Martin Luther im Nationalsozialismus – ein Leserbrief

Vor einigen Wochen habe ich im El-De-Haus die Ausstellung „Überall Luthers Worte – Martin Luther im Nationalsozialismus“ besucht. Ich wusste zwar zuvor schon von Luthers antisemitischen Hetzschriften, aber welchen überragenden Einfluss sie auf die Verfolgung und Vernichtung der Juden hatten, das ist mir erst in der Ausstellung klar geworden.*

Ausführlich wird z.B. dokumentiert, dass der Pogrome von 1938 heute zwar am 9. November gedacht wird, dass sie aber von SA und SS zu Luthers Geburtstag am 10. geplant waren und durchgeführt wurden.

Luthers Schrift „Wider die Juden und ihre Lügen“ wurde dabei wie ein Drehbuch benutzt, indem ihre Forderungen in die Tat umgesetzt wurden: Die Synagogen verbrennen, die Häuser und Schulen der Juden dem Erdboden gleichmachen, sie vertreiben und wegen ihres „verdorbenen Bluts“ erschlagen usw.. Große Teile der Führung der evangelischen Kirche bejubelten das (Hitler vollendet, was Luther begann) und viele tausend evangelische Christen beteiligten sich freudig an den Ausschreitungen. In 100000fachen Auflagen wurde die Hetzschrift und Broschüren dazu („Martin Luther über die Juden: Weg mit ihnen!“) verbreitet, im Prinzregententheater in München gab es entsprechende Lesungen.

Bis heute wird das weitgehend unter der Decke gehalten und bei den Gedenkveranstaltungen verschwiegen. Dieses jahrhundertelang verbreitete antisemitische Luther-Gift verschwindet aber nicht mal eben von allein, es wirkt untergründig weiter, wenn es nicht rückhaltlos offengelegt und offensiv aufgearbeitet wird.

Stattdessen wurde „der größte Antisemit seiner Zeit “ und der „Warner seines Volkes wider die Juden“ ( Landesbischof Sasse) vor 2 Jahren mit großem Pomp und über die Maßen weitestgehend kritiklos geehrt. Wie wollen die Kirchenleute denn dann einem Nazi-Brandstifter entgegen treten, wenn der sich auf Luther beruft? Oder denen, die den Rabbi angegriffen und beleidigt haben?

Es ist gesellschaftlich gefährliche Heuchelei, einerseits den Antisemitismus zu beklagen und Betroffenheit zu bekunden, andererseits aber dessen starke kirchliche Wurzel weiterhin zu ver-bergen. Ich kann nicht verstehen, warum die jüdische Gemeinde und die Christlich-Jüdische-Gesellschaft dagegen nicht lauthals prostestieren.

Es ist offenbar höchste Zeit, das nachzuholen.

*In diesem Zusammenhang möchte ich besonders auf den sehr informativen Begleitband zur Ausstellung hinweisen!