Leserbrief zum Artikel „Staatsschutz ermittelt wegen „Oberberg bewegt“

 

Mein Leserbrief zu den Demos im „ Spaziergänger-Mekka“ Gummersbach hat heftige Reaktionen hervorgerufen, weil ich darin behauptet habe, dass hunderte Rechtsradikale und Nazis mit marschieren (leider ein unpassendes Wort) und eine Parallele zur Nazizeit gezogen habe. Freunde informierten mich, dass ich bei „Oberberg bewegt“ auf Telegram beschimpft, bedroht und als Pädophiler hingestellt werde. Eine Mail droht mir wegen „Rufmord“ „mögliche Konsequenzen“ an, falls ich nicht widerrufe, eine andere eine „gerechte Strafe von OBEN“ und „KEINE GNADE VON GOTT!!!“ für mich als „Lügner und Volksverhetzer“. Friedliche „Spaziergänger“ ?

Erschrocken bin ich darüber, dass Menschen dabei sind, die ich als aufrichtig und ehrlich kenne, zum Teil solche aus der links-grünen Szene, der ich mich selbst zurechne. Sie fühlen sich von mir in die „rechte Ecke“ gestellt und werfen mir vor, auf die Seite der Mächtigen übergelaufen zu sein. Ich hatte aber zwischen Rechtsradikalen, „Verpeilten“ und ernsthaft Besorgten unterschieden und zähle mich als Gegner einer generellen Impfpflicht zu Letzeren, halte aber (berufliche) Einschränkungen für Ungeimpfte für notwendig. Der Regierung werfe ich vor, dass sie wie beim Klima Vorwarnungen ignoriert hat und unvorbereitet in ihre chaotische und krass unsoziale Coronapolitik gestrauchelt ist. Unserer kapitalistisch beschädigten Demokratie stehe ich kritisch gegenüber, aber selbst bei Impfpflicht wäre sie (noch?) KEINE Diktatur! Das liesse sich leicht mit einer Demo in Belarus testen.

Erschreckend finde ich, wie wenig Wissen über den NS und seine Ideologie bei vielen gebildeten Mitbürgern vorhanden ist. Sonst wüßten sie, dass man der großen „Weltverschwörung“ nur „jüdisch“ beifügen muss oder von „Umvolkung“ palavern, und schon mitten im Nazigeist angekommen ist. Mich erinnert dieses Wegschauen und Verharmlosen fatal an ein Theaterstück, bei dem ich Anfang der 60er im Wüllenwebergymnasium unter Regie von Herbert Heitmann, dem späteren Landrat, mitgespielt habe: „Biedermann und die Brandstifter.“

Das Resultat des NS-Totschweigens sehen wir heute auf der Straße. Bei nur 10 % Rechten (Innenminister Reul) wären es hier schon fast 200, es sind sicher mehr. Allein Oberbergs Polizei hat „keinerlei Hinweise“. Muss einem nicht bange werden bei dem Gedanken, dass der Präsident dieser blinden Polizei in seiner Eigenschaft als Landrat gerade eben verhindert hat, dass endlich mal unabhängige Historiker Licht in Oberbergs braune Vergangenheit bringen?

 

Zur Ergänzung und nicht Bestandteil des Leserbriefs:

Bei der letzten Demo in Gummersbach waren 500 Teilnehmer weniger dabei, aber anfangs 75% von ihnen demonstrativ ohne Maske, nach Lautsprechermahnungen des Ordungsamts immer noch 50 %. Das spricht für eine sehr große Zahl Rechter, die jetzt auch von auswärts nach Gummersbach kommen, das inzwischen bundesweit als ein „Spaziergänger- Hotspot“ gilt; so in der Sendung Hart aber fair. Extremismusforscher behaupten, dass die „Spaziergänge“ von denselben Rechtsradikalen im Hintergrund organisiert werden wie Pegida und Querdenker.