Leserbrief zur Berichterstattung zum „Pogromtag“

Wegen der alljährlichen Kirchenheuchelei zum Novemberpogrom habe ich wieder den alljährlichen Leserbrief verfassen müssen. Die Medienobrigkeit hat aber anscheinend die Schnauze davon voll (nicht von der Heuchelei). Dabei habe ich ihn kurz und knackig gehalten und denen mitgeteilt, sie brauchten diesmal nicht zu kürzen, ich hätte es selber schon getan. Hat nichts genützt, er ist nicht veröffentlicht worden.

Ich schrieb:

Es ist angesichts des anwachsenden Antisemitismus und Rechtsradikalismus sehr zu begrüßen, dass endlich auch über die Gewaltexzesse am “Reichspogromtag“ im Oberbergischen berichtet wird.

Wenn allerdings Superintendent Knabe die Schuld der Kirche bekennt, die im Wegschauen bestanden habe, so ist das nicht die ganze Wahrheit. Denn tatsächlich haben sich tausende evangelische Christen eifrig als „Freiwillige“ an den Ausschreitungen von SS und SA aktiv beteiligt und sich dabei auf Dr. Martin Luther berufen.

Das konnten sie, weil dieser in seiner Schrift „Über die Juden und ihre Lügen“ genau das Pogrom gefordert hat, was in der Nacht vom 9. zum 10. begann und bis zum 11.November andauerte: Synagogen niederbrennen, die Häuser und Geschäfte der Juden zerstören, sie verjagen und erschlagen.

Die Naziführung hatte das Datum mit Bedacht gewählt, denn am 10. November ist der Geburtstag des glühenden Antisemiten. Kirchliche Würdenträger wie der thüringische Landesbischof begrüßten die Untaten auch ausdrücklich unter Berufung auf Luther.

Das „Wegschauen“ vieler Christen ist also Anlass zu Scham, aber die aktive Beteiligung so vieler anderer an der Gewaltorgie gegen wehrlose Mitmenschen und deren theologische „Rechtfertigung“ durch Kirchenobere, das ist die wirklich schwere Schuld, die auch nach 80 Jahren immer noch unter einem Mantel des (Ver)Schweigens verborgen wird. Solange das so bleibt, kann keine ehrliche Aufarbeitung stattfinden und der „Schoß bleibt fruchtbar noch, aus dem das kroch“.