Leserbrief zu „Wunden im Wald“ vom 23.7.20

Ich finde, es reicht jetzt langsam: Schon wieder ein Bericht über den absterbenden Nadelwald, schon wieder ein Förster, der eine scheinbare Naturkatastrophe beklagt und schon wieder wird immer derselbe Sündenbock als Täter präsentiert: Der Borkenkäfer.

Die Ursache der dramatischen „Borkenkäferplage“ ist nämlich allein menschengemacht: Das Zusammenwirken von Klimaerwärmung und Fichtenmonokulturen. Dem Käfer ist in der Evolution die Aufgabe zugefallen, schwache Bäume zu befallen. Weil wir alle krank gemacht haben, räumt er also nur den Müll weg, den die gewalttätige Umformung des komplexen Ökosystems Wald in eine Art Holzfabrik hinterlassen hat.

Die allermeisten Förster haben sich dem kapitalistischen Verwertungszwang gebeugt und tragen somit schwere Schuld an diesen Kalamitäten. Zugunsten einer profitorientierten Forstwirtschaft haben sie den natürlichen Wald im wahrsten Sinne des Wortes verraten und verkauft. Jahrzehntelang haben sie alle Warnungen, auch die aus den eigenen Reihen, in den Wind geschlagen und bis zum Frühjahr 2018 zusammen mit den Forstbetriebsgemeinschaften unbeirrt immer neue Fichtenplantagen anlegen lassen.

Statt ständig ablenkend auf den Käfer zu verweisen, wäre deshalb endlich mal radikale Selbstkritik angebracht. Und das Eingeständnis, dass sie jetzt angesichts des irreversiblen Klimawandels auch nicht mehr weiter wissen. Statt ins Blaue hinein neue anfällige Plantagen aus Douglasien, türkischen Küstenfichten oder anderen Exoten zu propagieren, sollten sie besser ihre Ratlosigkeit offen zugeben, eine neue Demut gegenüber den Naturgesetzen lernen, den absterbenden Wald die nächsten Jahre einfach in Ruhe lassen und beobachten, wie er sich selber hilft. Wenn dann zunächst kein „Wirtschaftsforst“ entsteht, sondern „nur“ ein Wald aus Birken, Weiden und Ebereschen, so erfüllt dieser jedenfalls seine allerwichtigste Aufgabe: Nämlich das CO2 in seinem Holz zu binden, mit welchem wir konsumistische Idioten weiter volle Pulle die Atmosphäre vergiften, sobald Corona uns wieder von der Leine lässt.