Leserbrief zu dem Artikel „Der Wolf ist nicht willkommen“

Über ein Internetforum hat mich der Aufruf erreicht, bitte einen Protest gegen den beabsichtigten Abschuss der Wölfin „Gloria“ zu unterschreiben: Ich solle mir vorstellen, dass ich wie sie Kinder und einen Lebengefährten hätte und jetzt eiskalt getötet werden solle. Ich stelle mir aber vor, dass ich eines der über 200 Weidetiere wäre, Lamm, Rind oder Pony, welches die liebe Gloria bislang gerissen hat (übrigens mit äußerster Brutalität und ohne vorherige Betäubung). Deshalb bin ganz klar dafür, sie endlich zu erschießen.

Auch deshalb, weil sich hier dieselbe Schizophrenie austobt wie beim Tierschutz überhaupt: Das geliebte deutsche Haustier erhält beste Nahrung, medizinische Betreuung und viel Zuwendung, viel mehr als ein paar Milliarden Mitmenschen auf dieser Welt, während gleichzeitig dem Tierfreund an der Fleischtheke die Leiden und Qualen der sogenannten „Nutztiere“ offensichtlich völlig egal sind.

Die Wiederansiedlung der Wölfe ist eine PR-Kampagne, die der angebliche Natur“schutz“Bund NABU ins Leben gerufen hat, kräftig gesponsert von einem für seine Liebe zur sauberen Umwelt bekannt gewordenen Autokonzern aus WOLFsburg. Der spektakuläre Wolf eignet sich blendend als Werbeträger und kommt so gut beim tierlieben Mitmenschen an, siehe Aufruf, dass er das Thema Artenschutz seit Jahren dominiert. Der Aufwand für eine Handvoll Tiere ist gigantisch: Eine ganze Wolfs-Bürokratie wurde etabliert, Kameras installiert, ständig werden Proben zum Senckenberg-Institut gefahren, Unmengen spezieller Zäune mit extra starken Stromgeräten werden hergestellt und verrammeln zunehmend die offene Landschaft. Weil der Wolf auch diese überwinden kann, werden trotzdem tausende Weidetiere allein in Oberberg jetzt im Stall gehalten. Zum Schaden der Artenvielfalt beim Grünland. Die CO2-Bilanz dieses Aufwands ist enorm.

Dabei ist der Wolf tatsächlich gar nicht vom Aussterben bedroht, es gibt mehr als 200 000 Exemplare in Europa und zwar in Gebieten mit ihm gemäßem Lebensraum wie im Balkan, Osteuropa oder den Pyrenäen. Das dichtbesiedelte NRW ist wegen fehlender Rückzugsräume völlig ungeeignet.

Ein wahrlich dramatisches Artenstreben gibt es allerdings bei Insekten und den Bodenlebewesen, die der intensiven Landwirtschaft (viermal Mähen und Güllen) und der Klimaerwärmung zum Opfer fallen. Diese unscheinbaren Arten sind zwar für das Überleben der Menschheit von existentieller Bedeutung, geben aber leider für Werbezwecke gar nichts her. Also: Verhätschelte Haustiere hier und Billigfleisch für den Tierfreund da, verlogene Wolfsromantik hier und fette Spenden für den NABU da: Was solls, ist ja sowieso bald alles am Arsch. Oder?