Dem Aufruf von „Oberberg ist bunt, nicht braun“ zur Teilnahme an der Veranstaltung des „Netzwerks gegen Rechts“ bin ich gefolgt und erwartete die angekündigte „spannende Diskussion“ zu den „Grundwerten einer „zivilisierten Gesellschaft“.
Es gab aber keine Diskussion und schon gar keine spannende. Stattdessen klopften sich Vertreter der (54 !) Mitgliedsorganisationen und der 13 Kommunen verbal auf die Schultern und beklatschten sich gegenseitig, als wäre allein das bloße formale Bestehen des Netzwerks bereits ein Erfolg im Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus.
Die Podiumsteilnehmer wurden vom moderierenden Theologen und aus dem Publikum reihum abgefragt und so erfuhren wir, daß die Streetworkerin mit den Problemfällen im Gespräch bleibt, das Gymnasium die Schüler zu respektvollen Bürgern erzieht, der Blogger gegen Haßmails anschreibt, in Bergneustadt trotz 4000 Türken „die Straße nicht brennt“ und der Kampfsportler „im Sport noch nie Rassismus erlebt hat“.
Also offenbar eine ziemlich heile oberbergisch/deutsche Politwelt, in der Grundwerte gelten und die daher von ein paar Rechtsextremen oder der AfD nicht erschüttert werden kann.
Diese Darbietung erschien mir so oberflächlich und so selbstgefällig, dass ich mich zu einem kritischen Einwand habe hinreißen lassen: Denn im Augenblick werden ja in unserem Namen und mit unserem Geld von der Frontex im „failed state“ Lybien kriminelle Banden mit Uniformen, Waffen und Schnellbooten ausgestattet, damit sie als „Küstenwache“ afrikanische Armutsflüchtlinge jagen und abfangen, um sie in – laut Amnesty – „KZ-artigen Lagern“ zu internieren, in denen brutale Gewalt, Vergewaltigung und Sklavenarbeit an der Tagesordnung sind. Das dient offensichtlich der Abschreckung und der Abschottung unserer Wohlstandsfestung Europa.
Zweifellos wird hier der absolut oberste unserer Grundwerte mit Füßen getreten: Die unantastbare Würde des Menschen. Aber diese Menschenrechtsverletzungen nehmen wir achselzuckend hin und auch das Netzwerk gegen Rechts wollte sich wohl die Feierstimmung nicht vermiesen lassen und blieb stumm gegenüber der Frage, ob diese Gleichgültigkeit vielleicht Ausdruck eines unausgesprochenen, weit verbreiteten rassistischen Menschenbilds (Herrenmensch/Untermensch) sei.
Im Gegensatz zu diesem bleiernen (Ver)schweigen stauchte mich der Vize-Landrat aber lauthals zusammen, weil ich es gewagt hatte, einen bedenklichen Satz aus seiner Ansprache zu kritisieren: „Wir haben in der Vergangenheit bittere Erfahrungen mit dem Extremismus machen müssen“. Das klingt, als wären auch wir Deutsche Opfer des Nazismus geworden, während doch in Wahrheit andere Völker, Juden, Roma, Schwule „bittere Erfahrungen“ mit unserem Extremismus machen mußten.
Solche autoritäre Unterdrückung von Kritik, solche Unfähigkeit zu demokratischem Diskurs und das Ersticken einer lebendigen Diskussion habe ich bisher für ein Markenzeichen von rechten (oder stalinistischen) Organisationen gehalten. Aber man lernt ja nie aus.