Der böse Borkenkäfer?

Leserbrief zum Artikel „Borkenkäfer unterm Mikroskop“ vom 8.3.19

Jetzt, wo das „forstliche Kind“ in den Brunnen gefallen ist, schlägt auch der NRW-Waldschutzexperte Dr. Niesar Alarm: „Die Lage ist dermaßen katastrophal, dass nun alle an einem Strang ziehen müssen“. Es gäbe in wenigen Jahren keine alten Fichten mehr, „wenn wir jetzt nichts tun“.

Schuld sei der „gefrässige“ Borkenkäfer, der sich nach dem trockenen Hitzesommer „rasant ver-mehrt“ habe.

Der Borkenkäfer also, das ist der Übeltäter, der Böse, der „Schädling“, den wir alle gemeinsam mit allen Mitteln bekämpfen müssen, auch wenn dies inzwischen fast aussichtslos erscheint.

Obwohl ich selbst als Waldbesitzer schwer geschädigt bin, muss ich jedoch das winzige Tierchen gegen diese Verteufelung in Schutz nehmen: Der Borkenkäfer erfüllt nämlich nur die Aufgabe, die ihm in der Evolution zugewachsen ist: Er befällt schwache und kranke Bäume und bringt sie zum Absterben. Damit schafft er in dem komplexen System Wald Licht und Luft für Naturverjüngung und stabilisiert und schützt es somit.

Die augenblickliche Riesenkalamität beruht darauf, dass halt alle Bäume in den Fichtenplantagen schwach und krank sind und auf artenarmen, versauerten Böden stehen; dass sie kein Wald sind, sondern Monokulturen zur Holzproduktion, vergleichbar mit Maisfeldern. Dass nun Millionen Fichten absterben, ist also nicht die „Schuld“ des Borkenkäfers, sondern die einer industriell ausgerichteten, rein profitorientierten, ignoranten Forstwirtschaft. Das allerdings, Herr Dr. Niesar, wissen wir schon lange.

Angefeuert wird dieses „Forststerben“ durch die Klimaerwärmung, die ebenfalls nicht auf das Konto dieses Bösewichts geht; er profitiert zwar davon, hat aber mit deren Ursachen rein gar nichts zu tun.

Diese „Täter“ sind vielmehr wir Menschen, die wir als Nutznießer einer zerstörerischen Wachstumswirtschaft ein extrem verschwenderisches Wohlleben führen und dabei vor aller Augen die Lebensgrundlagen nicht nur im Wald ruinieren. Anstatt nun endlich diese schlimmste „Kalamität seit 1900“ als das Warnsignal zu erkennen, das sie ist, zeigen wir auf den bösen Borkenkäfer und bewegen uns ansonsten „weiter so“ auf dem Highway to Hell: Als die wahren globalen „Schädlinge“, ohne die geringste Bereitschaft zu Verzicht, ohne jede Spur von Mäßigung.

Die streikenden Schüler spüren, dass sie die Zeche werden zahlen müssen. Sie lehnen sich auf gegen das parteiübergreifende leere Geschwätz und die immer wieder aufs Neue gebrochenen Klimaschutz-Versprechen der nihilistischen Erwachsenen. Heute verachten sie uns dafür zu Recht als Heuchler, morgen werden sie uns verfluchen.