Mein Flugblatt zur Ausstellung KÖLN!68

KÖLN!68: (Maul)Heldengedenktage?!?

Sowohl an dieser Ausstellung als auch an dem Begleitband ist deutliche Kritik angebracht. Als einer der damaligen „radikalen“ Aktivisten will ich versuchen, diese Kritik in Worte zu fassen und einen Kontrapunkt zu setzen zu den durchgängig selbstgefälligen Rückblicken und manchmal peinlichen Selbstbeweihräucherungen.

Im Wesentlichen sind historisch drei grobe Mängel zu registrieren:

  • Der gewaltige Umfang von Ausstellung und Buch erweckt den Anschein, es habe sich bei der Kölner „Studentenrevolte“ um eine Massenbewegung gehandelt. In Wirklichkeit haben die meisten brav studiert (WISO oder Jura), derGroßteil der Linken begnügte sich mit verbal-radikalentheoretischen Disputen und Büchertischen, während der reale Widerstand von einer (sehr) „kleinen radikalen Minderheit“ ausging. Ich verfolge staunend, wie im Laufe der Jahre die Zahl der aktiven „Revolutionäre“ inflationär in die Höhe geht.
  • Wesentliche Gründe für das Aufbegehren tauchen gar nicht mehr oder nur noch am Rande auf. So etwa die „internationale Solidarität“ mit den ausgebeuteten und unterdrückten Völkern in der sogenannten dritten Welt. In der Eröffnungsveranstaltung war das kein Thema, selbst der Vietnamkrieg fand (so gut wie) keine Erwähnung! Im Rückblick nahezuverschwunden ist auch der Widerstand gegen den um sich greifenden gierigen Konsumismus, obwohl er für viele von uns ein wichtiger Antrieb für ihre „außerparlamentarische Opposition“ war.
  • Während sich heute alle möglichen Mitläufer wie Leggewie oder Parteikarrieristen wie Lieb breit machen, sind andere, lebenslang aufrecht gebliebene 68er, wie z.B. Robert (Peter) Naumann aus den Annalen so gut wie verschwunden. Sie haben sich nicht mit dem neoliberalen Konsumkapitalismus versöhnt, keine Karriere angestrebt, viele sind aus Bürgersicht „Looser“ geworden und geblieben – ich zähle mich dazu.

Auf diese Weise wird die „Revolte“ rückwirkend so umgemodelt, dass sie mit der heutigen Lebenswirklichkeit der meisten vorgeblichen Revoluzzer kompatibel ist. Sie konzentrieren sich auf die (Sekundär)„Freiheiten“, diewir errungen haben (die ich hier nicht noch mal alle runterbeten will).

Sie blenden aus, dass auch ihr Mittelklasse-Komfort nach wie vor auf härtester Ausbeutung der Völker des Südens beruht, dass auch der alternativ-konsumistische Lebenstil die globalen Lebensgrundlagen bedroht und die Klimakatastrophe befeuert, bis hin zu den prognostizierten apokalyptischen Zuständen.

So brauchen auch wir 68er Vorkämpfer für eine gerechte Welt uns nicht damit zu befassen, dass unsere Gated Community Europa mit ihrer hochgerüsteten Frontextruppe unseren zusammengeraubten Wohlstand zunehmend mörderisch verteidigt; dass nordafrikanische Despoten und Warlordbanden als unsere Helfershelfer angeworben werden und die elenden Opfer der neoliberalen Ausplünderung der Welt zurAbschreckung in KZ-artigen Lagern foltern, massakrieren oder in die Wüste zurückjagen, wo sie fern von unseren Augen und Kameras – wie zuvor ihr Vieh – verdursten.

Also, Genossinnen und Genossen: VENCEREMOS!

Euer Lothar Gothe (Robert Naumann und Kurt Holl würden diese Kritik sicherlich teilen)

Mehr dazu bei – lothargothe.de – unter „Mein 68“ und „Europa: Bald vereinigt im Faschismus?“

(Übrigens, was die historische Aufarbeitung der Rektoratsbesetzung betrifft: Ich hatte gar keinen Hammer, sondern einen vorübergehenden, medizinisch unerklärlichen Parkinson-Anfall im rechten Bein)