernässt werden sollen. Das ist ein Grund dafür, dass Grünland europaweit geschützt ist und nicht umgebrochen werden darf.
Im Umweltbericht zum BP 66 spielt dieser Klimaschaden aber überhaupt keine Rolle, er wird noch nicht einmal erwähnt!
Überhaupt scheint für die Planer die Erderhitzung ein zu vernachlässigendes Randproblem zu sein. Die eindringlichen Warnungen aus der Wissenschaft, beim augenblicklichen Weiterso laufe es auf eine dystopische, 3 Grad (!) wärmere Welt zu, finden offensichtlich bei den Planern keinerlei Gehör, ebensowenig wie die verzweifelten Appelle des UNO-Generalsekretärs, dass die Menschheit dabei sei, „kollektiven Selbstmord“ zu begehen.
Dreimal ist zwar von „Klimaanpassung“ die Rede, dabei geht es aber um Petitessen wie die Begrünung von Garagendächern oder die angeblich „geringe“ Versiegelung des Bodens bei der Geschossflächenzahl von 0,3 .
Der Begriff „Klimawandel“ taucht einmal im Zusammenhang mit dem „Heukelbach-Gelände“ auf: Das Planvorhaben habe „keine Auswirkungen auf den Klimawandel“. Es schafft aber in Wahrheit die Rechtsgrundlage für den Abriss und Neubau eines großen Gebäudekomplexes, was natürlich einschließlich der Bauschuttentsorgung mit einem enormen Klimaschaden verbunden ist. Im sog „Umweltbericht“ heißt es zum anderen, Auswirkungen auf den Klimawandel sei der Planung auf Grund ihrer Größe abzusprechen. Diese unglaubliche Falschaussage geht über die üblichen Verharmlosungen hinaus und grenzt nach meiner Auffassung an die Leugnung des Menschen gemachten Klimawandels.
Zerstörung Artenreichen Grünlands
Die zu Bebauung freigegebene Wiese wird extensiv bewirtschaftet; nicht 4 oder 5 mal gemäht und gegüllt, sondern 2 mal gemäht und einmal gedüngt. Daher ist sie gegenüber dem zumeist intensiv bewirtschafteten Grünland mit 4 oder 5 Schnitten artenreich, vor allem aber kommen wegen der späten Mahd überhaupt Gräser und Kräuter zum Blühen und können Insekten ernähren, deren Zahl auf Grund der intensiven Bewirtschaftung insgesamt bereits um mehr als 60 % (!) zurückgegangen ist. Dieser wichtige Artenschutzbelang bleibt ebenfalls unerwähnt.
Zukünftige Ernährungskrise
Nahezu alle Wissenschaftler der verschiedenen Disziplinen sind sich darin einig, dass der Klimawandel vor allem durch Dürren und Starkregenfluten weltweit zunehmend landwirt-schaftliche Flächen zerstören wird und dass auf den verbliebenen die Erträge sinken. Mit weltweit dramatischen sozialen und politischen Folgen wie Hungersnöte, Kriege, Flucht, Terrorismus.
Hydrologen sagen auch für Deutschland voraus, dass in naher Zukunft 30 bis 40 % der Acker-flächen ohne Bewässerung nicht mehr bewirtschaftet werden können, dass aber das erforderliche Wasser nicht zur Verfügung stehen werde. Allein aus Gründen der zukünftigen Ernährungssouveränität muss daher die Wiese als landwirtschaftliche Fläche erhalten bleiben.
Anregung:
Nach alledem rege ich an, das Neubaugebiet auf der Wiese komplett aufzugeben und diese weiterhin als landwirtschaftliche Fläche zu erhalten und auszuweisen. Die Stadt sollte sich stattdessen dafür einsetzen, dass sie in ein Schutzprogramm für extensives Weideland aufgenommen und im Sinne des Klimaschutzes weiter verbessert wird.
Insgesamt ist festzustellen, dass dieser Plan die Erderhitzung und ihre existentiell bedrohlichen Folgen für die Menschheit fast völlig ausblendet; er ist in einem erschreckenden Maße aus der Zeit gefallen und ignoriert die dringenden Erfordernisse des Klimaschutzes. Stattdessen wird der Klimawandel weiter angeheizt, ohne dass irgendein nennenswerter realistischer Nutzen für die Allgemeinheit dem entgegengestellt werden kann. Damit ist die Abwägung in mehrfacher Hinsicht grob fehlerhaft und der Plan in dieser Form rechtswidrig.
Er verstößt auch gegen das „Klima-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts von 2021, welches in dem mangelhaften Klimaschutz der damaligen Bundesregierung einen Verstoß gegen die Freiheits- und Menschenrechte der kommenden Generation erkannte und sie zu deutlichen Verbesserungen bei Klimaschutz verpflichtete.
In dem neuen sensationellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat dieser die Schweiz wegen des unzureichenden Klimaschutzes verurteilt, weil sie damit die Menschen-rechte auf Gesundheit und Leben der klagenden „Klimaseniorinnen“ verletze. Dieses Urteil, so die Juristen, sei bindend und gelte auch für alle anderen europäischen Regierungen und also auch für Länder und Kommunen in Deutschland.
Den Stadtrat kann niemand zwingen, das Urteil zu befolgen oder auch nur auf Argumente einzu-gehen und die drohende Klimakatastrophe ernst zu nehmen.
Aber die Gerichte werden dieses Urteil unbedingt befolgen und für das OVG Münster wird es ganz sicher die Messlatte für die Beurteilung des BP 66 Wiedenest der Stadt Bergneustadt sein, falls es mit diesem befasst werden sollte.