Ukraine

Ja Herr Bundeskanzler, gut dass Sie das auch endlich gemerkt haben:

Wir befinden uns mitten in einer Zeitenwende. Und es ist höchste Zeit, endlich zu handeln, bevor wir alle im Strudel einer herannahenden globalen Katastrophe in die Tiefe gerissen werden und in dystopischen Zuständen umkommen.

Aber das ist doch nicht erst seit Putins Krieg gegen die Ukraine der Fall. Ganz klar ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg, der vom Autokraten im Kreml von langer Hand vorbereitet wurde, mit Aufrüstung, Täuschungsmanövern und Lügen. Es ist alles richtig, was voller Abscheu von Europas Politikern, den Medien und den allermeisten Bürgern zu dem eiskalten Machtpolitiker Putin geäußert wird. Nur eines nicht:

Er ist kein gemeingefährlicher Wahnsinniger, kein durchgeknallter Irrer, der sich nicht im Griff hat und seine psychische Deformation in irrationalen Gewaltakten austobt. Es ist schlimmer: Sein Handeln scheint einer eiskalten imperialen Logik zu folgen, die darauf abzielt, aus dem Chaos einer zusammenbrechenden Weltordnung am Ende als Sieger hervorzugehen.

Um das zu verstehen, müsen wir sein Handeln aus einer längerfristigen Perspektive heraus betrachten, dem näher rückenden zentralen Konflikt dieses Jahrhunderts: Den hat gerade der IPCC in seinem neuen Bericht unmissverständlich beschrieben. Durch die Folgen der fortschreitenden Klimaerwärmung und anderen Umweltzerstörungen steuert die Welt auf eine katastrophale Nahrungsmittelknappheit zu. Während mit zunehmender Geschwindigkeit Ackerböden und Weideland durch Dürren, Regenfluten, Stürme unwiederbringlich zerstört werden, wächst die Weltbevölkerung auf bald 10 Milliarden Mitmenschen an.

Dann wird die Nahrungsmittelsouveränität der entscheidende wirtschaftliche und politische Machtfaktor sein. Das Land, welches die Ernährung seiner Bevölkerung erreichen und absichern kann, wird die Welt beherrschen. Es scheint, als habe der Herrscher im Kreml diese ultimative Herausforderung fest im Blick, und als habe er in seiner Analyse die Erkenntnisse der Klimaforschung ernst genommen und zur Handlungsmaxime gemacht. Er unterliegt offensichtlich nicht der Illusion von einer „Klima-Rettung“ durch ein Weiterso mit „100% Erneuerbare“, „E-Mobilität“ und „grünem Wasserstoff“, sondern bereitet sich jetzt schon auf den Kampf aller gegen alle um die schwindenden Ressourcen vor. Wenn mehr und mehr das blanke Recht des Stärkeren aus den Kulissen der Zivilisation hervor tritt, dann will er auf jeden Fall bei den Stärkeren sein.

Unter diesem Gesichtspunkt ist die Ukraine das Faustpfand fürs Überleben überhaupt. Die wohl fetteste Beute, welche diese Welt zu bieten hat. Es ist seltsam, dass in unseren Medien und politischen Statements aller Coleur davon so gut wie nicht die Rede ist, obwohl doch seit der sogenannten „orangenen Revolution“ ein kaum verdecktes Ringen um diese „Beute“ zwischen Rußland und dem „Westen“ im Gange ist, ein Ringen, welches im Augenblick Putin mit roher militärischer Gewalt für sich entscheiden will.

Was ist es, das die Ukraine so begehrt macht ?

Die Ukraine ist reich an Bodenschätzen, nicht nur Kohle und Öl, sondern auch solchen, die für die Zukunftstechnologien von großer Bedeutung sind (siehe Anhang).

Aber unter dem Gesichtspunkt des beginnenden Welternährungsproblems sind es die riesigen Flächen allerbester Ackerböden, die angesichts der Klimawandelfolgen eine immer größere wirtschaftliche und politische Bedeutung erlangen Die Ukraine verfügt allein über ein Drittel der weltweiten Vorkommen von Schwarzerde, dem fruchtbarsten Boden der Welt. Sie gehört deshalb zu den großen Exporteuren landwirtschaftlicher Rohstoffe.

Seit jeher gilt daher die Ukraine als Kornkammer Europas und sie war schon immer Ziel der Begehrlichkeit der europäische Mächte. Das galt auch und besonders für die Nationalsozialisten.

