Dieser Brief bezieht sich auf den am 28.3.2017 erschienen Artikel „Jetzt auch im Kreis Streit ums Sitzungsgeld“. Text unter den Fotos der Kontrahenten: „Helmut Schäfer hält 5300,- Euro mehr für maßlos“ und „Friedhelm Julius Beucher will den Großteil spenden“
Lieber Friedhelm,
Deine Ausführungen zur Sitzungsgelderhöhung beim Kreistag haben bei mir erhebliche Verwirrung ausgelöst. Da es vermutlich auch vielen anderen so geht, will ich das Problem öffentlich vortragen.
Da hat doch Euer Martin gerade eben herausgefunden, dass es in unserem reichen Land erschreckend ungerecht zugeht. „Hart arbeitende“ Menschen leben an der Armutsgrenze, ohne Aussicht auf Besserung, Leiharbeiter, Aufstocker und leider auch viele viele Kinder. Auf der anderen Seite darf sich eine charakterlose Oberschicht hemmungslos bereichern.
Schuld daran soll einerseits Sozialabbau sein, z.B. Hartz 4, prekäre Arbeitsstellen, andererseits die Abschaffung der Vermögenssteuer, Senkung des Spitzensteuersatzes und das von der Leine lassen der Hedgefondsgeier.
Wenn der Sozialermittler Martin demnächst auch noch rauskriegt , wer uns diesen Mist eingebrockt hat, dann geht es denjenigen aber bestimmt an den Kragen, da freu ich mich schon drauf.
Jetzt aber zu Dir: Stell Dir vor, der Martin erfährt in seinem Kampf für soziale Gerechtigkeit von der Erhöhung der Sitzungsgelder beim Kreis, dann gibt es aber heiße Ohren! Für die Vorbereitung und die Leitung von ein paar oder auch nur einer Sitzung im Jahr 5300 Euro, da flippt der doch aus: Er weiß doch, wie Sitzungen vorbereitet werden. Ein paar Gespräche, Mails, Telefonate mit Verwaltung und Parteifreunden, vielleicht ein Besuch im Rathaus, sagen wir ruhig mal 10 Stunden. Auf jeden Fall ein spitzenmäßiger, ja obszöner Stundenlohn. Viele Mitmenschen müssen für das Geld ein halbes Jahr oder länger arbeiten, und zwar „hart“. Das als „Ehrenamt“ zu bezeichnen, müßte wohl unter „fake news“ eingeordnet werden.
Wenn Du nun einen Teil der unanständigen Kohle wieder spenden willst, dann würde Dir der Martin das sicher als faulen Kompromiss nicht durchgehen lassen. Fall dem Martin also nicht derart in den Rücken.
Stattdessen könntest Du mit den Kreistagskollegen vielleicht mal über das auffällige Desinteresse der Bevölkerung an den Kreistagssitzungen (auch an Mandaten) nachdenken. Ich habe seit Jahren nie nennenswertes Publikum festgestellt und von der Einrichtung Einwohnerfrage bzw. Einwohneranregung macht so gut wie keiner Gebrauch; wenn ich das mal tue, fühle ich mich als „Störer“.Es sieht so aus, als agiere längst auch der Kreistag in einer abgehobenen Politikblase, in welcher lebendige Demokratie in parteipolitischen Ritualen erstickt wird.
Was auch immer die Gründe für diesen trostlosen Zustand sind, mit einer „Unterbezahlung“ von Mandatsträgern hat das jedenfalls nichts zu tun.