Leserbrief zu den Artikeln „ Mit Plakaten und Gummibärchen“ und „Gottesdienst auf dem
Autoscooter“, OVZ und Oberb. -Anzeiger vom 9.5.2017
Marktkonforme Demokratie – Marktkonforme Religion
Die diesjährige „Materialschlacht“ zur Landtagswahl hat offenbar die bisherigen kulturellen
Tiefpunkte noch weit unterschritten: Abertausende Plakate, hunderte in „Großflächen“, darauf
immer wieder dieselben computer-getunten Antlitze von Kandidaten, manchmal angereichert mit geistig minderbemittelten Sprüchen aus der Plastikwelt der Werbefuzzis, dazu zehntausende Chipstüten, Kulis, Gummibärchen, Luftballons und Stoffbeutel mit den Logos der Parteien.
Dieser primitive Mummenschanz verschlingt allein im Oberbergischen sechsstellige Summen.
Nun habe ich in meinem Bekanntenkreis keinen einzigen, der wegen so was irgendeine Partei
wählen würde. Da stellt sich die Frage, wozu dann diese kostenträchtige Umweltverschmutzung
und Verdummungskampagne überhaupt betrieben wird.
Eine Antwort kann man in Naomi Kleins Buch „ No Logo“ finden: Sie beschreibt, wie mit
modernen Werbemethoden Marken kreiert werden , indem nicht mehr das Produkt, der Inhalt zählt, sondern nur die Form, die Verpackung. So ist z.B. der Turnschuh der Fa. Nike nicht deshalb das angesagte ( und teure) Produkt, weil der Schuh besonders haltbar, gesund oder schön wäre. Er wird in denselben Drittwelt-Arbeitslagern – sog „Sonderwirtschaftszonen“- zusammengeklebt wie alle anderen. Aber mehr als die Hälfte der Kosten gibt die Firma Nike für Werbung aus, indem ihr Logo in die Hirne der Verbraucher so eingebrannt wird, dass sie sich besser fühlen, wenn das Nike-Symbol auf ihren Latschen prangt.
So ist es offenbar auch um die politische „Kultur“ bei uns bestellt: Es werden „Logos“, “Marken“
positioniert, Inhalte sind nebensächlich. Es sind ja dieselben Turnschuh- Werbeagenturen am Werk, mit denselben aufs Unterbewußtsein zielenden Strategien. Der Wähler wird somit zum
unmündigen, infantilen Verbraucher degradiert und zu „Stimmvieh“ herabgewürdigt.
War es nicht die Kanzlerin, die mal eine „Marktkonforme Demokratie“ forderte? Anscheinend
haben wir das jetzt geschafft!
Eine Zeitungsseite weiter finden wir einen Bericht über einen „Gottesdienst auf dem Autoscooter“. Da hatten Kirchenleute wohl die Idee, eine „marktkonforme“ Religion zu inszenieren. Man mietete eine Autoscooterfläche auf der Kirmes, platzierte die „Gläubigen“ in die Autoscooterwagen, an den Wänden Sinnsprüche wie „Lets have fun“ , um dann über den „Draht nach oben“ das angebliche Wort Gottes unter die Religionsverbraucher zu bringen. Der „Regenbogenchor“ der Kirchengemeinde sang dazu das Lied „Gott, du bist mein Antriebsmotor“ und die Gemeinde dann den „ersten Autocsooter Kanon in der Geschichte Ründeroths“. Es verwundert nicht, dass dieses unglaubliche Event vom „Aktivkreis der Ründerother Gewerbetreibenden“ angeregt worden ist.
Ein wirklich religiöser Mensch kann zu solch einer tumben gotteslästerlicher Aufführung doch nur „Pfui Teufel“ sagen!
Da ich mich für einen sozial engagierten Demokraten halte und nicht ein verblödeter Politikkonsument werden will, verweigere ich mich der manipulativen „Wahlshow“ und prüfe, welches das kleinste unter all den parteipolitischen Übeln ist, das ich aus rein taktischen Gründen wählen kann. Dass eines von ihnen ernsthaft die echte Lösung der globalen Herausforderungen anstrebt, kann ich jedenfalls nicht erkennen: Nämlich einen „Demokratiekonformen Markt“, der die herrschende weltweite Ungleichheit und Ausbeutung und deren vielfältige Folgeprobleme (damit leider wohl auch unsere westlichen Privilegien) beseitigen würde.