Die SS hatte komplette Pläne für eine Neuordnung und Neubesiedung der Ukraine nach dem sogenannten „Zentrale- Orte- Modell“, mit arischen Gutsherren und ukrainischen Arbeitssklaven. Im Umfeld von Auschwitz ließ sie dafür bereits Musterhöfe errichten.

Heute kann das riesige Land mit 44 Millionen Einwohnern 650 Millionen Menschen ernähren.

Wer also über diese Böden und die anderen Bodenschätze der Ukraine verfügen kann, der wird in der Klimawandelzukunft die Welt beherrschen oder wird zumindest einer der Beherrscher sein..

Neben allen anderen geopolitischen Gründen ist dieser sicherlich der entscheidende in der Zukunft.

Es sieht so aus, als würde Putin diese globale Lebensbedrohung nicht so verdrängen wie die westlichen Politiker in ihrer Wohlstandsblase, die ja immer noch dem Selbstbetrug unterliegen, ihre rein technologisch ausgerichtete Transformation könne bei Fortbestehen der hohen Verbräuche die Klimakatastrophe verhindern oder zumindest handelbar machen.

Putin geht anscheinend davon aus, dass die Katastrophe unabwendbar geworden ist. Statt in Klimaschutz zu investieren, hat er seit Jahren zielgerichtet für dieses militärische „Landgrabbing“ seine Armee modernisiert und schlagkräftig gemacht. Jetzt setzt er sie ohne jede Rücksicht auf Völkerrecht und Menschenrechte ein, um sich diese Zukunftsbeute zu sichern und sie auf keinen Fall den kapitalistischen Investoren des Westens zu überlassen. Sein völkisches Gerede mag er vielleicht sogar ernst meinen, das harte Faktum ist aber der Kampf ums Überleben in einer Welt, die sich mehr und mehr in Richtung Dystopie bewegt. Neben zerbombten ukrainischen Städten wird die Nachkriegsordnung eines friedlichen Europas als ein weiterer Trümmerhaufen zurück bleiben

Der Schock darüber hat ganz Europa erfasst: Kriege für unsere Interessen hat es ja immer gegeben, doch der jahrzehntelang „outgesourcte“ Krieg ist mit Putin vor unsere Haustür zurückgekehrt und berechtigte Angst treibt Millionen auf die Straße.

Aber auch wenn Putins militärische Aggression zurückgeschlagen werden sollte, ist es keine Lösung, Ukraines Böden westlichen und chinesischen Investoren und dem internationalen Finanzverbrechertum zu überlassen. Das Land würde ein ständiger blutiger Zankapfel bleiben, Anschläge, Terror, Sabotage, Todesschwadrone als Dauerzustand.

Die Pandemie führt uns vor Augen, dass es keine Lösung gibt, solange nicht alle Menschen auf der Welt daran beteiligt werden und eine gewisse globale Gerechtigkeit beim Schutz vor dem tödlichen Virus geschaffen wird. So muss es erst recht sein, wenn es um den Schutz der Lebensgrundlagen in Zeiten des Klimawandels und eine einigermaßen gerechte Verteilung geht, welche den armen Völkern zumindest die nackte Existenz garantiert. Deshalb darf keine Seite im Ukraine-Konflikt die Alleinherrschaft über diese Böden bekommen, welche für das Überleben der ganzen Menschheit von so enormer Bedeutung sind.

Mein Vorschlag wäre, das ukrainische Ackerland und seine Nutzung unter die Herrschaft einer neu zu schaffenden UNO Organisation zu stellen, welche die für die Menschheit unverzichtbaren Lebensgrundlagen vor zerstörerischer Ausbeutung und kapitalistischen Verwertungs- und Profitinteressen schützt. Als eine andere, „ökologische“ Art von „Welterbe“.

Die Schwarzerde müsste Gemeineigentum der Ukraine werden, deren Nutzung könnte auf Zeit unter klaren ökologischen und sozialen Auflagen auch an Private vergeben werden. Die Bewegung der „Bodenreformer“ aus dem 19.Jahrhundert könnte als Vorlage dienen. Die hatten eine Art Zwischending zwischen Christentum und Kommunismus zum Ziel: Der Boden und seine Schätze müsse allen gehören, Privateigentum wäre das, was die Nutzer auf Zeit damit erwirtschaften. Unter dieser Voraussetzung könnte die Ukraine in der EU aufgenommen werden, ohne dass Russland sich existentiell bedroht fühlen müsste. Heute aber käme der EU Beitritt dem Ausverkauf der Böden an westliche, chinesische oder saudi-arabische Agrarkonzerne und Finanzspekulanten gleich, die seit der „orangenen Revolution“ darauf lauern und drängen, dass das bestehende Verkaufsverbot von Land an ausländische Investoren endlich freigegeben wird.

