Leserbrief zum AfD-Parteitag

Wenn am kommenden Wochenende die AfD in Wiehl ihren Parteitag abhält, scheinen die Fronten klar zu sein: Drinnen in der Halle tagen die Rechtsradikalen, draußen auf der Straße demonstrieren die vereinigten Demokraten gegen den braunen Ungeist.

Wenn es doch so einfach wäre!

Es sind nämlich längst nicht alle Mitglieder und Wähler der AfD Nazis, aber sie alle geben – wissentlich oder unwissentlich – den Rassisten und dem Nazigeist in ihren Reihen Rückhalt und machen die menschenverachtende Ideologie wieder hoffähig.

Andererseits sind die andauernd beschworenen 87% Nicht-AfD-Wähler keineswegs alle lupenreine Demokraten und Humanisten.

Das zeigt sich am Umgang mit den sogenannten „Wirtschaftsflüchtlingen“, zu denen mittlerweile die allermeisten gezählt werden. Ganz im Sinn der AfD gelten sie parteiübergreifend nicht als verfolgt, es wird ihnen das „Recht auf ein besseres Leben in Deutschland“ bestritten und die generelle Abschiebung verlangt.

Dabei sind die Hungerflüchtlinge überwiegend Opfer der neoliberalen Wirtschaftspolitik, die dort gnadenlos ausbeutet, plündert und Lebensgrundlagen ruiniert, während sie hier Reichtum anhäuft und unseren Wohlstand schafft. Es sei eine „Wirtschaft, die tötet“, so Papst Franziskus. Die kenianischen Hirten z.B., deren Weidegründe in Folge des von uns verursachten Klimawandels verdorrt sind und die deshalb vor dem Hungertod stehen: Die sollten also keine politisch Verfolgten sein!?

Im Gegensatz zu den Sonntagsreden und Wortklaubereien um „Obergrenzen“ werden die radikalen Forderungen aus der rechten Ecke in der Praxis inzwischen parteiübergreifend durchgesetzt: Die Wohlstandsfestung Europa schottet sich rigoros ab, finanziert libysche Verbrecherbanden, um Flüchtlinge zu jagen und in KZ-artigen Horrorlagern zu internieren, macht mit übelsten Diktatoren wie denen von Niger, Tschad und Sudan Geschäfte, damit sie die Grenzen sperren und die Flüchtenden künftig fernab in der Wüste verdursten statt vor unseren Augen im Mittelmeer zu ertrinken.

Statt dagegen anzugehen, nimmt die Mehrheit von uns sich das „Recht“, den SUV -Lebensstil weiter auf die Spitze zu treiben, mag das auch für die Hirten und Millionen andere Elend und Tod bedeuten. Erinnert solche Menschenverachtung nicht an das so sehr verdrängte nationalsozialistische Prinzip von Herrenmenschen und Untermenschen?

Wer achselzuckend für sein Wohlleben diesen Preis zu zahlen bereit ist, ist in meinen Augen ideelles AfD-Mitglied, ginge er am Samstag mit demonstrieren, wäre das die blanke Heuchelei.

Vielleicht liege ich aber völlig falsch und auch die AfD-Rassisten sind in Wahrheit „gutwillige“ und „ehrenwerte“ Mitmenschen, was die Christlich-Jüdische Gesellschaft ja sogar den damaligen Nazi- Mitläufern und Mittätern zugebilligt hat. Dann wäre doch alles wieder in bester Ordnung, oder?