Leserbrief zu: „Tiere und Technik, die begeistern.“

Als aufmerksamer Leser dieser Zeitung hat mich der Bericht über den Junglandwirt Stöcker in echte Verwirrung gestürzt. Auf seines Papas Hof „funktioniert“ angeblich die „moderne Landwirtschaft“ ganz ohne Probleme. 180 „geliebte“ Kühe, 140 ha „artenreiches“ Grün- und Ackerland dazu 34 ha Wald sowie tolle Agrartechnik: Also alles super und macht „riesengroßen Spaß“.

Kürzlich aber konnten wir noch unter der Schlagzeile „Harte Zeiten für Oberbergs Landwirtschaft“ lesen, wie der Kreisbauer verzweifelt Alarm schlug. Wegen der erneuten Frühjahrs-Dürre herrsche Futterknappheit, viele Bauern müssten Viehbestände reduzieren oder ganz aufgeben. Die Aus-sichten seien wegen der Klimaveränderung düster, zumal auch der absterbende Wald keine Einnah-men mehr bringt.

Sollten derartige bäuerliche Jammerlappen sich da nicht einfach ein Beispiel an dem so erfolg-reichen Stöckerhof nehmen? Oder tun sie es vielleicht deshalb nicht, weil sie wissen, dass es sich hier um PR und Fake News handelt?

Denn auch Stöckers glückliche Hochleistungskühe werden vermutlich mit Überseesoja vollge-stopft und landen nach wenigen Jahren ausgepowert im Hundefutter. Die mit Insektiziden und Glyphosat behandelten Maismonokulturen fördern natürlich trotz lächerlicher Alibi- „ Blühstreifen“ massiv das Artensterben. Ebenso wie die viermal jährliche Mahd des monotonen Grünlands, welches für den Einsatz der „begeisternden“ Großtechnik hergerichtet und dafür von der Vielfalt schattenspendender Landschaftselemente befreit wurde. Und Gülle bleibt im Unterschied zu Stallmist ein sehr problematischer Stoff, auch wenn sie mit Schleppschläuchen ausgebracht wird. Diese Wirtschaftsweise entspricht zwar der den Billigpreisen geschuldeten „guten fachlichen Praxis“, sie als Umwelt- und Klimaschutz darzustellen, ist jedoch ziemlich dreiste Irreführung.

Bei der Forderung nach „regionaler Produktion“bleibt mir die Spucke weg: War es denn etwa nicht Hans Stöcker, der maßgeblich daran mitgewirkt hat, die regionale Molkereigenossenschaft Tuffi in den global agierenden Monster-Konzern Campina zu überführen, wo er seitdem im sicherlich nicht schlecht dotierten Aufsichtsrat sitzt? Mir klingen seine früheren Reden über die nötige Ausrichtung auf den „Weltmarkt“ immer noch im Ohr. Heute wissen wir, dass dieser Weltmarkt vielen bäuer-lichen Familienbetrieben nicht die versprochene Rettung gebracht hat, sondern ihren Untergang.

Währenddessen treiben wir die Klimaerwärmung weiter fast ungebremst voran und auch die Stöckers werden an den immer katastrophaleren Folgen lernen müssen, dass sogar der modernste Hightech-Traktor gegen verdorrte Wiesen und Felder völlig machtlos ist. Die Forstwirtschaft bricht gerade an diesen Folgen zusammen, jetzt treffen sie mehr und mehr die Landwirtschaft und dann sind wir alle dran.