Und dann müssen sich alle Kräfte auf Klimaschutz und Anpassung richten. Wer den neuen Bericht des IPCC nur halbwegs ernst nimmt, muss erkennen, dass die zu erwartenden Zerstörungen, Hungersnöte, Flüchtlingsströme, verbunden mit ständigen Kriegs- Terror- und Gewaltorgien, Putins schrecklichen Krieg gegen die Ukraine weit in den Schatten stellen werden. Klima- und Umweltschutz stehen heute auch im Zentrum echter Friedenspolitik.

Wenn denn schon dauernd von „Wahnsinn“ die Rede ist: Die panische Reaktion von Regierung und Parlament, für gepumpte 100 Milliarden ab sofort militärisch aufzurüsten, wird die Treibhausgasemissionen derart erhöhen, dass die ohnehin unzureichenden Klimaschutzpläne endgültig zu Makulatur werden. Nichts wird dadurch sicherer, nichts friedlicher, für keinen Menschen auf der Welt, im Gegenteil: Deutschlands Militäretat wird zwar größer als der russische, aber ohne jede Chance, eine gleichstarke konventionelle Armee zu schaffen. Deshalb rückt der alte Traum deutscher Militaristen von der eigenen Atomaffe in greifbare Nähe.

Es ist daher allerhöchste Zeit, bei der „Transformation“ den ersten Schritt nicht länger zu übergehen: Eine drastische Reduzierung der Verbräuche, ein Verbot von Luxusprodukten und Überkonsum, eine neue materiell sparsame Lebensweise in den Wohlstandszonen der Industrieländer, eine Überwindung der kapitalistischen Ungleichheit in all ihren Ausformungen.

Auch wenn der Lohn für den Wohlstandsverzicht nur die Chance ist, dass unsere Kinder und alle anderen auf der Welt immer noch ein würdiges Leben führen und nach Glück streben können: Lehrt uns doch Putins kriegerischer Raubzug erneut, dass die materiellen Lebensgrundlagen hierzulande nicht zuletzt um des Friedens willen auf das Notwendige zurückgeführt werden müssen.

Auch in diesem Krieg gibt es nicht hier den Schurken und da die Guten. Es gibt gar keinen Guten in diesem Konflikt, alle direkt oder indirekt Beteiligten gieren nach derselben Beute, auch „wir“. Menschenrechte und Werteordnung treten alle mit Füßen, sobald es ans wirtschaftlich Eingemachte geht, auch vor völkerrechtswidrigen Angriffskriegen schreckt keine Seite zurück. Ich erspare mir hier schon aus Platzgründen, allein die vom Westen angezettelten alle aufzuführen oder etwa unsere KZ-artigen Flüchtlingslager an den EU Außengrenzen näher zu beschreiben.

Annalena und Olaf sind also keineswegs plötzlich in einer „anderen Welt“ aufgewacht. Putin hat sie nur abrupt aus dem verlogenen westlichen Traumgebilde gerissen, wir lebten in einer friedlichen, humanen, an Menschenrechten orientierten Zivilisation. Als sie erkannten, dass er an unseren Wohlstandspelz will, flog die sogenannte Wertordnung und die „Werte basierte Außenpolitik“ wie Müll in die Tonne und schlagartig bleckte unsere konsum-kapitalistische Ausbeutergesellschaft dieselben militärischen Haifischzähne wie der Teufel Putin. Das ist nicht der Hauch einer Entschuldigung für dessen Eroberungskrieg, es ist nur ein realistischer Blick auf den Zustand der Welt.

Wie „Exstinction Rebellion“ oder der „Aufstand der letzten Generation“ gehe ich nicht davon aus, dass echter Klimaschutz sozusagen im letzten Moment noch durch Vernunft und Einsicht zustande kommt. Das Totalversagen der Grünen in der Ampel hat das endgültig klargestellt. Die verbliebene Zeit zur nötigen Radikalumkehr läuft davon und offensichtlich sind Widerstandsaktionen, Blockaden und Sabotage notwendig, um den Stopp und die Wende auf dem „Highway to Hell“ quasi kurz vor Toresschluss noch zu erreichen: Das Abrüsten in der Wirtschaft, beim Konsum und bei den Bedürfnissen in unseren Hirnen und Seelen, bis ein halbwegs nachhaltiger und gerechter Zustand erreicht ist, Dann ergäbe die militärische Aufrüstung nicht einmal mehr einen scheinbaren Sinn.